Fernweh

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Travelgirl
Veröffentlicht: 04.10.2021 10:35
Aktualisiert: 28.04.2022 16:10
Kategorie: Dies & Das
Tags: Fernweh, Wellen, Sehnsucht
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Wellen. Sie können einen überrollen. Sie können rauschen. Sie können aufwühlen. Sie können schäumen und toben. Anregen und bewegen. Sie kommen manchmal überraschend, manchmal sind sie vorhersehbar, regelmässig. Sie sind klein oder gross. Kräftig. Das sind sie meistens. Schön. Aber nicht immer. Angenehm. Aber nicht immer.

Das Flugzeug verschwindet wieder hinter den Wolken. Die Vögel hören auf zu zwitschern, das Gras unter meinen nackten Füssen löst sich auf. Die Welle kommt. Ich höre das Rauschen, bevor sie mich tatsächlich erreicht. Ich registriere ein leichtes Zittern meiner Hände, während sich die Welle vor mir auftürmt. Beim Anblick der glitzernden Schaumkronen lächle ich ganz leicht. Wie schön sie doch ist, die Welle. Mir bleibt nur kurze Zeit, sie zu betrachten. Mich auf sei vorzubereiten. Ruhig blicke ich sie an, ihre Schattierungen, ihre Schönheit, ihre Einzigartigkeit. Blicke auf die Welle.

Und dann prescht sie auf mich nieder. Mit ungeahnter Wucht reisst sie mich mit, lässt mich taumeln. Schwemmt Erinnerungen an. Erinnerungen an letzte Sonnenstrahlen vor der Dämmerung, an Fussspuren im nassen Sand, an Palmen und Hängematten, an den Duft nach Salz, Sonnencrème und saftigen Früchten. Erinnerungen an Geräusche, an Rauschen, leise, fröhliche Musik, an kurze Wortfetzen, an Lachen und an den Wind, der sachte durch Blätter und Haare streicht. Bilder blitzen vor mir auf, fremde lachende Menschen, spielende Kinder, Berge, Seen, Zugfahrten, Zelte. Tempel, bunt bemalt und prunkvoll verziert. Kühe auf einer Strasse. Ziegen und Hunde auf einem  Gemüsemarkt. Mein Rucksack, voll bepackt und ich, die ihn trägt. Lachend. Frei. Die Arme ausgestreckt.

Ein kurzes Gurgeln, ich meine Sand zu hören, wie die einzelnen Körner sachte auf den Meeresboden rieseln. Ich tauche wieder auf, schnappe nach Luft und blicke um mich. Das noch feuchte Gras unter meinen Füssen, die Vögel, die zwitschernd auf den Ästen sitzen, die ersten Sonnenstrahlen, die über die Dächer blinzeln. Die vereinzelten Wolken am Himmel. Eine Spur, wo vorhin noch ein Flugzeug war. Ein Flugzeug auf dem Weg in die Ferne. Der Auslöser für die Welle. Für eine Welle von Fernweh. Fernweh nach der Weite, nach dem Unbekannten. Fernweh nach Freiheit. Fernweh nach Menschen, nach Gefühlen, nach Düften und Geräuschen. Fernweh nach mir selbst. Nach meinem wahren Ich, dem ich weiter weg näher bin. Fernweh nach Meer. Fernweh nach Wasser, nach Sand und Sonne. Und nach Wellen. Echten Wellen. Danach, sie zu bestaunen und nicht von ihnen überrollt zu werden.

 

Kommentare

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Am 05.10.2021, Amanda_8
Hallo Travelgirl,
ich finde, du hast das Thema Sehnsucht/ Fernweh perfekt auf den Punkt gebracht.