Im Angesicht des Todes

Cover
Fireheart
Veröffentlicht: 14.07.2021 11:16
Aktualisiert: 14.07.2021 11:16
Kategorie: Krimi
Tags: Indianer, Pferd, Mörder, Erpressung, Tod
Bewertung:
Deine Stimme wird abgegeben.
Bewertung: 4.0 von 5. 1 Stimme(n).
Klicke auf die Sterne, um den Text zu bewerten.
Kurzbeschrieb:
Ifrinn Kelvin wird von einem Mann erpresst. Sein Freund Chee flieht mit ihm und seinen drei Pferden zum Stamm der Chiricahuas. Doch der Mister Tod hat Ifrinn etwas versprochen, was er auch zu halten gedenkt. Er wird sein Opfer immer finden.

Text

1. Kapitel

Es war später Abend als Ifrinn nach einem langen Arbeitstag in seine Wohnung ging. Er schaltete das Licht und den Fernseher an, um die Tagesschau zu schauen. Plötzlich ging das Licht aus. Nur der Fernseher lief noch und verbreitete ein gruseliges Leuchten. Da erschien ein schwarz gekleideter Mann, mit einem Nylonstrumpf über dem Kopf auf dem Bildschirm. Mit einer dunkeln den Tod versprechender Stimme verkündete er. «Entweder du gibst mir 2020 Millionen, oder ich werde all deine Pferde grausam foltern und anschliessend töten. Versuche nicht, davon zu laufen. Ich werde dich finden!», dann war der Mann verschwunden. Dafür erschien der Herr der Tagesschau wieder auf dem Bildschirm und verkündete. «Ein Flugzeug flog in die Hauptstromleitung zwischen Denver und Colorado Springs. Dadurch hatte ganz Colorado Springs kurzzeitig Stromausfall.» Als der Sprecher es sagte, ging das Licht plötzlich wieder an. Ifrinn liess sich zitternd auf das Sofa fallen. Was soll er nur machen?, fragte er sich und strich sich das Haar aus der Stirn. Der Amerikaner überlegte hin und her. Schliesslich fasste er einen Entschluss. Er ging zum Telefon und wählte eine Nummer. Nach dem zweiten Klingeln erklang eine wohlklingende Stimme. «Hier ist Chee Parish.»

«Hey, hier ist Ifrinn. Könntest du mal herkommen?»

«Klar, bis gleich!» Ifrinn wollte noch was erwidern, doch Chee hatte bereits abgehängt.

Zehn Minuten später sassen Chee und Ifrinn einander gegenüber. Chee hatte sich in einem alten Ohrensessel niedergelassen, während sich Ifrinn nervös auf das Sofa setzte. »Also, was ist los?», fragte Chee ruhig. Seine Mutter war eine Halbindianerin und hatte ihrem Sohn viel beigebracht. Dazu gehören Geduld, überleben in der Wüste, Spurenlesen und noch viel mehr. Sie geht mit ihrem Sohn mindestens einmal im Jahr ins Chiricahua Reservat, um ihren Stamm zu besuchen. Das hat dazu geführt, dass Chee seinen Indianerinstinkt entwickelte. So hatte er sofort gespürt, dass etwas mit seinem Freund nicht stimmte. Ifrinn kannte seinen Freund. Er würde ihn nicht im Stich lassen. Deswegen fasste er sich ein Herz und erzählte Chee alles.                                                                                                                                                                                            Nachdem Ifrinn seinem Freund von seinem Erlebnis erzählt hatte rutschte er auf dem Sofa hin und her. Chees Miene war völlig ausdruckslos. Schliesslich sagte er. «Ich werde meine Mutter fragen.», Ifrinn seufzte. «Kannst du mir nicht wenigstens sagen, was du davon hälst?», Chee lächelte leicht. «Nein.», meinte er nur und fügte noch hinzu. »Aber sei unbesorgt. Es wird alles gut werden.», Ifrinn seufzte, gab sich aber geschlagen. Er stand auf, um Chee zur Tür zu begleiten. An der Tür drehte sich Chee noch einmal um. Sein langes schwarzes Haar glänzte im Schein der Lampen. «Öffne, bis ich wiederkomme, niemandem die Tür und gehe nicht aus dem Haus. Dann sollte nichts passieren.» Ifrinn schaute seinen Freund mit besorgten Augen an. «Pass du auch auf», meinte er. Chee lächelte. Er blickte eindringlich in die grünen Augen seines Freundes. «Mir wird schon nichts passieren.», erwiderte er und fügte noch hinzu. «See you!» Dann war Chee verschwunden. Ifrinn sah ihm mit gemischten Gefühlen hinterher, schloss die Tür und verriegelte sie. Er strich sich durch das kinnlange dunkelbraune Haar und seufzte tief. «Hoffentlich passiert nichts!», murmelte er, während er in die Küche ging, um sich einen Kaffee zu machen. Während die Kaffeemaschine lief, betrachtete er die Fotos, die am Kühlschrank hingen. Eines zeigte ihn mit seinem Friesenhengst, der sein absolutes Lieblingspferd von seinen vier war. Mit ihm war Ifrinn schon durch dick und dünn gegangen. Freedom bekam seinen Namen dadurch, dass Ifrinn auf seinem ersten Ritt auf dem Friesen pure Freiheit gespürt hatte. Als er mit der Kaffeetasse in der Hand in sein Zimmer ging, kam ihm plötzlich ein Gedanke. Was, wenn es der Unbekannte auf Freedom abgesehen hatte? Es wäre schrecklich für ihn! Ifrinn stellte die Tasse auf seinen Nachttisch und stellte sein Samsung auf lautlos. Er würde heute keine Anrufe mehr entgegennehmen.

                                                                       ∞

Chee fuhr gleich nach seinem Besuch bei Ifrinn zu seinen Eltern nach Hause. Seine Mutter stand schon im Türrahmen, als er angefahren kam. »Wir haben dich schon erwartet.», sie lächelte sanft, während sie sich begrüssten. Samira Parish führte ihn ins Haus und meinte zu ihrem Mann, der auf einer der Bänke sass, die rund um den Tisch standen: «Rück ein Stück zur Seite Mike. Du musst nicht die ganze Bank besetzen!»                                                                                                                              «Also bitte, Süsse! Ich besetze doch nicht die ganze Bank!»

 Chee musste grinsen. Das Geplänkel seiner Eltern kannte er zu genüge. Er setzte sich neben seinem Vater auf die Bank, während seine Mutter ein Stück des Kuchens abschnitt, der auf dem Tisch stand. «Wird es euch nicht langweilig immer über das gleiche zu streiten?», fragte Chee. «Nö!», gab sein Vater ungeniert zurück und grinste. Samira hatte sich inzwischen hingesetzt und schaute zufrieden zu, wie ihr Sohn den Schockoladenkuchen ass. Als Chee fertig war, fragte sie. «Nun mein Sohn. Was hast du auf dem Herzen?»

                                                                   ∞                                                                           

Am nächsten Morgen wachte Ifrinn völlig unausgeschlafen auf. Er war die ganze Nacht von Albträumen geplagt gewesen. Ifrinn tastete nach seinem Samsung und las seine Nachrichten durch. Chee hatte geschrieben, dass er einen reisefähigen Rucksack bereitlegen soll und hatte eine Liste zusammengestellt, mit den Sachen, die er brauchte. Aber kein Sterbenswörtchen seines Plans. Ifrinn seufzte. «Hier muss ich dir wohl vollkommen vertrauen», meinte er und fing an zu packen.

Um zehn Uhr stand Chee vor der Tür. Er hatte seinen Lederrucksack vollgepackt mit Pemmikan (gedörrtes und zerstampftes Fleisch, das mit Fett gemischt ist), Maisfladen und ein wenig Kleidung. «Hey!», meinte Ifrinn, als er die Tür öffnete. Chee neigte nur leicht den Kopf. Diesmal setzte sich Ifrinn in den weinroten Ohrensessel, während sich Chee aufs Sofa setzte. Chee lehnte sich zurück und fing an zu erzählen. «Meine Mutter hat gesagt, dass wir zu den Chiricahuas gehen sollen. Dort wären wir in Sicherheit. Wir werden mit dem Flieger möglichst nahe nach San Carlos fliegen und von dort zum Reservat reiten. Meine Mutter meinte, wir müssten nur im Alltag helfen, um dort aufgenommen zu werden. Sie sagte auch, dass du deine Geschichte erzählen sollst. Dann würden sie uns schützen. Wir sollten auch die Polizei verständigen. Aber erst dann, wenn wir nicht mehr in Colorado sind.» «Aber was ist mit den Pferden?», fragte Ifrinn schlussendlich. «Ich konnte auf die schnelle nur zwei Boxen reservieren. Ein Pferd für dich und eins für mich. Der Flieger fliegt morgen früh.», erwiderte Chee. «Sollen wir nun zum Stall fahren, damit du dich von Jerom, Rango und Lea verabschieden kannst?» Ifrinn seufzte. Natürlich wusste Chee, dass er Freedom mitnehmen würde. Chee selbst hatte nur einen Quarter Horse Hengst. Da war es nicht schwierig, sich zu entschieden. «Ja!», sagte Ifrinn und stand auf.

Wenig später stiegen Ifrinn und Chee aus dem Auto. Als Ifrinn ans Gatter zum Offenstall trat, kamen Freedom und Lea sofort angetrabt. Rango lief unruhig hin und her. Als er bemerkte, dass sein Herr am Gatter stand, kam auch er angetrabt. «Wo ist Jerom?», fragte Ifrinn seine tierischen Freunde, während er in das Gehege ging. Lea stupste ihn an, ging ein paar Schritte und schaute sich nach ihm um. Ifrinn folgte ihr, während Rango und Freedom nicht von seiner Seite wichen. Chee kam ihnen nach. Lea führte sie hinter den Unterstand. Dort lag ein Apfelschimmel, dessen Fell blutgetränkt war. Man sah fast nicht mehr, dass es ein Pferd war. Der Körper war regelrecht zerfleischt! «Jerom!!», stöhnte Ifrinn und sank auf die Knie. Tränen liefen ihm über die Wangen. Rango legte sich neben seinen besten Freund hin und stiess einen tiefen Seufzer aus. Chee holte sein Handy hervor, um die Polizei zu rufen. Nachdem er das erledigt hatte, legte er Ifrinn eine Hand auf die Schulter. Lea stupste Rango an und bewegte ihn dazu aufzustehen. Freedom rieb seinen Kopf an Ifrinns Schulter, der inzwischen aufgestanden war. «Sei glücklich Jerom!», meinte er, worauf Chee nickte. Plötzlich hörte man Polizeisirenen.

«Ich werde eine weitere Box in unserem Flieger reservieren. Dann kannst du all deine Pferde mitnehmen.», Ifrinn sah ihn ungläubig an. «Was ist mit Navajo?», fragte er. Navajo war Chees Pferd. «Ich werde ihn zuhause lassen. Könnte ich dafür Lea oder Rango reiten?», «Natürlich», erwiderte Ifrinn und schaute den Polizisten entgegen, die angerannt kamen. «Sind sie Chee Parish?», wandte sich einer an Chee. «Richtig.», meinte er. «Ich habe sie angerufen.»

«Dann sind sie Ifrinn Kelvin, der Besitzer», sagte der Polizist zu Ifrinn. Er nickte. «Ich würde gerne eure Aussagen aufnehmen.»

Später traten sie aus dem Polizeigebäude. «Ich konnte noch eine Box im Flieger organisieren. Komm wie müssen die Pferde für die Reise bereit machen.» Ifrinn nickte und sagte: «Danke!» Chee lächelte leicht. «Nichts zu danken.»

Als die beiden im Auto sassen, mit dem Pferdeanhänger hinten dran, hörten sie die Nachrichten. »Gestern um zehn Uhr vierzig wurde im Osten von Colorado Springs ein ermordetes Pferd aufgefunden. Der Mörder ist noch unbekannt.» Plötzlich begann der Ton zu surren. Dann hörte man die schaurige, den Tod versprechende Stimme. «Das war eine Warnung Kelvin. Wenn bis Mitternacht das Geld nicht in Jeroms Box liegt, ist die Jagd eröffnet. Und vergiss nicht. Ich werde dich finden.», dann hörte man wieder den Radiosprecher, der das Wetter voraussagte. Ifrinn sah Chee entsetzt an. Chee verzog keine Miene. «Natürlich wird er uns finden. Aber mit einem ganzen Indianerstamm im Nacken, weil er in ihr Gebiet eingedrungen war und ein Pferd grausam ermordet hat», sagte er gelassen. Ifrinn sah seinen Freund verblüfft an. Dann musste er grinsen. «Du bist brilliant, Chee!», rief er aus. Daraufhin musste auch Chee grinsen. «Wenn du es sagst», meinte er und lehnte sich zurück. «Lass dir von unserem geschätzten Mister Tod nicht den Tag verderben. Ich bin der, der nie aus dem Grübeln rauskommt.»

 «Wenn du meinst.», erwiderte Ifrinn und stellte den Radio lauter.

Beim Verladen der Pferde lief es überraschend gut, nur Appaloosastute Lea lief in ihrer Box unruhig auf und ab, da sie noch nie in einer Box eingesperrt gewesen war. Sie war immer entweder in einem Offenstall oder auf einer Weide gestanden. Als Ifrinn sah wie Chee mit der Stute umging, fasste er einen Entschluss. Er ging zu Lea und Chee in die weiss gestrichene Box hinein und verkündete. «Chee, ich schenke sie dir!» Chee starrte Ifrinn an und konnte seine Ungläubigkeit nicht verbergen. «Aber, warum denn?», Ifrinn lächelte ihn an. «Ich habe das Gefühl, dass es zwischen euch auch solch eine Verbindung geben könnte, wie bei mir und Freedom.» Chee hatte sich wieder gefasst und meinte heiser. «Und ich dachte ich wäre der Indianer» Ifrinn musste lächeln. «Komm, wir sollten unsere Plätze suchen. Der Flieger startet gleich», sagte Chee, tätschelte noch ein letztes Mal Leas Hals und verliess den Transportraum. Yes, dachte Ifrinn, typisch Indianer.

Mehrere Stunden später landete der Flieger. Der Flug verlief ruhig. Trotzdem machte sich Ifrinn Sorgen um die Pferde. Nicht unbedingt um Freedom und Rango. Die beiden waren bereits geflogen. Aber Lea? Ifrinn warf seinem Freund einen Seitenblick zu. Chees Gesicht war wie versteinert. Er hatte die schwarz glänzenden Augen, wie immer, leicht zusammengekniffen. Mit Lea ist alles gut, versuchte Ifrinn sich zu beruhigen. Lea hatte starke Nerven. Als es einmal ein Erdbeben gegeben hatte, war Lea nur dagestanden und hatte verblüfft zugeschaut. Rango, Jerom und Freedom hingegen, waren unruhig hin und her gelaufen und hatten ausgeschlagen. Es brauchte viel, um Lea aus der Fassung zu bringen. Oder einen engen Raum. Als Ifrinn Lea das erste Mal dazu gebracht hatte, in einen Pferdeanhänger zu gehen, hatte seine Stute eine gefühlte halbe Stunde um sich geschlagen und gebissen, bis sie sie zusammen rausholen konnten, ohne von Hufen oder Zähnen getroffen zu werden. Nun als Chee die Boxentür zu Leas Box öffnete, wurde er von der braun-weiss gefleckten Stute stürmisch begrüsst. Chee musste lächeln, während er seiner neuen Stute das Halfter anzog. Währenddessen hatte Ifrinn Freedom und Rango ihre Halfter angezogen und führte sie nun aus den Boxen. Die Arbeiter hatten inzwischen die Sättel und alles andere Zubehör auf einen Pick-up geladen und fuhren alles zur Zollkontrolle. Seufzend folgte Ifrinn dem Auto und machte sich auf eine nervenaufreibende Verhandlung mit den Zollbeamten gefasst. Es war gerade Punkt Mitternacht gewesen.

Zur gleichen Zeit wartete ein schwarz gekleideter Mann im Osten von Colorado Springs in einer leeren Pferdebox. Als es Mitternacht schlug lächelte er grausam. «Die Jagd ist eröffnet.», meinte er. Dann gürtelte er seinen Colt und seine zwei Dolche um, auf denen er immer noch das Blut des Apfelschimmels sah. Mit grossen Schritten ging er nach draussen.

 

2. Kapitel

Nachdem mit den Zollbeamten alles geregelt war, sattelten Ifrinn und Chee ihre Pferde. Rango hatte das Vergnügen, die Decken und die zwei Rucksäcke zu tragen. Ifrinn blickte seinem Freund in die Augen. «Also dann. Beginnen wir unsere Flucht vor dem Tod.» Chee nickte ernst. «Ich übernehme die Führung.» Damit sass er auf. Rasch machte es Ifrinn ihm nach und trieb Freedom zu einem flotten Trab an, da Chee bereits davonritt.

Chee war von Natur aus schweigsam, dass wusste Ifrinn. Aber so schweigsam hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Chee sagte kein Wort, während sie an einem ausgetrockneten Flussbett (einen Arroyo) entlangritten. Eine ganze Weile ritten sie dahin. Ifrinn sah wie Chees Augen unruhig die Umgebung absuchte. Plötzlich hob Chee seinen Arm als Zeichen zum Halt. Die Ohren der Pferde schauten aufmerksam in die Höhe und drehten sich neugierig hin und her. Chee blickte sich Aufmerksam um. Ifrinn sah überrascht, dass Chee die Nase in den Wind hielt und schnupperte. «Verdammt!», stiess Chee hervor. «Ein Sandsturm kommt! In ca. 2 Stunden wird er uns erreichen. Wir müssen vorher unbedingt Wasser finden!» Chee setzte Lea wieder in Bewegung. Ifrinn folgte ihm rasch. «Wo sollen wir hingehen? Und wie lange geht ein Sandsturm?», fragte er. « Wir sollten einen Felsvorsprung finden, bei dem wir unterstehen können. Ins Dorf werden wir es nicht mehr schaffen. Wie lange ein Sandsturm dauert, ist sehr verschieden. Manchmal dauert er nur zwei Stunden, manchmal drei Tage», beantwortete Chee seine Fragen und liess Lea die Zügel locker. Ifrinn machte es ihm gleich. Wenig später hörte er das leise Plätschern von Wasser. Als sie auf einem niedrigen Hügel standen sah Ifrinn einen kleinen See. Das Wasser war türkisblau und schimmerte im Sonnenlicht. Die Pferde liefen im flotten Trab den Hang hinab und senkten die Köpfe, um zu trinken. Ifrinn und Chee sprangen ab, um die Feldflaschen zu füllen und selbst etwas zu trinken. Nachdem sie die Feldflaschen gefüllt hatten, banden sie den Pferden das Maul zu. Denn ein Pferd mit vollem Magen taugte nicht zu einem langen Ritt. Ifrinn wusch sich das Gesicht und dachte nach. Die Jagd auf ihn war nun schon seit 10 Stunden eröffnet. Mittlerweile hatte Mister Tod bestimmt schon herausgefunden, wohin er geflohen war. Was wenn er sich schon an ihre Fersen geheftet hatte? «Chee?», fragte er. «Was ist, wenn dieser Mister Tod während des Sandsturms auftaucht?» «Dann werde ich ihn schon hundert Meter gegen den Wind riechen.», gab Chee ungerührt zurück. Ifrinn verstand nur Bahnhof. «Was wirst du hundert Meter gegen den Wind riechen?», fragte er. «Den Tod!», gab sein Freund leise zurück. «Ich werde den Tod und das Verderben riechen.», Ifrinn verstand es zwar nicht richtig erwiderte aber nichts, da Chees Gesicht einen traurigen Zug angenommen hatte. Während sie sich einen Maisfladen teilten, wanderten Chees Blick hin und her. Dann stand er auf, schluckte noch seine letzten Reste Maisfladen herunter und meinte. «Ich habe eine geeignete Stelle gefunden, um während des Sandsturms zu lagern.» Mit diesen Worten sass er in den Sattel und schaut Ifrinn erwartungsvoll an. Schnell nahm er noch einen Schluck Wasser, stand auf und sprang in den Westernsattel. Sie trieben die Pferde in den Galopp und ritten auf den Felsbrocken zu, den Chee gemeint hatte. Sie hatten Rango kaum vom Gepäck befreit, als es sich der Sand erhob. Rasch band Ifrinn den Fuchs an und zog sich sein Halstuch über Mund und Nase. Er hatte keine Ahnung, wie man sich bei einem Sandsturm verhalten sollte, daher erklärte Chee ihm in den nächsten langen Stunden des Nichtstuns alles ausführlich.

«Wir haben Glück», sagte Chee irgendwann. «Der Sturm ist gleich vorbei.» Tatsächlich legte sich der Sturm 4o Minuten später. Bald darauf konnten sie weiterreiten. Der Sandsturm hatte für den Schnitt nicht sehr lange gedauert.

Die Sonne brannte auf sie herab, als sie ins Indianerdorf ritten. Der ganze Stamm versammelte sich, als Chee und Ifrinn zur Häuptlingshütte ritten. Davor wartete bereits der Häuptling Nachis. Nachis war fünfunddreissig Jahre alt und hatte lange schwarze Haare, die er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Er trug Kleider aus weissem Hirschleder. Die beiden Freunden sassen von ihren Pferden ab und verbeugten sich. Nachis nickte ihnen zu. «Kommt, wir werden uns in meiner Hütte unterhalten. Man wird sich um eure Pferde kümmern», begrüsste der Häuptling die beiden. Währenddessen trat ein Junge aus der Menge und nahm Lea, Freedom und Rango an den Zügel. Als Chee und Ifrinn hinter dem Häuptling die Hütte betraten, führte der Junge die Pferde weg.

Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit in der Hütte gewöhnt hatten, schaute sich Ifrinn neugierig um. In der Mitte war eine Feuerstelle und der Boden war mit Decken ausgelegt. An der Hüttenwand hingen Taschen, gefüllt mit den persönlichen Dingen, der Person, der die Tasche gehörte. An der Wand standen Gefässe gefühlt mit Essen und im Dach der Hütte hatte es ein Loch, um den Rauch des Feuers rauszulassen. Nachis setzte sich, nahm zwei der Gefässe und stellte sie vor den Freunden hin. «Isst!», sagte er nur. Also liessen sich Chee und Ifrinn im Schneidersitz nieder und fingen dann an zu essen. Nachis wartete, bis seine Besucher fertig gegessen hatten und fragte dann: «Nun was habt ihr auf dem Herzen?»

 «Mein Freund Ifrinn wird es dir sagen, Nachis.» Nun schaute Nachis erwartungsvoll zu Ifrinn hinüber. «Also, …», begann Ifrinn. Er wusste nicht, wo er beginnen sollte.

 «Beginne beim Fernseher», half ihm Chee.

«Nach einem langen Arbeitstag kam ich nach Hause und schaltete das Licht und den Fernseher an, um die Tagesschau zu schauen», Ifrinn erzählte ihm alles, auch Jeroms Wunden, die er überraschend detailliert beschrieb. Er stockte hin und wieder, doch das schien den Häuptling nicht zu stören. Schlussendlich verkündete Nachis: «Ihr werdet in einer Hütte am Rand des Dorfes wohnen. Ihr werdet bei uns bleiben, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Als Gegenleistung helft ihr im Alltag.», Nachis pfiff leicht durch die Zähne, worauf ein etwa achtzehnjähriges Mädchen eintrat. «Caty wird euch zur Hütte bringen. Die Hütte ist nahe beim Korral, in dem auch eure Pferde stehen», mit diesen Worten stand Nachis auf und Caty bedeutete ihnen, ihr zu folgen. Sie durchquerten das Dorf. Caty blieb vor einer hübschen Hütte stehen. Nur drei Hütten weiter befand sich der Korral. «Das ist eure Hütte.», sagte das Mädchen im perfekten Englisch. Ifrinn zog überrascht die Augenbrauen hoch. «Ich weiss, das hört sich sicher unhöflich an.», meinte Ifrinn, «Aber wie kommt es, dass du so gut Englisch sprichst?» Caty schenkte ihm ein scheues Lächeln. «Meine Freundin ist Amerikanerin.», beantwortete das Mädchen seine Frage. Sie verabschiedete sich mit einem Kopfnicken. Dann war sie zwischen den Hütten verschwunden. Chee trat in die Hütte. Als Ifrinn ihm folgte sah er erstaunt, dass sich ihr Hab und Gut bereits in der Hütte befand. Chee, der seinen erstaunten Blick bemerkt hatte, meinte. «Das ist immer so», er deutete auf eine Stelle zwischen dem Eingang und der Feuerstelle. «Ich schlafe hier und du schläfst hier», sagte er und deutete auf die gegenüberliegende Seite. Ifrinn beugte sich seinem Urteil ohne einen Mucks von sich zugeben. So war Chee schon immer gewesen. Egal wo sie übernachtet hatten. Chee musste immer möglichst nahe an einer Fluchtmöglichkeit sein. Ifrinn warf seine Sachen in eine Ecke und fragte Chee. «Willst du mir das Dorf zeigen?» Sein Freund nickte. «Gerne, wir sollten aber auch einmal noch Feuerholz sammeln.» Ifrinn überlegte. «Zuerst das Dorf anschauen», entschied er sich. Chee nickte wieder und verliess die Hütte, dicht gefolgt von Ifrinn.

Das Dorf bestand aus etwa fünfzig Hütten, die bewohnt wurden. Ifrinn war erstaunt von der Art, wie die Apachen ihr Dorf bewohnten. Als er seine Überraschung äusserte, lächelte Chee amüsiert und zeigte seinem Freund die Umgebung, während sie Feuerholz sammelten. Morgen würden sie einen Ausritt machen, hatte Chee Ifrinn versprochen. Jetzt lag Ifrinn in mehrere Decken gewickelt und verfluchte seine helle Haut. Von Chee hörte man nur seine gleichmässigen Atemzüge. Da Chee aber von Natur aus, eine bronzefarbene Haut hatte, hatte dieser auch nicht mit einem Sonnenbrand zu kämpfen. Anders als Ifrinn. Seine Haut brannte höllisch und sein Gesicht hatte eine rote Färbung angenommen, da er vergessen hatte sich einzucremen. Das konnte ja lustig werden. Trotz allem fiel er irgendwann in einen unruhigen Schlaf.

Als Chee und Ifrinn am nächsten Morgen die Pferde sattelten kam Caty angelaufen. «Wohin geht ihr?», fragte sie neugierig. «Chee will mir die Umgebung zeigen. Willst du mitkommen? Rango sollte mal wieder geritten werden», fragte Ifrinn freundlich. Caty war sofort Feuer und Flamme. Sie hatte noch nie ein Pferd geritten, das nicht von einem Indianer ausgebildet worden war. «Na klar!», rief sie begeistert. Sobald auch Rango gesattelt war, sassen sie auf. Caty kicherte leicht, was die Männer mit einem Kopfschütteln quittierten. Eine Weile ritten sie schweigend in einem flotten Trab dahin. «Wollen wir mal galoppieren?», fragte Chee irgendwann. Ohne auf die anderen zu warten, trieb er Lea in den Renngalopp. Kurz darauf preschte Freedom an der Stute vorbei. Rango erschien an Leas Seite. Catys gebräuntes Gesicht strahlte, als sie Rango weiter antrieb, um zu Freedom aufzuschliessen. Lea rannte ihnen hinterher. Ifrinn jauchzte und breitete die Arme aus, nachdem die anderen beiden ihn eingeholt hatten. Wenig später parierten sie ihre Tiere zum Schritt durch und Ifrinn rief begeistert: «Das war der beste Galopp meines Lebens!» Chee lachte. «Das liegt wahrscheinlich daran, dass es dein erster zum Spass gedachter Galopp in der Wüste war!» Sie ritten noch eine Weile weiter. Plötzlich stockte Ifrinn der Atem. Auf dem Boden lag ein Indianer, blutüberströmt! Leise sagte Caty. «Einer der Späher. Heilige Scheisse!» Es überraschte Ifrinn, das Mädchen so fluchen zu hören. Chee sprang ab und kniete sich neben dem Indianer hin. Der Späher hatte dieselben Wunden wie Jerom. Nur halt auf den menschlichen Körper übernommen Nun sprangen auch Caty und Ifrinn ab. Caty bückte sich und hob einen weissen Zettel hoch. «Kann das jemand lesen?», fragte sie. Ifrinn streckte eine Hand nach dem Zettel aus. «Gib her!», befahl er Caty. Das Mädchen drückte ihm den Zettel in die Hand. Während er las, wurde er kreidebleich. «Mister Tod hat uns gefunden», sprach Chee das Offensichtliche ruhig aus. «Wer ist dieser Mister Tod?», fragte Caty. Angst schwang in ihrer Stimme mit. Ifrinn, der vom Zettel aufgeblickt hatte, meinte. «Es ist nicht die Frage, wer er ist, sondern was er tut. Hört euch das an!», bat er und las den Zettel vor. «Ich habe gesagt, dass ich dich finden werde. Ihr habt zwei Stunden Zeit, bis ich ins Indianerdorf kommen werde, um mit euch abzurechnen.», Chee blickte erst Ifrinn und dann Caty an. «Das Blut ist etwa eine halbe Stunde alt. Die Leiche müssen wir hierlassen, sonst schaffen wir es nicht mehr schnell genug ins Dorf, um alle zu evakuieren. Aufgesessen!» Sie sprangen alle gleichzeitig auf die Pferde und jagten zurück zum Dorf. Chee, der die Führung übernommen hatte beugte sich tief über Leas Hals und trieb sie zur höchsten Eile an. Ifrinn und Caty machten es ihm nach. Eine halbe Stunde später, erreichten sie das Dorf. Caty gab Nachis Bescheid und Chee und Ifrinn packten ihre Sachen. «Was passiert, wenn unser Mister Tod die Chiricahuas findet?», fragte Ifrinn. «Er wird sie nicht finden», erwiderte Chee. Er band die zusammengerollten Decken hinter den Sätteln fest, während er erklärte. «Mister Tod ist hinter uns her. Es wäre eine grosse Zeitverschwendung für ihn, die Chiricahuas zu suchen. Das weiss jeder Mensch, der sich mit den Indianern einmal gründlich befasst hat. Und das wird auch Mister Tod gemacht haben.» Ifrinn stieg mit einem Kopfnicken auf und ritt auf Caty zu, die Rango zu ihnen bringen wollte. «Nehmt Rango mit. Er kann das restliche Gepäck tragen.» Caty neigte dankend den Kopf. «Ich werde gut auf ihn aufpassen.», meinte sie nur und ging davon, um Rango mit Gepäck zu beladen. Chee war in der Zwischenzeit ebenfalls aufgestiegen. Zusammen ritten sie zum Häuptling, um sich zu verabschieden. Nachis blickte ihnen bereits entgegen. «Seid vorsichtig!», meinte er. «Der Vorfall mit dem Späher hat gezeigt, dass er uns austricksen kann. Aber die Pferde kann er nicht austricksen. Sie werden das Blut ihres Freundes und das Verderben an ihm riechen.» Nachis bedachte Chee mit einem merkwürdigen Blick. «Ebenfalls wie du mein Sohn.» Damit verabschiedete sich Nachis von den Freunden. Chee und Ifrinn wandten ihre Pferde ab und ritten aus dem Indianerdorf hinaus. Sie hatten noch eine halbe Stunde, bis Mister Tod ins Indianerdorf kommen würde.

 

3. Kapitel

Sie ritten bereits seit einer Stunde in einem Flussbett. Die Pferde rutschten immer wieder auf dem glitschigen Untergrund aus. Langsam fragte sich Ifrinn, was das bringen sollte. Er wollte die Frage bereits laut stellen, da drehte sich Chee im Sattel zu ihm um. «Siehst du dieses kleine Wäldchen?», fragte er Ifrinn. Der Amerikaner nickte. «Wir werden, sobald wir auf gleicher Höhe sind, in den Wald reiten. Der Wald wird unsere Spuren verdecken. So kann Mister Tod noch so lange dem Flussverlauf folgen, er findet uns trotzdem nicht.» «Aber was, wenn er unsere Spuren trotz der Bäume sieht?», gab Ifrinn zu bedenken. «Ich werde nach hundert Meter absteigen und zurück gehen, um unsere Spuren zu verwischen. Ich werde gut aufpassen, damit ich keine Spuren hinterlasse», beruhigte ihn Chee. Wenig später erreichten sie das kleine Wäldchen. Lea kämpfte sich zuerst die Böschung hinauf dicht gefolgt von Freedom. An manchen Orten standen die Bäume sehr dicht. Die Pferde mussten sich richtig hindurchschlängeln. Für Lea war das kein Problem, doch Freedom musste mit seinem massigen Körper so manchen Umweg machen. Nach hundert Metern stieg Chee ab, brach einen Ast ab und lief alles zurück, um die Spuren zu verwischen.

Als sie wieder weiter ritten, bekam Chee ein mulmiges Gefühl. Irgendetwas sagte ihm, dass sie nicht allein waren. Das Wäldchen hatten sie nun schon seit geraumer Zeit verlassen. Besorgt bemerkte Ifrinn wie sich Chee immer wieder nervös umsah. Auch die Pferde wirkten unruhig. «Rück raus mit der Sprache!», befahl Ifrinn. «Was ist los?» Chee strich sich durch seine langen Haare. «Ich weiss es auch nicht. Irgendetwas stimmt nicht. Ich habe das Gefühl, dass entweder vor oder hinter uns etwas oder jemand ist. Dieser Mister Tod ist es nicht. Aber Indianer hätten sich schon lange gezeigt oder angegriffen. Am besten wir tun einfach so, als hätten wir nichts gemerkt.», damit war das Thema für Chee erledigt. Doch Ifrinn sah, dass Chees Blick trotzdem unruhig umherirrte.

Es wurde Abend, bis sie eine geeignete Lagerstelle gefunden hatten, um zu übernachten. Während Chee Feuerholz sammelte, versorgte Ifrinn die Pferde. Ganz in der Nähe gab es eine Höhle, in der es einen See hatte. Freedom lief, ohne zu zögern in die Höhle, als es Ifrinn ihm bedeutete. Lea musste man hineinführen. Aus irgendeinem Grund hasste Lea Höhlen. Sie sträubte sich gegen den Führstrick und hätte beinahe den Strick zerrissen, wenn Freedom nicht gewiehert hätte. Als Lea das Wiehern ihres Freundes hörte, liess sie sich widerstandslos in die Höhle führen. Die ganze Höhle wurde von Glühwürmchen erhellt. Sie war riesig. Nachdem Lea aus dem See getrunken hatte, jagte sie den Glühwürmchen hinterher. Freedom gesellte sich kopfschüttelnd zu Ifrinn, der Lea belustigt zusah. Konnte es sein, dass Lea noch nie Glühwürmchen gesehen hatte? Nach einer Weile stieg Ifrinn in den See und fing an sich zu waschen. Ihm kam plötzlich eine Idee. Er lockte Freedom zu sich und sprang auf dessen Rücken. Als Ifrinn den Friesen in den See lenkte, verstand dieser, was sein Besitzer wollte. Begeistert preschte Freedom ins Wasser. Das Wasser war warm, obwohl es nie die Sonne sah. Nach wenigen Metern verlor Freedom den Bodenkontakt und fing an zu schwimmen. Lea, die bemerkt hatte was ihre Freunde taten, galoppierte Freedom hinterher.

Als Chee die Höhle betrat, blieb er sofort stehen. Das Bild, das sich ihm bot, war urkomisch. Lea, Freedom und Ifrinn schwammen im See und … spritzten sich gegenseitig an! Chee prustete los. Ifrinn, der seinen Freund bemerkt hatte, grinste Chee an. «Komm!», rief er. «Das Wasser ist herrlich!» Kurz entschlossen zog sich Chee das Hemd über den Kopf und sprang ins Wasser.

Chee und Ifrinn wollten schon aus dem Wasser steigen, Freedom und Lea waren kaum aus dem Wasser gegangen, da ertönte eine kräftige Stimme. «Also wirklich Chee. Man würde schon meinen du hättest was Besseres zu tun.» Chee und Ifrinn wirbelten im selben Moment herum. Der Indianer hatte schulterlanges, dunkelbraunes Haar und pechschwarze Augen. Sein breitwangiges Gesicht blickte ernst. Chee runzelte sofort die Stirn. «Nachalo, was ist los?», Nachalo winkte ab. «Später. Zuerst wäre es schön, wenn du mich Ifrinn vorstellen würdest.»

«Ah, ja!», erwiderte Chee und wandte sich Ifrinn zu. Beide Männer waren inzwischen aus dem Wasser gekommen. Die platschnassen Hosen klebten an ihren Beinen. «Ifrinn,», meinte Chee, «darf ich vorstellen? Das ist Nachalo, der älteste Sohn des Häuptlings der Withe Mountain Apachen.»

Ifrinn fing an, Freedom mit einer alten mitgebrachten Pferdedecke abzureiben, während Chee in der Höhle ein Feuer entzündete. Sie hatten den Lagerplatz in die Höhle verschoben. Als Nachalo sein Indianerpony in die Höhle führte, staunte Ifrinn nicht schlecht. Nachalos Pony war schneeweiss. Als Nachalo Ifrinn mit schräg gelegtem Kopf ansah, wurde dieser rot. «Ich habe noch nie ein weisses Indianerpony gesehen!», rechtfertigte er sich. Nachalo lächelte. Er konnte nicht älter als fünfundzwanzig sein. «Es gibt ja auch fast keine», meinte er. Als dann alle um das Lagerfeuer sassen und die Pferde versorgt waren, fragte Chee. «Also, was ist passiert?», so fing der Apache an zu erzählen. «Eure kleine Freundin Caty hat mich gerufen. Ich wollte mich vor etwa vierzehn Stunden mit ihr treffen. Sie wollte mich treffen, damit wir beide nach euch suchen konnten. Für ihr Auge habt ihr eure Spuren zu gut verwischt. Caty hoffte, dass ich eure Spuren finden würde. Als ich beim Treffpunkt ankam fand ich ihre Leiche, zusammen mit der Leiche eines grossen Fuchses! Die Körper waren richtiggehend zerfleischt worden! An Catys Brust war ein Zettel genagelt worden!» Nachalo zog einen Zettel, aus seiner Lederjacke. Er war blutbefleckt, trotzdem konnte man die Schrift lesen. «Eure kleine Freundin hat tapfer gekämpft, Ifrinn. Auch ihr Pferd, dieser Rango. Nun siehst du, was es dir bringt zu fliehen. Desto länger du davonläufst, desto mehr Tote wird es geben. Mit tödlichen Grüssen, Mister Tod.» Nachalo sah vom Zettel auf. «Was zum Teufel ist das?», fragte er ungläubig und schaute dabei Ifrinn an, ohne eine Miene zu verziehen. Ifrinn stöhnte gequält. Wie viele Male musste er diese Geschichte denn noch erzählen? «Kannst du es machen?», fragte er Chee. «Klar.», erwiderte der Dreissigjährige. So fing er an zu erzählen. Nachalo hörte ruhig zu. Erst als Chee fertig war, stellte er seine Frage. «Hast du denn irgendwelche Feinde?» Ifrinn lehnte sich seufzend an die Wand. «Welche meinst du? Die, die mich hassen, weil ich ihnen den Podestplatz im Western vor der Nase weggeschnappt habe. Die, die mich hassen, weil sie denken ich wäre reich. Oder die, die mich hassen, weil die Mutter meines Freundes eine halbe Chiricahua ist?» Nachalo zog eine Augenbraue nach oben. «Ich würde sagen alle könnten es sein, die genug Grips haben. Kein Wunder, dass ihr noch nicht versucht habt herauszufinden, wer Mister Tod ist.», meinte er schliesslich. «Yes!», sagte Chee nickend. Nun lehnte sich auch Nachalo an die Wand. «Wenigstens haben wir unseren eigenen Spürhund», meinte er. Ifrinn richtete sich mit funkelnden Augen auf. «Kann mir endlich mal jemand erklären was damit gemeint ist?!», fragte er wütend, was gar nicht seine Art war. Nachalo schaute Chee verwundert an. «Hast du es ihm nicht gesagt?», fragte er. Chee schüttelte verhemmt den Kopf. «Nein!», murmelte er. Ifrinn sah verwirrt von einem zum anderen und wollte gleich nochmal fragen, da hob Chee seine schlanke Hand. Das Feuer warf gespenstische Schatten auf sein ernstes Gesicht. «Ich will dir eine Geschichte erzählen», sagte er und begann. «Es kam einmal ein zehnjähriger Junge jedes Jahr ins Indianerreservat der Chiricahuas. Seine Mutter hiess Samira und war ein Halbindianer. Sie hatte auch noch eine Schwester. Leila hatte eine zwölfjährige Tochter, die Cousine des Jungen. Anders als ihre Schwester hatte Leila ihr ganzes Leben im Indianerreservat verbracht. Einmal, im Sommer, wollte sie einen Ausritt machen. Der Junge durfte sie ein Stückweit begleiten. Er hatte immer so ein komisches Gefühl, das er bei sich nicht zuordnen konnte. Doch aus Angst davor, für lächerlich gehalten zu werden, sagte der Junge seiner Tante nichts davon. Nach einer Weile verabschiedeten sie sich und der Junge ritt allein zurück ins Dorf. Beim Nachhause reiten, wurde Leila von einem Sandsturm überrascht. Als ihre Leiche gefunden wurde, lag sie genau hundert Meter von der Stelle entfernt, bei der sich Tante und Neffe verabschiedet hatten. Die sonnengebräunte Haut von Leila war aschfahl. Nachdem Leila ins Dorf gebracht wurde und Leilas Tochter Amy die Leiche gesehen hatte, wurde Amy nie mehr gesehen.», beendete Chee die Geschichte. «Und nun, zwanzig Jahre später, macht sich der Junge von damals immer noch verantwortlich für das Geschehene.», fügte Nachalo grimmig hinzu. Ifrinn schüttelte den Kopf. «Warum machst du dich denn verantwortlich?», fragte er Chee. «Ich … ich hätte es Leila sagen sollen! Wegen meinen Handlungen macht sich Mutter immer Sorgen um … um Amy.», Lea, die zu ihrem Reiter getreten war, legte Chee ihren Kopf auf die Schulter. Chee seufzte. «Jedes Jahr geht Mutter zum Medizinmann und fragt ihn nach Amy. Er konnte ihr immer nur sagen, dass Amy lebt.« Er liess den Kopf hängen. «Wisst ihr was? Wenn wir schon von Mister Tod fliehen müssen, können wir genauso gut etwas Nützliches damit verbinden.», meinte Ifrinn entschlossen. Chee sah auf. Auch Nachalo, der bis jetzt im Feuer gestochert hatte, legte den Stock beiseite. «Du willst Amy finden!», murmelte er an Ifrinn gewandt. Der achtundzwanzigjährige Amerikaner nickte bedächtig mit dem Kopf. Chee starrte seinen Freund an. «Man hat schon tausendmal versucht sie zu finden. Bis jetzt ohne Erfolg.», wandte Chee ein. «Ja, aber immer haben Indianer gedacht. Amerikaner denken anders. Mit dieser Denkweise könnte es funktionieren.», erwiderte Ifrinn und fügte noch hinzu, «Wir könnten es schaffen!» Ein Lächeln erschien auf Nachalos Gesicht. «Ja, mit Ifrinns Hilfe könnten wir es schaffen.» Chee seufzte: «Na, dann. Lass deinen Plan hören.» Ifrinn musste grinsen. «Eben das mein ich ja. Ich habe keinen Plan. Na ja, fast keinen. Könntest du mir alle Plätze sagen, die Amy gehasst hat?», Nachalo stand die Frage ins Gesicht geschrieben. «Nach der Denkweise der Indianer, geht man an einen Ort, an dem man sich sicher fühlt. Amy wusste das und ging an einen Ort, an dem man sie niemals erwartet hätte.», erklärte Chee und meinte an Ifrinn gewandt: «Etwa einen fünf Tagesritt entfernt, gibt es einen Canyon, der ist regelrecht eine Falle. Wenn du im Canyon angegriffen wurdest, kamst du in der Regel nicht mehr hinaus. Amy hasste den Canyon, weil es dort von Kojoten nur so wimmelte.», Ifrinn stöhnte auf. Er hatte sich immer noch nicht an das Geheule gewöhnt, das die Kojoten in der Nacht ausstossen. «Wann brechen wir auf?», fragte Nachalo. «Um Sonnenaufgang.», erwiderte Chee. Nachalo nickte, stand auf und ging zum Höhleneingang, um die erste Wache zu übernehmen.

Ifrinn lag noch lange wach. Er fand einfach keine Ruhe. Was war, wenn sie Amy nicht fanden? Überlegte er. Oder eher, was wenn sie Amy fanden? Er überlegte hin und her. Dann fiel er in einen unruhigen Schlaf.

20 Jahre früher.

Der junge Apache blickte den zehnjährigen Jungen finster an. Der Neunzehnjährige hatte die Tante des Jungen schon immer geliebt. Nun, durch die Handlungen des dummen Jungen, war seine grosse Liebe tot. Doch der Junge würde seine Strafe erhalten. Aber später. Sehr viel später. Der Neunzehnjährige lächelte grimmig. Gewiss, es würde eine Weile dauern. Doch er war geduldig. Sehr geduldig.

Der schwarz gekleidete Mann lächelte grausam. Er wusste, bald war es Zeit für ihn zuzuschlagen

 

4. Kapitel

Ein Sonnenstrahl kitzelte Ifrinn in der Nase. Blinzelnd wachte er auf. Die Sonne schien in die Höhle und Ifrinn hörte Nachalos Stimme: «Aufstehen, du Faulpelz. Wir sollten schon lange weiterreiten.» Chee, der Freedom sattelte, fügte hinzu: «In fünf Minuten brechen wir auf.» Schnell sprang Ifrinn auf und tauchte Kopf und Arme ins Wasser. Rasch stürzte er eine Tasse Kaffee runter und ging zu Freedom. Als sie aufsassen meinte Nachalo mit schrägem Humor: «Das waren sechs Minuten, Kleiner» Mit diesen Worten trieb er seine Stute Flavia zum Galopp.

Sie ritten bereits seit mehreren Stunden. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht und brannte auf die Reiter hinab. Weit und breit gab es nur Wüste. «Was machen wir, wenn wir Amy finden?», fragte Nachalo irgendwann. Er blickte dabei Chee an. Der hob seinen Hut und kratzte sich am Kopf. «Keine Ahnung», brummte er. Chee hielt die Mittagshitze zwar recht gut aus, konnte aber nicht sagen, dass er sie mochte. «Das sehen wir, wenn es so weit ist», meinte er. Nachalo zuckte mit den Schultern und gab sich mit dieser Antwort zufrieden.

Als es Spätnachmittag wurde, fanden sie einen geeigneten Lagerplatz. Ifrinn nahm Freedom den Sattel ab und fing an, ihn mit einer Decke abzurubbeln. Freedom prustete entspannt. Nachdenklich strich Ifrinn ihm durch die Mähne. Er hatte sich schon immer viele Gedanken gemacht, auch wenn man ihn viel für sorglos hielt. In letzter Zeit war das Ganze noch extremer als sonst. Was war, wenn sie Amy Mister Tod direkt in die Arme warfen? Fragte er sich zum x-mal. Seine Gedanken wurden von Chee unterbrochen, der ihm eine Hand auf die Schulter legte. Ifrinn zuckte erschrocken zusammen. «Ich bin’s nur», beruhigte Chee ihn mit seiner tiefen, wohlklingenden Stimme. Ifrinn atmete erleichtert die angehaltene Luft aus. Nun war auch noch Nachalo zu ihnen getreten und meinte mit frechem Grinsen. „Wir wollen dir beibringen mit einem Bogen zu schießen.“ Ifrinn wurde blass. Es war enorm schwer mit einem indianischen Bogen zu schießen. Ich wird es schon schaffen sagte er zu sich selbst. Ich kann schließlich auch mit der Steinschleuder umgehen. Sie gingen zu einem Bach an dessen Ufer eine große Eiche stand. Nachalo ging zu ihm und band ein rotes Tuch an einen Ast fest. Chee nahm seinen Bogen von der Schulter und spannte einen Pfeil ein. Nachalo war zur Seite getreten während Chee anfing zu zielen. Nach kurzer Zeit schoss er den Pfeil ab, nahm einen zweiten aus dem Köcher, spannte ihn und schoss ab, noch bevor der erste sein Ziel gefunden hatte. Dass macht er zehnmal hintereinander, dann sagte er mit frechem Grinsen: „Wenn ich in Form gewesen wäre, hätte ich zwölf geschafft.“ Ifrinn starrte ihn entgeistert an. Chee ging zum Baum, nahm die Pfeile aus dem Stoff und steckte sie in den Köcher. Als er wieder bei Ifrinn ankam, nahm er den Köcher von seiner Schulter und reicht es ihm zusammen mit dem Bogen. „Jetzt bist du dran.“, meinte er. Ifrinn sah skeptisch auf den Bogen und die Pfeile, dann nahm er den Köcher kurzerhand aus Chees Hand und warf ihn sich über die Schulter. Er nahm den Bogen aus Chees anderen Hand und wog ihn kurz in der Hand, um ein Gefühl für ihn zu kriegen. Ungeschickt spannte er den Pfeil ein und zielte. Er zielte nicht sehr lange, was für seine Freunde überraschend war. Doch das Steinschleudern hatte ihn gelehrt, das lange Zielen nicht immer das Schlauste war. Surrend zischte der Pfeil durch die Luft, nachdem Ifrinn in losgelassen hatte. Der Pfeil blieb genau in der Mitte des Tuches stecken. Ifrinn jubelte. Nachalo lächelte und meinte. „Nicht schlecht, Bleichgesicht. Chee sah seinen indianischen Freund kopfschüttelnd an. „Das ist nicht, nicht schlecht, sondern super für das erste Mal.“ Ifrinn strahlte. Freedom war zu ihm getreten und prustete seinem Besitzer in den Nacken. Drauf hin schrak Ifrinn zusammen. Er drehte sich um und musste grinsen als er sah, wer hinter ihm stand. Lächelnd nahm er ein kleinen Salzklumpen aus seiner Hosentasche und hielt in Freedom hin. Der nahm vorsichtig den Salzklumpen aus Ifrinns Hand. Er musste lachen, da Freedoms Lippen auf seiner Hand kitzelten. Nachalo hob den Kopf Er hatte etwas gehört. Plötzlich packte er Ifrinn und Chee und warf sich mit ihnen zu Boden. Als sich Ifrinn aus dem Griff befreien wollte, packte ihn Nachalo fester. „Da kommen Reiter!“, zischte er. Ifrinn gefiel es nicht, doch er blieb unten. Die fünf Reiter ritten in ca. 120 Meter Entfernung vorbei. Als Nachalo ihn losließ schoss Ifrinn hoch. „Was zum Teufel sollte das?“, rief er entrüstet. Nachalo trat zu Flavia und kraulte sie. „Man kann nie vorsichtig genug sein“, meinte er nüchtern. In Ifrinns Gesicht stand ein großes Fragezeichen. „Was sagt dir, dass sie uns nicht gleich eine Kugel in den Kopf gejagt hätten, sobald sie uns gesehen hätten“, meinte Chee. Ifrinn schüttelte den Kopf. „Warum kann man sich nicht einfach einen Guten Tag wünschen?“, Nachalo wandte sich zu ihnen um. „Weil sie denken wir Apachen wären Wilde. Weil sie Angst haben.“ Mit diesen Worten wandte er sich wieder ab und machte sich auf die Suche nach Feuerholz.

Ifrinn lag auf dem Rücken und starrte in den Sternenhimmel. Es gab viel zu viel nachzudenken, als dass er schlafen konnte. Nachalos Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Den ganzen Abend über hatte der Indianer nur finster vor sich hingestarrt. Doch schließlich konnte Ifrinn doch einschlafen.

Am nächsten Morgen ritten sie pünktlich los. Nachdem sie bereits mehrere Stunden unterwegs gewesen waren, spürte Chee ein mulmiges Gefühl. Ein abstoßender Geruch stieg ihm in die Nase. Chee wechselte einen alarmierten Blick mit Nachalo und gleichzeitig trieben sie ihre Pferde in den Galopp. Ifrinn, der einen Schwarm Geier in gewisser Entfernung abstürzen sah, galoppierte hinterher.

Die Reiter vom vorherigen Tag lagen Tod am Boden. Die Geier machten sich bereits über die Pferde her. „Ach du heilige Scheisse!“, hörte Ifrinn Chee fluchen. Die fünf Männer hatten die gleichen Wunden, wie die bisherigen Opfer. Nur etwas war anders. Der Bauch eines Mannes war aufgeschlitzt. Chee sah, dass mit Blut in den Sand geschrieben wurde, was seinen Verdacht bestätigte, dass der Mann als Farbeimer benutzt wurde. Fassungslos starrte Ifrinn auf das Geschriebene. Nachalo fasste sich ein Herz und begann vorzulesen. Anders als die anderen Apachen, hatte er gelernt zu lesen. „Diese Männer waren weniger vorsichtig als ihr. Bis jetzt habt ihr noch keinen großen Fehler gemacht. Doch irgendwann werdet auch ihr einen machen. Und dann werde ich bereit sein. Tödliche Grüße, Mister Tod.“ Alle starrten auf die blutige Schrift. Endlich sagte jemand etwas. „Wer macht so etwas?“, fragte Ifrinn leise. „Ich weiß es nicht“, gab Chee ebenso leise zurück. Nachalo schüttelte wütend den Kopf. „Wenn es doch nur einen Anhaltspunkt gäbe!“, grummelte er. Chee seufzte und strich sich eine Strähne seines langen Haares zurück. „Wir müssen weiter.“, sagte er und drehte sich mit einem letzten Blick auf die Leichen um. Nachalo und Ifrinn folgten ihm.

Lange ritten sie schweigend dahin. Die Tiere schritten kräftig vorwärts. Sie ritten viele Umwege und immer wieder stiegen Chee oder Nachalo ab und verwischten ihre Spuren. Ifrinn sagte nichts, sondern beobachtete alles schweigend. Nach einer Weile reichte es ihm. „Was machen wir jetzt?“, fragte er. Chee seufzte. Allen hatte der Anblick der Leichen stark zugesetzt. „Wir machen weiter wie bisher. Nur vorsichtiger. Denn Mister Tod hat recht. Irgendwann werden auch wir einen Fehler machen.“ Nachalos Augen blitzten. „Ja, der Fehler ist, in den Canyon zu gehen“, meinte er trocken. „Wenn wir schnell reiten, können wir ihm eine Falle stellen.“, gab Chee zurück, „Dann ist es nicht unser Todesurteil, sondern das von Mister Tod“ Darauf erwiderte Nachalo nichts.

Ifrinn wollte bereits schlafen gehen, als Chee zu ihm trat. Er nahm eines seiner vielen Armbänder mit Türkisen ab und reichte es seinem amerikanischen Freund. „Hier. Ich schenke es dir.“ Ifrinn starrte seinen Freund an. Den Indianern waren Türkise heilig. Ihm wurde die Heilung von etlichen Krankheiten zugeschrieben. Zusätzlich soll der Stein den Reitern und Pferden Glück bringen und die Reiter vor einem Sturz bewahren. Chee lächelte, als er Ifrinns überraschtes Gesicht sah. „Ich habe auch noch einen Anhänger für Freedoms Zaum.“

„Da … Danke!“, stotterte Ifrinn. Das wunderte ihn. Er stotterte sonst eigentlich nie. Chee nahm noch ein Türkisanhänger wie versprochen aus seiner Tasche und drückte beides in Ifrinns Hand. „Nichts zu danken.“, gab er zurück und verschwand in der Dunkelheit. Ifrinn sah seinem Freund nach. Mit einem Seufzer drehte er sich um, nahm Freedoms Zaum von einem Felsen und befestigte den Anhänger daran.

Sie ritten ohne Probleme weiter. Ifrinn sah, dass sich die Umgebung veränderte. Es gab mehr Bäume und überall strahlte es grün. Er staunte. Nachdem er so lange in der Wüste unterwegs war, begrüßte und bestaunte er alles Grüne. „Warum ist es hier so grün?“, fragte er. Chee und Nachalo sahen einander an, dann prusteten sie los. Als sie sich von ihrem Lachkrampf erholt hatten, ließ sich Chee zu einer Antwort herab. „Hier regnet es mehr. So einfach.“ Ifrinn wurde rot. Es war so einfach! Die beiden anderen lachten wieder los. Kurz darauf stimmte Ifrinn mit ein.

Ein paar Tage später sahen sie den Canyon. Erleichtert darüber, dass ihr Ziel jetzt nicht mehr weit war, trieb Ifrinn Freedom in den Galopp. Zwanzig Minuten später ritten sie in den Canyon. Die Ohren der Pferde zuckten unruhig hin und her. Chee verspürte ein mulmiges Gefühl, dass er nicht zuordnen konnte. egal wie sehr er die Umgebung absuchte. Er konnte den Grund nicht finden. Plötzlich wurde ihm mit einem Schlag klar was dieses Gefühl bedeutete. Chee wollte es bereits sagen, da stieg Flavia mit einem schrillen Wiehern auf die Hinterbeine. Ein Schuss krachte! Flavia fiel auf den Boden. Nachalo konnte sich gerade noch rechtzeitig aus dem Sattel gleiten lassen. Die Stute blutete heftig aus der Schusswunde, die mitten auf ihrer Brust klaffte. Etwa hundert Meter entfernt, trat ein schwarz gekleideter Mann mit einem Nylonstrumpf über dem Kopf hinter einem Felsen hervor. In der Hand hielt er einen rauchenden Colt.

 

5. Kapitel

Nachalo hatte sich blitzschnell hinter Flavias Leiche niedergelassen und ging in Deckung. Schnell folgte ihm Ifrinn. Der Mann sagte ein paar Worte in der Apachensprache, worauf Chee kreidebleich wurde. Er starrte den zu Gestalt gewordene Mister Tod entgeistert an. Plötzlich krachte wieder ein Schuss! Er drang unter Chees linkem Schlüsselbein ein. Eine kurze Zeil lang konnte er sich noch im Sattel halten, dann kippte er vom Pferd und krachte mit dem Kopf auf die Steine. Lea, erschrocken durch das abrupte Fehlen des Gewichts ihres Reiters, rannte los. Doch sie rannte nicht zum Ausgang des Canyons, sondern direkt auf Mister Tod zu! «Nein!», schrie Nachalo. Doch zu spät. Schon krachte der dritte Schuss und Lea, mitten im Lauf gestoppt durch die Kugel in ihrem Vorderfusswurzelgelenk, fiel heftig auf den Kopf. Laut hörte man das Knacken ihres Genicks, als es brach. Ein Schrei brach aus Nachalos Kehle. Er sprang auf, spannte seinen Bogen und schoss. Doch wieder war Mister Tod schneller. Ein erneuter Schuss drang in die Schulter des Indianers ein. Nachalo wankte und stürzte. Blur rann aus seiner Schulter und färbte sein Hemd in kürzester Zeit blutrot. Ifrinn sah panisch, wie Freedom losrannte. «Nicht, Freedom!», rief er. Freedom bremste und sah seinen Herr an. Keiner der beiden sah, dass Mister Tod einen Dolch aus seinem Gürtel zog und warf. Knapp verfehlte er die Schlagader des Hengstes. Er hatte sich noch in der letzten Sekunde herumgeworfen. Nun stand er zitternd da und starrte Mister Tod an. Sein Instinkt sagte Freedom, dass er kämpfen musste. Er hob den Kopf, blähte die Nüstern und stiess ein schrilles Wiehern aus. Er legte die Ohren an und rannte los. Mister Tod lächelte. Er wollte die Intensivität eines Dolches, wenn er dem Friesen das Leben ausblies. Mister Tod griff nach seinem zweiten Dolch, als Freedom stehen blieb.

Ifrinn fühlte nichts, als er sah, wie sein Hengst mit Mister Tod in ein tödliches Ringen verwickelt war. Der Amerikaner nahm seine Umgebung gestochen scharf wahr. Er sah die leblosen Leiber seiner Freunde, die vielen Felsen und sah die Blutlachen um die Leichen herum. Erleichtert nahm er wahr, wie sich die Brust der Männer stockend hob und senkte. Ifrinns Blick fiel wieder auf den schwarzen Hengst. Der Anblick verschlug ihm den Atem. Freedom blutete aus etlichen Wunden. Sein Fell war durchtränkt von Blut. Doch der Hengst kämpfte noch immer unerbittlich. Ifrinn lief ein Schauer über den Rücken. Zitternd fing er an zu beten.

Der Hengst kämpfte wie ein Wilder. Im Angesicht des Todes erwachten ungeahnte Kräfte in ihm. Am Anfang war der Kampf einseitig gewesen. Mister Tod hatte die Oberhand gehabt und ihm immer mehr Wunden zugefügt. Vielleicht dachte Mister Tod, dass der Hengst aufgeben würde, wenn sein Blut floss. Doch das genaue Gegenteil war der Fall. Nun hatten sich die Rollen gewechselt. Freedoms Kiefer schloss sich um den Dolcharm seines Gegners. Er zog kräftig daran. Man hörte es krachen und den lauten Schmerzensschrei von Mister Tod. Als er hinfiel, holte der Friese aus und spaltete Mister Tod mit Wucht den Schädel.

Ifrinn starrte Freedom an. Sein einstiges schwarzes Fell war durchzogen von blutigen Wunden. Die Blutflecken gaben ihm das Aussehen eines Scheckens. Mit zitternden Beinen stand Ifrinn auf und schritt auf Freedom zu. Dieser sank erschöpft auf die Knie, als sein Besitzer bei ihm ankam. «Psst! Ruh dich aus, mein Junge.», flüsterte Ifrinn. «Alles wird gut.»

Chee lag in einer Hütte. Seine Schusswunde war noch nicht vollständig verheilt. Er konnte sich nur an Bruchstücke des verhängnisvollen Tages erinnern. Er hatte keine Erinnerungen, von dem Augenblick an, als der Schuss in seine Schulter eindrang, bis zu dem Augenblick, als sich Nachis über ihn beugte. Das ganze Desaster war nun eine gute Woche her. In der Zwischenzeit hatte er bereits mit Ifrinn, Nachalo (dessen Wunde ebenfalls noch nicht vollständig verheilt war) und Nachis geredet. Und mit Amy. Nachis hatte ihm erzählt, dass er mit seinen Kriegern losgezogen war, sobald ihn die Nachricht von Catys Tod erreicht hatte. Unterwegs waren sie auf die Spuren der drei gestossen und waren ihnen gefolgt. Sie waren noch etwa zwei Stunden vom Canyon entfernt gewesen, da trafen sie Amy. Nachdem sie ihnen alles erzählt, hatte was sie wusste, galoppierten sie los. Trotzdem kamen sie zu spät. Danach erzählte auch Amy ihre Geschichte. Sie war gerade auf die Jagd gegangen, als sie Mister Tod erkannte. Nachdem sie herausgefunden hatte, was er vorhatte, ist sie sofort aufgebrochen. Amy hatte alles bis auf das kleinste Detail erzählt. Nur etwas hatte sie bisher verschwiegen. Woher sie Mister Tod kannte. Amy hatte ihn mit Nacho angesprochen. Sobald sie seinen Namen ausgesprochen hatte, hatte Nachis das Gesicht verzogen. Doch auch er hat nichts gesagt. Chee horcht auf, als er Schritte vor der Hütte hörte. Amy betrat die Hütte. Ihre stattliche Figur zeichnete sich dunkel von der Hüttenwand ab. Als sich seine Cousine neben seinem Lager niederliess, sah ihr Gesicht ernst aus. «Ich will dir eine Geschichte erzählen», begann sie. Nacho war neunzehn als Leila starb. Er behauptete schon seit drei Jahren sie zu lieben. Doch Chees Tante war gegen eine Verbindung und machte das dem Jungen auch klar. Der Neunzehnjährige wurde dadurch verletzt und wandte sich der damals elfjährigen Amy zu. Mit knapper Not konnte sie bisherigen Annäherungsversuchen entgehen. Amy stockt in ihren Erzählungen, als zwei Männer die Hütte betraten. Ohne ein Wort zu sagen, setzten sich Ifrinn und Nachalo hin. Um Nachalos Schulter prangte ein schneeweiser Verband. «Was hat Nacho zu dir gesagt?», fragte Amy unvermittelt. Auch Ifrinn horchte auf. Chee hatte noch nie ein Wort darüber verloren. Chee schluckte. «Er sagte, er hätte dich getötet.», murmelte er an Amy gewandt. Ifrinn lief ein Schauer über den Rücken. Abrupt erzählte Amy weiter. «Ich sah die Wut in Nachos Augen, als man die Leiche meiner Mutter brachte. Ich wusste, nun würde ich ihn nicht mehr abschütteln können. Also schlich ich zum Korral, sattelte Jonas und wählte mit Hilfe meines amerikanischen Denkens ein Ort aus, an dem die Apachen niemals suchen würden.», beendete Amy. Ifrinn verabschiedete sich mit einem verständnisvollen Nicken von seinen indianischen Freunden und schritt durch das nächtliche Dorf in Richtung Korral. Als er dort ankam sah er wie Freedom und Nando, Amys jetziges Reitpferd, Kopf an Kopf dösten. Jonas, der seinen Lebensabend genoss, graste nicht weit entfernt. Als Freedom Ifrinn bemerkte, kam er auf ihn zugetrabt. Vor seinem Herr blieb er stehen. Ifrinn schlang seine Arme um den Hals des Friesen und vergrub sein Gesicht in der prachtvollen Mähne. Der Schorf der Wunden kratzte über seine Wange. Freedom legte entspannt seinen Kopf auf die Schulter des Mannes. «Danke!», murmelte Ifrinn in die lange schwarz gewellte Mähne. «Danke, dass du mich nie im Stich lässt!»

Kommentare

Noch keine Kommentare vorhanden. Kommentiere den Text über den Kommentieren-Button.