31. Februar

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Ellie B.
Veröffentlicht: 01.05.2013 13:12
Aktualisiert: 01.05.2013 13:12
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Kurzbeschrieb:
Krieg. Innerer Monolog eines Mädchens, welches zu vie gesehen und erlebt hat, um weiterhin Kind zu bleiben.

Text

 

Im Himmel fliegen metallene Drachen, speien Feuer und Verderben. Noch einmal und noch einmal. Wumm, ein Feuerball fällt krachend zu Boden. Ratatatatatatatat, die Trommel des Teufels. Draussen ist nichts und wieder nichts, nur Trümmer. Und Tod. Asche zu Asche, Staub zu Staub - alles vergeht einmal, hier vergeht alles heute.
Draussen Geschrei, innen Stille. Wimmern im der Ecke. Die Mutter stopft dem Kind den Mund mit seiner eigenen Faust. Wer wird es schon hören? Es ist so laut.
Schmerz im rechten Unterschenkel - die Wunde ist aufgerissen, schon wieder.
Die Mutter blickt umher, sucht etwas, das sie dem Kind geben kann. Es weint. Sei still, kleines Kind. Was bringt schon weinen? Weinen bringt kein Essen ein, es macht die Toten nicht wieder lebendig. Besser, du wärest tot. Müssest das nicht miterleben. Die Mutter nimmt das Kind in den Arm. Es wird still. Bleib still, kleines Kind. Sonst findet dich der Schwarze Mann.
Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann? Ich! Alle habe Angst vor ihm. Deshalb der Bunker. Deshalb das Töten oben, draussen. Alle haben Angst vor dem Schwarzen Mann. Doch wer ist er? Niemand weiss es. Sie suchen und töten und suchen weiter, aber sie finden ihn nie. Nur eine Blutspur bleibt. Sie sind selbst der Schwarze Mann. Kapiert es doch endlich! Ich bin dein Schwarzer Mann, du bist meiner. So einfach. So dumm.
Der kleine Bruder ächzt. Seine Stirn glänzt mit Schweiss. Er stirbt. Keiner regt sich. Tut doch etwas! Helft ihm! Keiner sieht auf. Keiner hilft. Die Mutter mit dem schlafenden Kind sieht ihn an, unternimmt aber nichts. Nicht ihr Kind, nicht ihr Problem. So ist das. Hat nichts mit mir zu tun, geht mich nichts an. So ist das.
Der Boden bebt. Noch eine Bombe. Feuerball. Von einem Drachen im Himmel. Er wurde gefangen vom Schwarzen Mann und in Ketten gelegt und nun muss er ihm gehorchen, für immer. Er muss Feuerbälle auf die Erde schicken. Und er weint, weil er die Erde doch liebt. Und mit jedem Feuerball kreischt er vor Schmerzen, weil die Welt in Flammen steht.
Der kleine Bruder atmet schwer. Keucht und ächzt wie ein alter Mann. Wie ein sterbender. Stirb nicht. Noch ist es nicht zu spät. Wenn der Vater zurückkommt- wenn. Wahrscheinlich nicht. Eine Nacht, zwei, drei... Keiner ist je zurückgekommen. Es war doch nur um Essen zu holen. Bald ist Abend. Vielleicht kommen sie dann. Vielleicht. Wahrscheinlich nicht.
Der kleine Bruder ächzt nicht mehr, schläft jetzt. Und atmet, Gott sei Dank. Atmet ein, atmet aus, Schweisstropfen auf der Stirn, Blut auf den Kleidern, doch er atmet, er atmet. Das ist alles, was zählt. Atmen. Durchhalten. Warten auf den Abend.
Es wird dunkel. Keiner stellt das Licht an. Funktioniert nicht. Es ist heiss.
Es ist dunkel. Draussen wird es still. So still dass es laut ist. So still dass die Stille in den Ohren schreit und die Ohrtrommeln zu platzen drohen. So still dass es wahnsinnig macht wenn man nicht aufpasst.
Schritte. Knackend, dann wieder schleichend auf der Asche. Freund oder Feind? Die Schritte verebben. Ein dumpfer Aufprall. Tot. Tote Menschen tun einem nichts mehr.
Es ist zu heiss. Nichts wie raus. Raus aus der Hitze. Aus der Stille. Ins Unbekannte.
Alles ist schwarz-weiss. Dunkle Schattentrümmer zur Linken und zur Rechten, weisser Staub darüber. Hier und da rotes Aufglühen, wo noch nicht alles schwarz ist. Brennt, Trümmer, brennt. Spendet Licht in diesen dunklen Zeiten. Aber nicht zu viel, sonst sieht uns der Schwarze Mann.
Etwas kracht. Feuerball! Wo? Nein, nirgends. Nur ein Drache, rauchend und ächzend wie der kleine Bruder. Er stirbt. Auf den Überresten des Hauses der Nachbarn, wie auf einem Podest, damit alle es sehen können. Seht, da ist ein Kampfflieger. Die Unseren haben den niedergeschossen. Unsere Drachen haben den da getötet. Einen von ihnen. Nur von jemand anders in Ketten gelegt, sonst sind sie gleich. Alle gleich, alle gleich.
Neben dem Haus liegt etwas. Ein Toter. Der von vorhin. Der Pilot. Drachenbändiger. So jung, nicht einmal Flaum auf der Oberlippe, und tot, wie der Drache. Ein junger, kleiner, toter Schwarzer Mann. Und doch war er gefürchtet. Weil er Drachenbändiger ist. War.
Hinten ein Aufschrei, vom Bunker. Der kleine Bruder. Nein. Neinneinneinneinnein. Die Mutter mit dem schlafenden Kind hat einen mitleidigen Ausdruck. Jetzt plötzlich sieht sie ihn. Sie schliesst ihre Augen - Stossgebet? Fluch. Hexe. Hexe, die nur ihr Kind beschützt. Jemand trägt ihn nach draussen, hinter die noch stehende Hauswand. Warum? Er ist nicht tot. Er schläft nur. Seht ihr das nicht? Er schläft nur.
Weisser Aschenregen vom Himmel. Die Drachen beweinen ihren toten Kameraden. Seid still, ihr dummen Dinger. Weinen bringt doch nichts. Weinen bringt die Toten nicht zurück.

Aber es fühlt sich so unheimlich gut an.

Kommentare

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Am 06.07.2018, Wolf16
Sehr gut geschrieben, du musst dich sehr in ein Kind hineingefühlt haben um so was zu schreiben.
Mein Respekt!
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Am 01.05.2013, lovekiss97
Sehr bewegend geschrieben! Toller Schreibstyl