Mama

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ivygreen
Veröffentlicht: 30.06.2022 19:00
Aktualisiert: 30.06.2022 20:24
Kategorie: Dies & Das
Tags: Mama, Scheidung, Selbstzweifel
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Text

Das Geräusch ihrer Schritte dringt vom Flur bis in meine Ohren. Sie ist gut gelaunt: Alle sollen wissen, dass da ist, selbst sie kann diesen Gedanken heute ertragen. Abrupt reisst sie meine Zimmertür auf. Gestört ist meine kleine heile Welt. Sie trägt das schöne Kleid, ihre Wangen sind gerötet. "Hast du gemerkt, dass ich weg war?", fragt sie mich, während ein seeliges Lächeln ihre Lippen umspielt. Ich verneine, zusehr war ich vertieft in meiner Welt. "Ich war schnell Einen trinken." Ich habe sie nicht gefragt, aber Intresse zu zeigen, scheint mir in dieser Situation angebracht. "Ach, und wer war der Glückliche?", murmle ich schliesslich. "Gian- Luca". Ich schweige und muss ersteinmal die Bilder die versuchen, in meine heile Welt einzudringen, auszuschliessen. Doch der Mann, Gian-Luca, nimmt den gesamten Platz ein. Sein dickes Hinterteil lässt meine kleine heile Welt in tausende von Stücken zersplittern und sein penetranter Geruch, seine laute Stimme und seine grosse Körperfülle nehmen den gesamten Platz ein. Ich keuche auf. "Stimmt etwas nicht?" erkundigt sich meine Mutter schliesslich. Nichts stimmt mehr. Wo soll denn noch Platz für mich sein, wenn dieser Gian- Luca der Nächste ist? Meine Mutter hat nicht alles gefunden, was sie braucht, dass verstehe ich. Deshalb konnte sie nicht  bleiben. Ich verstehe jedoch nicht, wieso sie glaubt, alles was ihr fehlt mit den erstbesten Männern, die ihr über den Weg laufen und sie eigentlich gar nicht verdienen, sucht. Sie versteht nicht, dass auch sie innen heil werden muss, um auf sich selbst rücksichtsnehmend zu leben. Meine Heldin, die mir geholfen hat, meine kleine Welt zu erschaffen, schwindet immer mehr. Zurück bleibt die kaputte Frau, die alles um sich herum zerstört, auch meine kleine heile Welt. Eine Träne rinnt über meine Wange. Als wolle sie all diesen Schmutz einfach mit sich reissen, in das Tal der Tränen. Es müssten allerdings tausende sein, um alles wegzuspülen. 

Sie sieht nur meine Träne, tröstet mich, obwohl sie eigentlich getröstet werden sollte. Sie weiss nicht was los ist. Wir sind schon lange nicht mehr auf der selben Wellenlänge im Trauermeer. So sitzen wir nun da, Arm in Arm auf dem Boden meiner kleinen heilen Welt, während wir trösten und getröstet werden. Zwei Verlorene die sich hoffentlich bald wieder finden. 

 

Kommentare

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Am 08.07.2022, Cherimoya
Hi ivygreen,
das ist so ein mitreißender Text.. Ich weiß gar nicht, was ich dir sagen soll. Deine Worte haben mich berührt (ich bin ein Scheidungskind) und ich verstehe, wie du dich fühlst.. Wie du deine Gedanken und Gefühle in Worte gepackt hast, ist total krass. Mach weiter, gib nicht auf! Alles wird mit der Zeit besser.
Ganz ganz liebe Grüße und eine Sonnenblume,
Cherimoya.
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Am 01.07.2022, Fireheart
Der Text ist grossartig, von der Grammatik, der Formulierung und der Rechtschreibung her. Er hat mich fast zum weinen gebracht, so packend hast du ihn geschrieben. Hoffentlich geht es euch bald besser!
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Am 01.07.2022, Schreiberin
Hi ivygreen
Wunderschöner Text!
Mach weiter so.
Hoffe, es geht euch bald besser,
LG Schreiberin