Durchzug - Kapitel eins
Travelgirl |
Veröffentlicht: 08.08.2021 12:51 |
Aktualisiert: 11.08.2021 21:12 |
Kategorie: Liebe |
Bewertung: |
Text
Kapitel eins
Langsam kommen die Leute, der Verkehr und das Leben, ja die ganze Stadt zur Ruhe. Wo vor einer Stunde noch Geschäftsleute, Familien mit kleinen Kindern, Jugendliche in kleinen und grösseren Gruppen und Menschen jeglicher Herkunft hektisch durcheinanderliefen, spazieren jetzt nur noch einzelne Leute, die noch länger arbeiten mussten, vorbei. Ich beobachte eine ältere Dame, die sich mit ihrem putzigen Schosshündchen schweren Schrittes den Häuserreihen entlangschleppt. Sie trägt eine winddichte Jacke und schützt sich mit ihrem violetten Schirm vor dem kalten Regen, der einem wegen des starken Windes ins Gesicht peitscht. Ich blicke ihnen nach, bis sie in der Dunkelheit hinter der nächsten Strassenecke verschwinden.
Ein Mann mittleren Alters in Anzug und Krawatte eilt vorbei, auch er trägt einen Schirm bei sich. Trotz des schlechten Wetters und der späten Uhrzeit lächelt er glücklich vor sich hin und hastet in Richtung Bahnhof. Woran er wohl denkt? Kehrt er heim zu seiner Freundin? Oder zu seinen Kindern? Freut er sich auf ein warmes, heimeliges Wohnzimmer? Auf ein leckeres Nachtessen? Auf einen romantischen Abend mit seiner Frau? Oder verbringt er den Abend mit einem Kollegen?
Als der Mann ausser Sichtweite ist, ziehe ich meine Beine an die Brust und stütze den Kopf darauf. Wie lange ich schon hier auf der grünen Bank an dieser Hauswand sitze, weiss ich nicht. Kaum jemand bemerkt mich, wie ich hier am Abend in der Dunkelheit im strömenden Regen allein auf dieser Bank kauere. Ich starre auf meine roten Sneakers und mein Blick wandert über meine Knie auf mein Sweatshirt. Darüber trage ich nur die Jeansjacke. Meine Keidung ist völlig durchnässt und ich zittere am ganzen Körper. Kein Wunder – ich habe mich seit Stunden nicht von der Stelle gerührt, auch als der Himmel zu weinen begann, habe ich nur meine Jacke fester um mich gewickelt und bin sitzen geblieben. Meine Gedanken beginnen wieder zu kreisen. Doch nun fliessen keine Tränen mehr. Es sind wahrscheinlich keine mehr übrig, denke ich mir und schliesse erschöpft die Augen. Ich höre das Plätschern des Brunnens in der Nähe, das Rauschen des Wassers in den Schächten und Strassengräben, vereinzelte hastige Schritte, Ladentüren, die zugezogen und abgeschlossen werden und leise Stimmen in der Ferne. Ich fühle den Regen, der unaufhörlich auf meinen schmalen Rücken prasselt. Doch vor allem fühle ich Leere. Nichts. Einfach nichts. Nur Leere. Verzweifelt kralle ich die Fingernägel in meine Unterarme, doch ich fühle keinen Schmerz.
Ich weiss, ich sollte nach Hause fahren. Mich zusammenreissen, mir die letzten Tränen vom Gesicht wischen, aufstehen und mich auf mein Fahrrad setzen, das neben mir an der Bank lehnt. Ich sollte mich unter die warme Dusche stellen, meinen kuschligsten Pyjama anziehen und mich unter meiner Bettdecke verkriechen. Ich könnte Joey anrufen und sie würde sofort losfahren und mich nicht alleine lassen. Sie würde wie immer ihr heiliges Kissen mit den Teddybären darauf mitbringen und bei mir schlafen.
Ich sollte einfach aufstehen und mich in den nächsten Zug nach Hause setzen. Doch ich kann nicht. Ich bleibe sitzen, trotze dem Regen und warte. Ich warte darauf, dass ich aus dem Traum erwache, während der Himmel über mir ununterbrochen heult und es in der Stadt immer ruhiger wird.
Ein Geräusch reisst mich aus meinen Gedanken. Schritte, die sich nähern und schliesslich stehenbleiben. Mein Körper verkrampft sich, doch ich bewege mich keinen Millimeter. Die Arme um meine angezogenen Beine geschlungen, meinen Kopf auf die Knie gelegt bleibe ich sitzen. Scheisse, wer ist das, der da vor mir steht? Ich traue mich nicht, den Kopf zu heben. Mein Puls beschleunigt sich. Die wildesten Szenarien spielen sich in meinem Kopf ab. Was, wenn das ein Betrunkener ist? Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, wahrscheinlich etwa neun oder zehn Uhr abends. Ich war schon oft alleine um diese Uhrzeit in der Stadt. Doch immer nur mit meiner Kamera, die mir das Gefühl gegeben hat, mich hinter der Linse verstecken zu können. Ich liebe das Fotografieren. Blumen, Landschaften, Tiere oder Städte, doch am allerliebsten fotografiere ich Menschen. Ich liebe es, ihren Charakter einzufangen und beim Betrachten eines Porträts das Gefühl zu haben, ich könnte den Leuten direkt in die Seele blicken. Oft ziehe ich abends - alleine oder mit Joey - durch die Strassen oder warte vor Clubs, um magische Momente des Nachtlebens einzufangen.
Schon oft sass ich abends etwas abseits vor einem Club und wartete, bis die ersten Gäste aus der Tür gestolpert kamen. Versteht mich nicht falsch, mein Ziel ist es nicht, beschwipste Leute zu fotografieren! Ich versuche bloss, mit meiner Kamera die Atmosphäre einzufangen, die rund um solche Leute herrscht. Was Joey zufolge dasselbe ist, wie sie zu fotografieren. Für mich aber nicht. Für mich bedeutet es eher, eine Geschichte zu erzählen. Eine ohne Worte. Mit nur einem einzigen Bild. Zugegeben, das klingt ziemlich durchgeknallt und deshalb weiss auch nur Joey etwas von meinem Hobby, niemand sonst.
Joey. Warum rufe ich sie nicht einfach an?
Ich zucke zusammen, als die Schritte neben mir stoppen und sich jemand leise räuspert. Ein ersticktes Schluchzen entfährt mir, ich hebe langsam den Kopf und linse zwischen meinen Beinen hindurch. Im schwachen Licht, das von der Strasse zu meiner Bank fällt, kann ich nicht viel erkennen, doch der Junge vor mir kommt mir bekannt vor. Ich versuche mich zu konzentrieren und mich zu erinnern, wer er ist. Er hält einen Regenschirm über sich und mustert mich. Angestrengt versuche ich, meine erneut aufkommenden Tränen zurückzudrängen und überlege fieberhaft, was ich tun soll. "Ähm, hey", durchbricht der Junge das Schweigen. "Sorry, wollte dich nicht erschrecken. Bist du okay?" Unmerklich ziehe ich die Augenbrauen hoch. Ob ich okay bin? Wonach siehts denn aus? Ja, ich sitze aus Spass hier im Regen und heule mein T-Shirt voll! Das möchte ich ihm am liebsten an den Kopf werfen, doch ich schweige und zucke mit den Schultern. Als könnte er Gedanken lesen, meint er in diesem Moment: "Okay, falsche Frage. Du siehst nicht so aus, als wärst du okay." Mit einer Hand fährt er sich durch die Haare und blickt mich an. Unverwandt starre ich zurück. Was will der Typ? "Soll ich jemanden für dich anrufen?", fragt der Junge unsicher. Ich schüttle den Kopf und schlinge die Arme noch fester um meine Knie. Als er keine Anstalten macht, wieder zu gehen, blicke ich ihm direkt in die Augen. Ich versuche, meine Stimme fest klingen zu lassen, doch ich klinge wie eine heisere Oma. "Ich komme klar, danke."
Doch der Junge bleibt noch immer stehen. Nun fällt mir endlich ein, woher ich ihn kenne. Okay, kennen ist übertrieben. Wir waren an der selben Schule, er in meiner Parallelklasse. Der Typ, der mit scheinbar jedem klarkommt und bei jedem Lehrer beliebt ist. Okay...
"Es sieht nicht danach aus, als kämst du wirklich klar, Lenea", bedenkt er. Scheisse, wie war nochmal sein Name? Und wie kann der verdammt noch mal wissen, ob ich klar komme oder nicht?! "Hey, du zitterst am ganzen Körper. Wieso gehst du nicht nach Hause? Soll ich dich hinbringen?" Der Junge beugt sich nun zu mir runter und blickt in mein Gesicht. Langsam werde ich wütend. Glaubt der, ich könne nicht selbst entscheiden, was ich tun soll und was nicht? Ich möchte etwas sagen, damit er geht, doch kein Ton kommt über meine Lippen. Ich blicke auf meine Hände und erst da fällt mir auf, dass ich tatsächlich am ganzen Körper schlottere. Mittlerweile spüre ich die Regentropfen kaum noch, meine Kleider und Schuhe sind völlig durchnässt, meine Hände und Füsse fühlen sich taub an. Wieder dringt ein unkontrolliertes Schluchzen aus meiner Kehle, das ich verzweifelt zu unterdrücken versuche. Bilder und Worte fliegen durch meine Gedanken, ich kann nichts machen ausser dazusitzen und abzuwarten. Ich habe keine Kraft, irgendetwas zu sagen oder zu tun. Nicht mal Tränen fliessen, einfach nichts mehr. Stumm kauere ich auf der Bank und lausche dem Prasseln der Regentropfen auf seinem Schirm. Warte, bis sich mein Hirn beruhigt.
Yannick - endlich fällt mir sein Name wieder ein - steht noch immer vor mir und schützt mich mit seinem Regenschirm vor den schweren Tropfen. «Du solltest vielleicht wirklich mal rein an die Wärme», starte er einen Versuch. Er deutet auf ein Café am anderen Ende der Gasse. «Wir könnten uns ins Café dort setzen, du wärmst dich auf und wir warten, bis es zu regnen aufhört.» Ich runzle die Stirn als ich das kleine Café mustere. «Aber das ist ja geschlossen. Drinnen ist alles dunkel», bemerke ich. Die ersten Worte, die über meine Lippen kommen, seit es passiert ist. Nicht dass ich tatsächlich vorgehabt hätte, mich mit Yannick in ein Café zu setzen. So viel ist von meinem Verstand gerade noch vorhanden. Wenn ich das im schwachen Licht richtig erkenne, spielt ein Lächeln um Yannicks Mundwinkel. «Das Café gehört meinen Eltern. Zufälligerweise weiss ich, wo sich der Ersatzschlüssel befindet und auch wie man einen Kaffee macht.» Er zwinkert mir zu. «Ich mag keinen Kaffee», sage ich trocken, in der Hoffnung möglichst abweisend zu klingen. Doch Yannick lässt sich nicht abwimmeln. «Ich mache auch die weltbeste heisse Schokolade. Oder bist du so ein Mädchen, das nur Kräutertee trinkt? Ausnahmsweise würde ich dir sogar sowas anbieten.» Ich schüttle nur den Kopf. «Nein danke, erstens kenne ich dich kaum und zweitens möchte ich einfach nur alleine sein.» «Hier kannst du aber nicht länger bleiben. Ich lasse dich bestimmt nicht um diese Uhrzeit alleine hier draussen und ich möchte an die Wärme. Aber wie gesagt, ich kann auch jemanden für dich anrufen.»
Kurz spiele ich mit dem Gedanken, wirklich mitzugehen. Meine Beine sind schon ganz steif vor Kälte und ich habe tatsächlich keine Ahnung, wo ich sonst hinsoll. Nach Hause auf keinen Fall. Zu Joey geht auch nicht, die hat Besuch von ihrer Cousine. Bestimmt würde sie für mich alles stehen und liegen lassen, dabei hätte ich aber ein schlechtes Gewissen. Sie hat sich sehr auf dieser Wochenende gefreut. Da wären noch meine Grosseltern, aber auch die kommen nicht wirklich in Frage, zumal es schon ziemlich spät ist. "Also, willst du?", fragt Yannick. Ernsthaft Len? Du überlegst dir wirklich, mit einem Jungen mitzugehen, den du praktisch nicht kennst? Anscheinend steht es schlimmer um mich, als anfangs gedacht, denn nach kurzem Zögern stehe ich auf, greife nach meiner ebenfalls durchnässten Tasche und folge Yannick in Richtung Strasse.
Als Yannick kurz darauf die Tür zum Café Fox aufschliesst, verfluche ich meine Entscheidung, mit ihm zu gehen. Was dachte ich mir nur dabei? Ich frage mich, warum mich Yannick überhaupt angesprochen hat. Was will ein Typ wie er mit jemandem wie mir anfangen? Ich bin überfordert. Was soll ich jetzt machen? Äusserlich bleibe ich – zumindest hoffe ich das – ruhig, doch ich habe das Gefühl, ich sollte jeden Moment zusammenbrechen. Bin ich denn so verzweifelt, dass ich einfach mit irgendeinem dahergelaufenen Fremden mitgehe? Anscheinend schon…
Im Café schlägt mir wohlige Wärme entgegen. Yannick schliesst die Tür und tastet sich in der Dunkelheit zu einer kleinen Bar. Plötzlich flammt das Deckenlicht auf. Geblendet kneife ich die Augen zusammen. „Ups sorry, falscher Schalter“, entschuldigt sich Yannick und löscht das grelle Licht wieder. Stattdessen knipst er eine Lichterkette mit kleinen Glühbirnen an, die quer über der Decke hängt. Zusätzlich hüllt eine Stehlampe in der Ecke den kleinen Raum in ein warmes Licht. Wobei ich immer noch friere.
Ich lasse meinen Blick durch den Laden schweifen. Im Café stehen bunt zusammengewürfelte Tische, Stühle und Sofas verteilt im Raum. Zwischen den Möbeln befinden sich Grünpflanzen, welche das Café exotisch aussehen lassen. Yannick bedeutet mir, ihm durch die Tür neben der kleinen Bar zu folgen. Dahinter befindet sich eine winzige Küche und gleich daneben ein weiterer Raum, welcher man als – eher chaotisches – Büro bezeichnen könnte. Yannick kramt aus dem Schrank ein Stoffbündel hervor. „Das ist die Ersatzkleidung für unsere Angestellten. Sie ist dir vermutlich zu gross, aber dann hast du wenigstens etwas Trockenes zum Anziehen“, meint er etwas verlegen. „Danke“, murmle ich, doch da ist Yannick schon wieder aus dem Büro verschwunden und zieht die Tür hinter sich zu. Erschöpft lasse ich mich auf den Stuhl sinken und zucke zusammen, als dieser ein Quitschen von sich gibt. Das Gesicht in den Händen vergraben bleibe ich eine Weile sitzen, dann reisse ich mich zusammen und schlüpfe aus meinen nassen Klamotten. Ich mustere die Sachen, die Yannick mir gegeben hat. Eine schwarze Jeans, ein weisses T-Shirt und graue Socken, dazu ein blaues Handtuch. Als ich die trockenen Sachen anhabe, löse ich das Haargummi von meinem Pferdeschwanz und rubble mir mit dem Handtuch die Haare trocken. Yannick hatte natürlich Recht und die Kleider sind mir viel zu gross, doch wenn ich den Saum der Hose etwas zurückstülpe, geht es. Und im Moment ist mir sowieso egal, wie ich aussehe.
Vor dem kleinen Spiegel in der Schranktür versuch ich, meine knapp schulterlangen Haare mit den Fingern notdürftig zu kämmen. Nach mehreren Versuchen, die Knoten darin wenigstens zum Teil zu lösen, gebe ich auf. Ich betrachte mein Gesicht im Spiegel. Meine Augen sind gerötet und verquollen, doch wenigstens sind die Tränen weg. Ich zupfe ein wenig an meinen langen Wimpern, die wegen des Regens und der Tränen zusammenkleben. Dann stopfe ich die nasse Kleidung samt den Schuhen in meine Tasche, hole tief Luft und gehe durch die Küche zurück ins Café. Ich hänge meine Tasche an die Garderobe neben der Tür und fische mein Handy heraus. Fünf verpasste Anrufe und mehrere Nachrichten von meinen Eltern. In diesem Moment klingelt mein Handy. Vor Schreck lasse ich es beinahe fallen. Ich blicke aufs Display und nach kurzem Zögern drücke ich den Anruf weg. Wieder meine Eltern. Entschlossen schalte ich das Smartphone aus und stecke es zurück in die Tasche. Dann setze ich mich auf einen der hölzernen Barhocker und schaue Yannick zu, wie er die heisse Schokolade schäumt. Ohne sich zu mir umzudrehen fragt er: „Ist heisse Schokolade okay? Oder möchtest du doch lieber einen Kräutertee?“ Ich kann ein leichtes Grinsen aus seiner Stimme heraushören. „Heisse Schokolade ist gut. Hast du Marshmallows dazu?“ Nun dreht er sich lächelnd um und stellt zwei dampfende Tassen vor mich hin. „Natürlich, eine heisse Schokolade wäre keine heisse Schokolade ohne Marshmallows, nicht?“ Ich stimme ihm zu und er verteilt die Süssigkeit grosszügig auf dem Schaum. Dann drückt er mir eine Packung Schokokekse in die Hand und bedeutet mir, ihm zu folgen. Wir steigen eine schmale Wendeltreppe an der hinteren Wand des Ladens hoch, die ich noch gar nicht bemerkt habe. Oben befindet sich eine Galerie mit weichen Sofas und bunten Kissen. Wir setzen uns und er reicht mir eine flauschige Decke. „Du siehst noch immer halb erfroren aus“, bemerkt Yannick. Ich zucke nur mit den Schultern und nippe an meinem Getränk. Ein leises Seufzen entfährt mir, als ich die süsse Wärme auf meiner Zunge spüre. Yannick hat tatsächlich nicht zu viel versprochen – nicht einmal meine Mutter macht so gute Schokolade. Yannick grinst mich an und gesteht: „Dir ist schon klar, dass ich dich nur in unser Café gebracht habe, um bei dir anzugeben?“ Ganz leicht ziehe ich einen Mundwinkel in die Höhe, doch mir ist eigentlich überhaupt nicht nach Lachen zumute.
„Tut mir Leid, du willst wahrscheinlich keine Scherze hören“, entschuldigt sich Yannick verlegen. Er öffnet die Kekspackung und reicht mir einen. Obwohl ich keinen Appetit habe, nehme ich ihn und beisse ein Stück ab. Sofort strömen Erinnerungen durch meinen Kopf. Und alle haben mit ihm zu tun. Ich schüttle leicht den Kopf, um sie loszuwerden, doch da brennen schon die ersten Tränen hinter meinen Augenlidern. Ich dränge sie zurück, während Yannick mich anschaut. Starre auf das niedrige Tischchen zwischen uns. Lausche konzentriert den schweren Tropfen, die auf das Dachfenster über uns prasseln. Als ich mich wieder gefangen habe, bricht Yannick das Schweigen: „Vielleicht ist das jetzt total peinlich, aber meine Mutter hat mir früher immer eine heisse Schokolade gemacht, wenn es mir nicht gut ging“, erzählt Yannick. „Und dazu hörte ich immer Globi – du weisst schon, dieser blaue Kinderheld mit der karierten Hose und dem Gelben Schnabel. Das tue ich noch heute manchmal. Vielleicht willst du das ja auch mal versuchen?“, fragt er. Ich schlucke und blinzle meine Tränen weg. Doch es kommen immer mehr. Globi. Sofort beginnt sich das Gedankenkarussell in meinem Kopf wieder zu drehen. Ich merke, wie meine Hände feucht werden und klammere mich an meiner Tasse fest. Nicht Globi. Das geht nicht. „Oder kennst du den „Räuber Hotzenplotz“?“, fragt Yannick und ich bin ihm sehr dankbar für den neuen Vorschlag. Ich schüttle den Kopf. „Dann wird es Zeit, dass du ihn kennenlernst“, meint er und lächelt leicht, während er bereits durch sein Handy scrollt. Er will jetzt tatsächlich ein Kinderhörspiel hören? Ernsthaft? Wobei ich die Idee gar nicht so dumm finde, denn vielleicht drehen sich meine Gedanken dann mal um etwas anderes. Kurz darauf ertönt fröhliche Kindermusik und Yannick legt sein Handy auf den Tisch zwischen uns. Nach wenigen Minuten entspanne ich mich und kuschle mich tiefer in die weichen Kissen. Und während wir so dasitzen und der Kindergeschichte lauschen, merke ich, wie meine Augenlider immer schwerer werden. Mittlerweile ist mir angenehm warm und ich werfe einen Blick zu Yannick. Er hat die Augen geschlossen und wärmt seine Hände an der heissen Schokolade. Und so schliesse auch ich meine Augen.
Ja, es sollten noch Kapitel folgen. Es ist einfach so, dass ich immer wieder an meiner Geschichte zweifle und dann nicht weiterschreibe... Deshalb: Danke für den aufbauenden Kommentar! Ich glaube, es geht weiter. :)
ich bin von deinem Text wirklich begeistert. Du hast ihn Kapitel 1 gennant - Heißt das, es folgen noch weitere? Das wäre cool, zumal ja noch viele Fragen offen bleiben und es mich interessiert wie es weitergeht...
Ansonsten kann ich mich nur Wolf16 anschließen, auch mir ist diese Natürlichkeit der Sprache und Gedanken aufgefallen. Es wirkt absolut real, wie als wäre man dabei. Einfach nur wow!
Amanda_8
Lg Travelgirl
Ich finde es fantastisch wie natürlich und real die Personen in deiner Geschichte wirken. Wie realitätsnah die Dialoge erscheinen und wie wirklichkeitsgetreu du die Gefühle und Handlungen deiner Figuren aufbaust. Obwohl die ganze Zeit hinter deinem Text ein Geheimnis schlummerte (eigentlich 2/1. Was ist passiert, 2. Wer ist Er) dachte ich nie ''Komm endlich zu Potte und erzähl was passiert ist''. Die Handlung zieht einen in seinen Bann und obwohl man sich Gedanken macht und Thesen aufstellt was passiert sein könnte (Hinweise gibst du ja wirklich Genug mit denen man sich viele bunte Vermutungen zurechtlegen kann), bekommt man nie das Gefühl, dass du die Erzählung künstlich streckst. Das Ganze fühlt sich beim Lesen extrem natürlich an.
Einzig das Gefühl des Regens habe ich persönlich nicht so richtig im Text gespürt. Das es regnet war zwar klar, aber das Gefühl von Wasser habe ich etwas vermisst.
Der Text ist aber trotzdem mehr als nur gelungen.
Freundliche Grüsse
Wolf16