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The life behind me 1

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feather_writes
Veröffentlicht: 19.07.2022 23:02
Aktualisiert: 19.07.2022 23:02
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Kurzbeschrieb:
Sie verbindet nichts. Bis auf eine Kette, ein Armband, ein Ring und ein Gedicht mit mysteriösen Koordinaten.

Text

The life behind me

 

Coralee

Ich habe das Schreiben schon immer sehr gemocht. Aber dass ich einmal so etwas schreiben würde, hätte ich nie gedacht. Zeile für Zeile hatte ich mir sorgsam überlegt. Und nicht nur das. Ich hatte alle Ecken und Kanten durchgeplant. Für jedes noch so kleine Problem eine Lösung. Dachte ich zumindest. Ich drehte mich um, stellte mich wieder hin, um meine Beine auszustrecken und schaute auf das glitzernde Wasser. Ich war auf einer Brücke, dessen Name ich nicht mehr wusste. Tja, machte nichts. Die sanften Wellen beruhigten mich auf eine unbeschreibliche Weise. Ich setzte mich wieder hin und fuhr mit den Briefen fort. Mit den Abschiedsbriefen. Ich konnte es immer noch nicht richtig glauben was ich vorhatte. Ich wollte einen Selbstmord inszenieren. Und nicht irgendeinen. Ich wollte meinen eigenen Tod vortäuschen. Ich würde nie einem Menschen etwas Böses tun wollen. Deshalb hatte ich auch nicht vor meinen Tod vorzutäuschen, um von der Bildfläche zu verschwinden. Der einzige Grund dafür war ein Art Experiment. Und der Grund für das Experiment war er. Er war ein 16 Jahre alter Junge mit braunen, kurzen Haaren und grünen Augen, und dem Namen Ted. In ihn hatte ich mich vor ein paar Monaten verliebt. Meine derzeitige beste Freundin (ich sage derzeitig, weil sie es jetzt nicht mehr ist. Bei mir hält selten eine Freundschaft lange) hatte ich es sofort erzählt und nach einiger Zeit begann sie mich dazu bringen zu wollen, ihm meine Liebe zu gestehen. Tja, sie hatte mich dann so lange damit genervt, bis ich ihm dann per WhatsApp eine Nachricht geschrieben habe. Jaja. Ich weiß, wie unpersönlich und doof das ist, aber etwas anderes habe ich mich einfach nicht getraut. Immerhin hatte ich dann die Nachricht versendet und einen Tag später oder so hatte Ted geantwortet, es täte ihm leid, er liebe mich nicht und dass ich nicht die Hoffnung verlieren sollte. Danach war ich aber erstaunlicherweise nicht total traurig, sondern wütend. Zwar auch ein bisschen verletzt aber zum größten Teil war ich unglaublich wütend auf Ted. Ich hätte ihn am liebsten auch umgebracht dafür… Eigentlich konnte er ja nichts dafür, dass ich mich in ihn verliebt hatte, aber naja… Dann ist viel Zeit vergangen. Im Unterricht in der Schule konnte ich nicht anders als ihn ständig anzuschauen. Deswegen war ich sehr oft ziemlich abwesend in der Schule und sonst auch. Dann hatte sich auch meine derzeitige Freundschaft aufgelöst. Und ich hatte mir so viele Gedanken gemacht. Ich hatte sogar ernsthaft darüber nachgedacht mich wirklich umzubringen. Solche Tiefpunkte waren aber seltener. Es war ein verwirrendes auf und ab. Morgens in der Schule habe ich ihn gesehen und er hat mich auch oft angeschaut, dann aber wieder nicht und ich wollte ihn am liebsten umbringen. Ich war so verwirrt, schüchtern und emotional zerrissen, dass mir dann die Idee gekommen ist, meinen Selbstmord vorzutäuschen. Um meine Eltern habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich lebte, seit ich denken kann bei einer Pflegefamilie. Meine leiblichen Eltern kannte ich nicht und hatte von denen nur einen Brief bekommen. Mit einem Gedicht: Sobald die Zeit gekommen, das neunzehnte Jahr begonnen, du sollst gehen zu den Koordinaten, die hier stehen. Dazu gab es noch ein Armband mit eingravierten Koordinaten. Der Ort, den die Koordinaten beschreiben, lag ziemlich nach unserem Haus. An einem Tag bin ich dann da hin gegangen. Es war ein Haus. Ein einfaches, trotzdem noch heiles Forsthaus. Nie ist dort etwas passiert. Gefunden hatte ich dort auch nichts. Seitdem kam ich immer dort hin, wenn ich Ruhe brauchte, oder allein sein wollte. Meine Pflegeeltern haben sich nicht sonderlich fürsorglich um mich gekümmert. Dafür durfte ich aber immer alles haben was ich wollte. Somit hatte ich jetzt auch das neuste Smartphone und ein eigenes Tablet an technischer Ausstattung. Sonst bekam ich immer viel Taschengeld, wobei ich dieses nie ausgab. Und jetzt, wo ich meinen Tod inszenieren wollte, hatte ich immerhin das Forsthaus als Unterschlupf. Dort hatte ich vor mich einzurichten. Stück für Stück. Mal schauen, wie ich damit auskam. Ich ließ meine Gedanken wieder zurück zu den Briefen schweifen. Den Abschiedsbriefen. Es waren nicht viele. Es waren vier, um genau zu sein. Einen an ihre ehemalige beste Freundin, einen an ihre Schule, einen an ihre Pflegefamilie und den längsten an Ted. Ich war beim Schreiben so in Fahrt gekommen, ich wollte nicht mehr aufhören. Nur konnte ich schlecht einen fünf-seitigen Brief an Ted schreiben. Somit versuchte ich mich auf das nötigste zu begrenzen. Es war aber trotzdem schwer, ihn im Brief davon zu überzeugen, mir eine Antwort auf die Frage zu schreiben, ob er mich nun schlussendlich gemocht hatte. Irgendwann hatte ich dann die richtigen Worte gefunden. Er sollte mir die Antwort unter einer großen Baumwurzel im Wald verstecken. Dass ich sie ja vielleicht finden könnte… Zumindest hoffte ich dann, er würde meiner Aufforderung nachkommen. Im Brief an ihre Pflegeeltern erklärte ich meinen Selbstmord und versuchte halbherzig in Worte zu fassen, dass sie keine Schuld betrifft und so. Das würde denen wahrscheinlich sowieso nicht einfallen, aber zur Sicherheit schrieb ich die paar Zeilen dazu. Bevor ich zu dem Brief an meine ehemalige beste Freundin kam, entwichen mir meine Gedanken wieder und wanderten schnurstracks zu Ted. Wie schon mehrmals, versuchte ich mir uns beide zusammen vorzustellen. Das war schwerer als gedacht. Ich war vergleichsweise etwas kleiner als andere in meinem Alter. Ted war demnach auf jeden Fall größer als ich. Sonst hatten wir auch eher wenig gemeinsam, vom Aussehen her. Ich hatte mattschwarze, glatte Haare, die mir etwas über die Schultern gingen. Er hatte braune kurze wuschelige Haare, die immer den Eindruck machten, er sei gerade aufgestanden. Die einzige Gemeinsamkeit von uns war, dass wir beide grüne Augen hatten. Wobei meine Augenfarbe eher ein sattes dunkleres grün war und seine in Richtung braun gingen. Ich zwang meine Gedanken sich wieder zu ordnen und zu den Briefen zurückzukehren. Jetzt war der Brief an meine damalige Freundin dran. Es war der kürzeste Brief bisher. Viel hatte ich ihr nicht mehr zu sagen. Mühe machte ich mir auch nicht. Schnell war ich beim letzten Abschiedsbrief angekommen. Ich hatte langsam keine Lust mehr. In Eile kritzelte ich ein paar Zeilen an die Leute aus meiner Schule und an die Lehrer, dann begann ich die einzelnen Zettel in Briefumschläge zu packen. Auf jeden Umschlag unterschrieb ich und schrieb den Empfänger dazu. Es fing sowieso an zu dämmern. Auf dem Nachhauseweg verschlang mich wieder ein schwarzes Loch. Ich hatte auf meinem Handy Instagram geöffnet und scrollte traurig, enttäuscht durch tiefgründige Posts. Ich driftete sogar so weit in eine düstere Welt ab, dass ich fast die Einfahrt zu unserem Haus nicht bemerkt hatte. Puh. Ich sollte besser nie wieder beim Laufen aufs Handy schauen. Schon allein, weil das ziemlich peinlich enden konnte. Ich kramte kurz in den Tiefen meiner Jackentaschen (in welchen ein riesiges Chaos herrschte) und zog endlich meinen Haustürschlüssel hervor, der aus mehr Anhängern als Schlüsseln bestand. Im Flur schob ich meine Schuhe nur halbherzig in eine Ecke. Meinen Rucksack hingegen nahm ich mit in mein Zimmer, meine Eltern sollten schließlich nicht in meinen Sachen herumwühlen. Auch wenn die sich nicht für mich interessierten, das traute ich denen schon zu. Ich warf einen schnellen Blick auf die Wanduhr in meinem Zimmer. Ich hatte noch etwas Zeit, bevor meine Pflegeeltern nach Hause kamen. Davor würde ich mir noch ein bisschen was aus der Küche holen und notdürftig zu Abend essen. Wenn meine Eltern dann kamen, würde ich mich in meinem Zimmer verschanzen. Ich hatte echt keine Lust mehr die heute noch zu sehen. Seufzend setzte ich mich auf mein Himmelbett. Mein Zimmer bestand im Gegensatz zum Rest des Hauses nicht nur aus Überschuss. Was daran lag, dass ich es selbst einrichten durfte. Wenigstens gefiel es mir hier. Der Rest des Hauses war üppig dekoriert mit Designermöbeln und ganz viel schnick-schnack. Ätzend. Obwohl meine Pflegeeltern ziemlich viel Geld hatten, war ich in der Schule nicht beliebt. Ich hatte zwar manchmal auch die neusten Klamotten und so, aber ich hatte schon immer sehr in meiner eigenen Welt gelebt. Daran hatte sich rein gar nichts geändert. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und schnappte mir mein Tablett. Auf Papier schrieb ich vergleichsweise wenig, das Risiko, dass jemand es fand, war für mich zu groß. Ich hatte schon immer meine Gedanken, To-Do-Listen und Gefühle aufgeschrieben. Als ich den Stift für das Tablett gefunden hatte schrieb ich auch schon los. Ich machte mir zuerst Notizen in wo ich die Abschiedsbriefe abgeben sollte, und dann begann ich mit einer Liste (ich liebte Listen) in welchen Zeitabständen ich wo alle meine Sachen holen sollte, die ich brauchte, um in dem Forsthaus vorrübergehend zu überleben. Zwar hatte ich in dem kleinen Haus schon einige Dinge, wie eine Vorratsregal, einen Kühlschrank und gefüllte Wasserkanister, aber ich wusste nicht, wie lange ich dort bleiben wollte. Deswegen musste ich noch ein paar Dinge besorgen. Ich hatte Glück, denn es war ein langes Wochenende also musste ich mir um die Schule keine Gedanken machen. Übermorgen, am Samstag, hatte ich vor kleine Snacks, wie Müsliriegel zu kaufen. Die sollten auch recht haltbar sein. Eine Isomatte brauchte ich aber auch noch. Die Dinge, die ich für Körperpflege dort brauchte, wollte ich am Sonntag kaufen. Außerdem musste ich noch schauen, ob es in dem Haus auch Strom gab… Ich driftete mit den Gedanken ab und plante glücklich alle möglichen Dinge für mein Verschwinden.

Kommentare

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Am 24.07.2022, Schreiberin
OMG!
Dieser Text ist einfach nur SUPER!!!!!!