Rosenwelt Teil 3

Cover
Wolf16
Veröffentlicht: 25.04.2021 16:35
Aktualisiert: 25.04.2021 16:35
Kategorie: Fantasy
Tags: Rose, Gegensätze, Welt, Blüten
Bewertung:
Deine Stimme wird abgegeben.
Bewertung: 5.0 von 5. 2 Stimme(n).
Klicke auf die Sterne, um den Text zu bewerten.

Text

Ganesha

 

Der Stängel der alten Rose, auf dem wir uns noch immer befanden, begann sich nun mit sich langsam beschleunigender Geschwindigkeit aufzulösen (am Ende sollte nur der Wurzelstrunck übrigbleiben). Deshalb wechselten wir auf die neue Blüte über.

Ich kletterte in die weisse Blüte, während der andere in die schwarze Blüte kraxelte.

Von dort aus, konnten wir beobachten, wie die neue Urrose zu wachsen begann.

Sie bildete in alle Richtungen Dornenranken und obwohl ihre Wachstumsgeschwindigkeit beständig abnahm, schossen diese Ranken unglaublich schnell in alle Richtungen davon.

Irgendwann sollten sie langsamer werden, ihr Wachstum aber niemals ganz einstellen.

Doch in diesem Moment schossen sie ungebremst davon, spalteten sich auf, wurden mehr und durchzogen die Leere um uns herum.

Und in diesem Moment erfasste mich zum ersten Mal der Wunsch etwas zu erschaffen.

Ich sprang auf eine nahe Ranke und sah mich um. Ausser den Ranken gab es natürlich keine Werkmaterialien, aber mehr war auch nicht nötig. In geringem Masse ist es uns nämlich möglich das Wachstum der Urrose zu beeinflussen und so brachte ich sie dazu einen grossen Dorn in meiner Nähe wachsen zu lassen, den ich dann vorsichtig abbrach.

Ich sprang mit meinem Schatz zurück in meine Blüte und begann damit den Dorn zu bearbeiten.

Da wir damals noch keine Werkzeuge hatten, tat ich das allein mit meinen Gedanken, so wie ich den Dorn auch allein mit meinen Gedanken getragen hatte.

Das erste Werkstück, das ich so schaffte, war ein Stuhl.

Ich weiss die Entscheidung einen Stuhl zu schaffen mutet mehr als nur ein bisschen seltsam an, gab es doch zu dieser Zeit nur vier Wesen (ich der andere, Nabungo und Nabunga), die alle substanzlos waren. Der Stuhl war auch nicht sehr schön gearbeitet, ist jedoch ein solides Stück Handwerksarbeit und ich nutze ihn auch heute noch.

 

Mikoto

 

Als ich in die schwarze Blüte kletterte, überkam mich ein Gefühl, das man wohl am besten mit dem Gefühl vergleichen kann, dass einen überkommt, wenn man auszieht und seine erste Wohnung in Besitz nimmt.

Die Blüte der Urrose, war wie mein Elternhaus gewesen. Es war mein Geburtsort und ich fühlte mich dort geborgen (jedenfalls, bis die Wesen aus der Wurzel auftauchten und zu randalieren begannen).

Die schwarze Rose rief andere Gefühle in mir wach. Es war das berauschende Gefühl etwas Eigenes zu besitzen und urplötzlich überkam mich eine Arbeitswut und ich wollte sofort etwas tun. Nur was war die Frage. Ich liess meinen Blick über die Umgebung schweifen.

Der Anblick faszinierte mich.

Diese Ranken, die in alle Himmelsrichtungen (leicht inkorrekte Formulierung, denn es gab noch keinen Himmel) davonschossen. In der sich unter meiner schwarzen Blüte befindenden hellen Sphäre schossen sie grün und stark wirkend mit Wucht einher. In der sich über meiner Blüte befinden dunklen Sphäre schlängelten sich schnell und zielsicher durch die Dunkelheit.

Und in diesem Moment wurde mir klar, dass dieser Anblick einmalig war. Jeder Moment, wurde mir klar war nur für den kurzen Augenblick seiner Existenz vorhanden und verschwand danach.

Für immer.

Er war verloren für alle, die später kommen würden (nicht das ich diesem Moment bereits mit dem Gedanken gespielt hätte Leben zu erschaffen).

Mich erfasste der Wunsch alle Gegebenheiten aufzuzeichnen und so für alle Zeit festzuhalten (eine utopische Vorstellung, was mir damals aber noch nicht klar war).

Doch dafür brauchte ich so viel, aber ich beschloss erstmal pragmatisch Schritt für Schritt vorzugehen.

Als erstes brauchte ich einen Beschreibstoff und dafür hatte ich auch schon eine Idee.

Ich trat zu den Blütenblätter und brachte sie mit meinen Gedanke dazu ein besonders grosses Blatt zu treiben, dass sich dann beinahe von selbst loslöste.

Ich nahm es in die Hand und überlegte.

Ich brauchte nun noch einen Schreibstoff, sowie ein Werkzeug um ihn auf meinen eben gewonnen Beschreibstoff aufzutragen. Für Werkzeug hatte ich bereits eine Idee.

Ich sprang auf eine nahe Ranke und brachte die Urrose dazu einen kleinen, dünnen Dorn hervorzubringen, den ich vorsichtig abbrach.

Nun brauchte ich noch einen Stoff, den ich auf das Blütenblatt auftragen konnte.

Ich musste eine Weile nachdenken, bevor ich den entscheidenden Einfall hatte.

Ich deponierte Dorn und Blütenblatt in der Rose, bevor ich wieder auf eine Ranke sprang, erneut einen kleinen diesmal aber dicken Dorn wachsen liess, den ich vorsichtig abbrach und ihm anschliessend den oben Teil abbrach.

Nun griff ich mit meinem Geist in die Materie des Dorns ein.

Die äussere Hülle des Dorns liess ich unangetastet, wandelte den inneren Teil des Dornes jedoch in eine rote Flüssigkeit um, die sich so in einer Art Dornentasse befand.

Wenn man dies liest, fragt man sich womöglich, wie weit unsere Macht reicht.

Nun sie reicht sehr weit.

Uns sind nur zwei Dinge nicht möglich.

Wir können nichts aus nichts erschaffen und wir können nichts richtig vernichten (wir konnten zwar die Wesen, die aus der Urrose hervorkamen, vernichten, nicht jedoch ihre Bestandteile, die immer noch umherschwebten).

Aus dem Nichts etwas zu erschaffen kann nur die alte Urrose und mit einer Einschränkung auch die neue Urrose. Die neue Urrose ist nämlich nicht in der Lage Leben aus dem Nichts zu erschaffen, wie es die alte Urrose konnte (Ganesha und ich sind nur in der Lage unbelebte Materie zu beleben, heisst wir brauchen auch hier ein Ausgangsmaterial).

Im Bereich zwischen Erschaffen und Vernichten sind unsere Kräfte ziemlich grenzenlos, solange uns niemand behindert.

Ich hatte nun also einen Beschreibstoff, einen Schreibstoff und ein Werkzeug zum Schreiben. Ich setzte mich hin und begann die Ereignisse seit dem Anfang unserer Existenz aufzuzeichnen.

 

Ganesha

 

Wisst ihr wie blöd sich das anfühlt, wenn man etwas erschafft, dass keinem Zweck dienen kann.

Es soll ja Leute geben, die das nicht so schlimm finden, ja gar mit Absicht etwas erschaffen, das keinem Zweck dient. Ich gehöre nicht zu diesen Leuten.

Wenn ich etwas erschaffe, soll es einem Zweck dienen, und zwar am besten sofort.

Es gibt nur wenig, was sich besser anfühlt als einen frisch geschaffenen Gegenstand einzusetzen und zu sehen, wie er funktioniert.

Der Stuhl, den ich aus dem Dorn gemacht hatte, war ein solides Stück und er ist, wie ich inzwischen weiss, sehr bequem.

Das Problem damals war, dass es einige Dinge gibt, die man in substanzloser Gestalt nicht tun kann und zu diesen Dingen gehört ‘’sitzen’’.

Nun ist es so, dass ich von Zeit zu Zeit in einen Art Rauschzustand verfalle, in denen ich das dringende Bedürfnis habe etwas zu erschaffen. Ich bin dann ganz hibbelig und werde erst wieder ruhig, wenn ich etwas erschaffen und benutzt habe.

Vor dem Erschaffen des Stuhls, bin ich in den ersten dieser Rauschzustände verfallen, die mich von nun an von Zeit zu Zeit überkommen sollten.

Da ich den Stuhl nun aber nicht benutzen konnte, verging der Rauschzustand nicht, sondern dauerte an.

Ich trat ruhelos an den Rand meiner weissen Blüte und schaute in die Leere hinaus, die nun nicht mehr leer, sondern von den Ranken der Rose durchzogen waren.

Es war ein atemberaubend schöner Anblick, wie ich sogar in meinem aufgeputschten Zustand erkannte.

Und dann entdeckte ich etwas, was meine Aufmerksamkeit fesseln und die Energie, die in meinem Inneren brodelte, bündeln konnte.

In einiger Entfernung befand sich auf einer der Ranken ein dunkler Haufen.

Da ich die Energie, die in mir tobte, unbedingt in irgendeine Bahn lenken musste, sprang ich auf die nächstbeste Ranke und ging auf den Haufen zu. Ausserdem war ich natürlich neugierig.

Als ich nähre kam, konnte ich erkennen, dass das Gebilde grün war, wie die Ranke, auf der es lag war.

Als ich das Gebilde schliesslich erreichte, staunte ich nicht schlecht.

Es war eine geschlossene Blüte, die hier aus der Ranke gewachsen war.

Die in mir tobende Energie im Zaum zu halten, um eine genaue Betrachtung möglich zu machen war ganz schön schwer, aber ich schaffte es zumindest die Knospe zweimal zu umrunden. Doch auch jetzt hatte ich keine Idee, was ich mit ihr machen sollte.

Auf jeden Fall konnte ich mit ihr nichts anstellen, was mir dabei helfen würde, meine überschüssige Energie loszuwerden.

So kehrte ich zu meiner Blüte zurück und dabei sah ich den anderen, in seiner Blüte wie er eifrig mit einem Dorn eine Flüssigkeit aus einem zweiten Dorn auf ein grosses, schwarzes Blütenblatt auftrug.

Ich wurde neugierig, da sich mir der Sinn dieser Handlung nicht erschloss. Da ich ausserdem sowieso nichts zu tun hatte sprang ich mit einem grossen Satz in meine Blüte und lugte vorsichtig über die Kante.

«Was tust du da?», fragte ich arglos. Der Andere erschrak und zuckte dabei unwillkürlich zusammen.

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf mich und der Ärger war ihm anzumerken.

«Was willst du?», knurrte er feindselig, «Wegen dir bin ich abgerutscht und habe einen hässlichen Strich quer über das Blatt gezogen.»

«Ich möchte eigentlich nur wissen, was du da tust. Kein Grund gleich auszurasten.», antwortete ich.

Da ich keine Anstalten machte wieder zu verschwinden, schnaubte der Andere noch einmal wütend, bevor er sich zu einer Erklärung seines Handelns herablies.

«Ich schreibe auf was passiert ist, seit wir zu existieren begannen.», sagte er und wollte sich wieder seinem Blatt zuwenden. Ich setzte aber schnell mit einer Frage nach.

«Bis wann willst du denn die Geschehnisse aufzeichnen?», fragte ich ihn, «Bis zur Vernichtung der Wesen aus der Wurzel oder bis zum Tod der alten Urrose, oder sogar bis zur Entstehung der neuen Urrose?»

«Ich will alles aufzeichnen was je geschah und alles was noch geschehen wird. Ich will nichts weiter als alles, wirklich alles aufzuzeichnen, was je geschehen wird. Ein Buch aller Ereignisse sozusagen.», antwortete er, «Und nun lass mich arbeiten.»

«Moment. Erstens, was ist ein Buch?», warf ich ein, «Und zweitens, wenn du alles aufzeichnen willst, was geschieht müsstest du doch alles wissen, aber wie willst du alles wissen, wenn du dich in deiner Blüte verkriechst und alles aufschreibst, was passiert und drittens, für wen willst du das alles aufschreiben. Ausser dir und mir gibt es hier niemanden und ich war schliesslich dabei.»

«Ach das wird schon gehen. Ich habe hier schliesslich einen guten Ausblick, ich werde so wahrscheinlich alles sehen, was passiert.», antwortete er Frage eins und drei ignorierend.

«Ach, weisst du dann schon von der neuen Knospe?», fragte ich gespielt beiläufig.

Er fuhr hoch, so gut man mit einem substanzlosen Körper hochfahren kann und richtete seine gesamte ungeteilte Aufmerksamkeit auf mich.

«Du hast eine weitere Knospe gefunden?», fragte er und setzte bevor ich antworten konnte die Fragen, «Wo? Wann? Wie sieht sie aus? Ist sie unbeschädigt?», nach.

«Da vorn.», sagte ich und beantwortete damit die Frage, die die anderen Fragen überflüssig zu machen schienen.

«Er legte seine Schreibutensilien und das Blatt vorsichtig auf dem Boden seiner Blüte ab und sprang aus seiner Blüte.

Ich tat es ihm nach und lotste ihn anschliessend zu der Knospe.

Aber als wir dort ankamen, war dort keine Knospe mehr.

Sie hatte sich geöffnet und war zu einer blutroten Blüte geworden, die etwa zwei Meter hoch war.

Der andere schaute fasziniert von der Unterseite der Ranke zu der Blüte hoch.

Nach einer Weile war ihm schauen offenbar nicht mehr genug, denn er sagte: «Könntest du mal auf die andere Seite der Ranke kommen, so dass ich hinaufkann und mir die Knospe

mal genauer anschauen kann?»

Ich tat ihm den gefallen und so ging er auf die Oberseite der Ranke, während ich auf die Unterseite ging, wobei wir peinlich genau darauf achteten, immer auf den entgegengesetzten Seiten der Ranke zu bleiben.

Und während dieses Prozesses, bewegten sich unsere Sphären der Dunkelheit und des Lichts mit uns, so dass meine Lichtsphäre schliesslich unterhalb der Ranke war, während seine Dunkelheit oberhalb lag.

Ich sah so kaum noch etwas von der Knospe (wenn der andere aufgeregt ist oder er andersweit unter Strom steht, verdichtet sich seine Dunkelheit, so dass ich nicht mehr viel darin erkennen kann, das gleiche funktioniert auch in die andere Richtung, nur dass es bei mir einfach so hell wird, dass der andere nichts mehr sehen kann), aber der andere hat keine Probleme im Dunkeln zu sehen. Was er tat wusste ich aber dennoch, auch ohne, dass ich ihn sah.

 

Mikoto

 

Als ich vor der Blüte stand war all der Ärger und die Sorge, die mich erfüllt hatte wie weggeblasen. Natürlich hatte ich schon bevor mir der andere es unter die Nase gerieben hatte, gewusst, dass es unmöglich sein würde alles aufzuzeichnen, was geschah. Ich hatte aber nicht geglaubt, dass ich so schnell von den Ereignissen überholt werden würde. Als mir der Andere das mit der neuen Knospe berichtete und mir klar wurde, dass mein System bereits jetzt schon nicht funktionierte, kam das für mich einer Hiobsbotschaft gleich. Es erfüllte mich mit Sorge, darüber, dass das Werk, das ich mir zu tun vorgenommen hatte schon jetzt verunmöglicht worden war und die Art und Weise, wie es mir der andere schon beinahe genüsslich verkündete, erfüllt mich mit Wut.

Aber als ich nun vor dieser Blüte stand und dieser Ausdruck des Lebens betrachtete, schwanden all diese Empfindungen.

Ich weiss nicht, wie lange ich dastand und die Blüte einfach nur musterte, aber es war genug lang, um den anderen ungeduldig zu machen.

«Hast du das Ding jetzt genug angeglotzt?», fragte er mich ungeduldig.

«Ja.», antwortete ich und drehte mich um und schaute zu ihm hinunter.

«Und?», fragte er.

«Was und?», fragte ich zurück.

«Was bedeutet das für uns? Kommen da gleich zwei weitere Typen raus, die wie wir sind?», fragte er gespannt, so als ob ich diese Antworten aus dem Hut hätte zaubern können (was schon deshalb nicht funktioniert hätte, weil ich gar keinen Hut besass).

«Ich weiss es nicht.», antwortete ich wahrheitsgemäss, «Es gibt wohl nur einen Weg das herauszufinden.»

Mit diesen Worten sprang ich mit einem grossen Satz in die Blüte hinein.

Ich weiss heute nicht mehr, was ich erwartet hatte als ich gesprungen bin, aber jeden Fall nicht das was ich dort antraf.

Ich befand mich in einem grossen, leeren Raum. Etwa 20 Meter lang und 40 Meter breit. Die Wände waren die roten Blütenblätter. Das verrückte daran war, dass die Blüte nicht 20 Meter lang und auch nicht 40 Meter breit war, sondern vielleicht im Durchmesser einen Meter mass.

Auch war sie nicht so hoch wie dieser Raum, der an seiner höchsten Stelle 10 Meter hoch war und dort in eine runde Öffnung auslief, die etwa einen Meter Durchmesser besass.

«Und was ist drin?», hörte ich von fern, die Stimme des anderen fragen.

Ich überlegte einen Moment, ob ich wieder raushüpfen und ihn reinlassen sollte, entschied mich dann aber zu einem anderen Schritt, bei dem ich auch gleich etwas ausprobieren konnte.

Ich konzentrierte mich auf den Boden und liess eine Wand rauswachsen. Gut, eigentlich war es mehr ein kleines Mäuerchen, aber das tut hier nichts zu Sache.

Der Vorgang hatte zwar nicht sehr lange gedauert, aber dennoch lange genug, um den anderen in Sorge zu versetzen.

«He! Bist du in Ordnung?», rief er und in seiner Stimme schwang echte Besorgnis.

«Ja, ja.», beeilte ich mich zu rufen, «Hier drin ist ein Raum, aber du wirst es nicht glauben, wenn ich es beschreibe. Ich habe in etwa der Mitte des Raumes eine kleines Mäuerchen gebildet. So können wir beide im Raum stehen. du auf der einen Seite des Mäuerchen und ich auf der anderen Seite. Also hüpf rein.»

Das liess er sich nicht zweimal sagen und schon im nächsten Moment kam er durch das Loch geschlossen und landete auf dem Mäuerchen.

Wir gingen beide in die Knie, als die unerbittliche Kraft, die uns erfasst, wenn wir beide auf der gleichen Seite einer Fläche aufrecht stehen wollen, uns in die Knie zwang.

«Du Idiot», knurrte ich, «Da bilde ich extra ein Mäuerchen und du Depp landest bei deinem Sprung auf der falschen Seite.»

«Tschuldigung.», antwortete er kleinlaut und kroch auf die andere Seite des Mäuerchen, so dass wir beide wieder auf entgegengesetzten Flächen aufrecht stehen konnten.

«Wie du siehst ist die Blüte innen grösser als sie es aussen ist.», sagte ich.

«Ihre äussere und innere Grösse sind nicht gekoppelt.», sagte er staunend.

Ich brummte zustimmend. Ich war gerade etwas abgelenkt, da ich darüber nachdachte, wie ich das denn nun beschreiben könnte in der Chronik, die ich schreiben wollte.

«Was machen wir nun?», fragte mich der Andere unvermittelt.

Diese Frage traf mich unvermittelt. Ich hatte nicht die Absicht etwas zu tun. Ich wollte nur aufzeichnen was geschah nicht in die Geschehnisse eingreifen oder selbst aktiv werden (jedenfalls damals). Und genau das sagte ich ihm auch.

Er schnaubte verächtlich.

«Nur aufzeichnen. Was willst du denn aufzeichnen, wenn du nichts tust. Ausser uns beiden und den beiden Kreaturen, die ausgebüxt sind, gibt es hier niemanden, der etwas tun könnte, somit könntest du nur aufschreiben, das nichts passiert.»

«Nicht ganz. Ich kann aufschreiben, was du machst.», antwortete ich.

«Und für wen willst du das aufschreiben? Ich muss nicht nachlesen was ich getan habe und du wirst vor lauter schreiben keine Zeit haben dein geschriebenes Zeug durchzulesen.», antwortete er mir heftig und fuchtelte dabei in der Luft herum.

Er hatte recht, das musste ich zugeben. Er führte mir die Sinnlosigkeit meiner Tätigkeit vor Augen, wenn ich es so ausführen wollte wie ich es geplant hatte. An diesem Punkt war ich überzeugt, dass ich das ganze Projekt abbrechen müsste, aber zum Glück hatte der andere eine seiner genialsten Ideen.

«Lass das Ganze doch von einem anderen aufschreiben.», sagte er, «Von jemandem, der nur zu diesem Zweck geschaffen wurde und nichts anderes tun will. Oder noch besser lass das ganze von einer ganzen Legion Wesen tun, die allein zu diesem Zweck geschaffen wurden.»

«Du willst Leben erschaffen?», fragte ich zweifelnd.

«Genau.», antwortete er.

Ich deutete in die Richtung, wo sich ausserhalb der Blüte der Wurzelstrunck der alten Urrose befinden musste: «Der letzte Versuch ist ein wenig in die Hose gegangen und ich fürchte, dass die neue Urrose auch die letzte ist. Wenn sie stirbt, wird es keine weitere Chance geben.»

«Ja, aber jetzt haben wir doch diesen Raum hier. erschaffen wir ein einzelnes Wesen und wenn es sich nicht benimmt, zerstören wir es sofort wieder.», antwortete er (ich bin mir sicher, dass eine Augen bei den Worten erschaffen geglänzt hätten, hätte er Augen gehabt).

Ich sah mich zweifelnd in dem kleinen Raum um, aber es war offensichtlich der einzig gangbare Weg mein Ziel, alles aufzuzeichnen was geschah zu verwirklichen.

Deshalb sah ich zu ihm hinunter und nickte.

«Lass es uns ausprobieren.», sagte ich und obwohl er keine Augen hatte, hätte ich fast geschworen, dass bei diesen Worten, in seiner substanzlosen Gestalt, für einen kurzen Augenblick zwei Lichter aufflackerten.

Kommentare

Profilbild
Am 01.05.2021, Wolf16
(Antwort auf Kommentar 2)

Es freut mich, dass dich meine Geschichte immer noch fesseln kann und du Spass beim Lesen hast. Dein Lob freut mich sehr und motiviert mich zum Weiterschreiben. Ich muss zwar langsam aufpassen, dass ich mich nicht in irgendwelchen Wiedersprüchen verheddere, aber das macht das Ganze ja erst richtig interessant.

Freundliche Grüsse
Wolf 16
Profilbild
Am 01.05.2021, Wolf16
(Antwort auf Kommentar 1)
Hallo welcome home

Danke für die Klarstellung mit der direkten Rede. Ich glaube ich habe es jetzt geschnallt und werde es zukünftig beim Schreiben berücksichtigen.
Auch danke für die Anmerkung mit den Rechtschreibefehler, ich werde deinen Tipp mit dem Durchlesen mit Abstand beherzigen.
Profilbild
Am 27.04.2021, welcome home
Hoi Wolf16 :)

Ich habe mich sehr über den 3. Teil deiner Geschichte gefreut und es hat mir grossen Spass gemacht, diesen zu lesen.
Es gefällt mir total, wie fantasievoll du die Welt weiterentwickelst und die Leser einbindest.
Ich finde die kleinen Sätze in Klammer super, oft ein Grund zum schmunzeln :)
Es ist auch toll, wie du mit den beiden Charakteren arbeitest und es schaffst, sie unabhängig voneinander handeln und denken zu lassen, auch wenn sie miteinander verbunden sind!
Profilbild
Am 27.04.2021, welcome home
Mir ist was aufgefallen bei der direkten Rede:
"Ich weiss es nicht", antwortete ich. Dann braucht es nach dem "nicht" keinen Punkt mehr, da der Satz ja noch weitergeht.
Mit dem Fragezeichen stimmt es allerdings wieder:
"Was und?", fragte ich zurück.

Weisst du, wie ich meine?

Ausserdem haben sich ein paar Rechtschreibfehler eingeschlichen. Mir hilft es meistens, wenn ich eine Nacht drüber schlafe und mit Abstand nochmal alles lese.

Die aufgezählten Punkte schmälern aber deine Leistung keinesfalls und ich hoffe sehr auf die Fortsetzung :)

Lieber Gruss
welcome home