Zugfahrt - Teil 4

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Lissan
Veröffentlicht: 08.07.2020 11:15
Aktualisiert: 08.07.2020 11:13
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Kurzbeschrieb:
Diese mehrteilige Geschichte aus zwei Perspektiven ist zusammen mit welcome home entstanden. Viel Spass :)

Text

 

Was für eine emotionslose Zicke! Was meint sie eigentlich wer sie ist? Zuerst bringt sie meinen geliebten Ferdinand um und dann ist sie noch der Überzeugung, dass sie damit etwas Gutes getan hat. Was bitteschön soll an dieser Tat gut gewesen sein?! Was denkt die wohl, wo mein Ferdinand Freunde hat? Im Himmel?!

«Wunderschönen guten Morgen!», ertönt es plötzlich durch den Lautsprecher, «Ich hoffe sie hatten einen erholsamen Schlaf und einen entspannten Morgen. Heute geht die Reise nach Luletta und schliesslich nach Huluta. Durch den leichten Schneesturm letzter Nacht kann sich die Reise um einige Stunden verzögern. Ich wünsche Ihnen allen trotzdem eine angenehme Fahrt.»

«Mehrere Stunden? Was?», frage ich genervt.

«Das darf ja wohl nicht wahr sein! Ich habe mich so sehr aufs Meer gefreut…», stöhnt Cristine.

«Was willst du denn bitteschön am Meer? Alle Meerestiere müssen sich ja schon fürchten.»

«Fürchten? Wovor denn? Ich tue ihnen ja nichts an», fragt sie verwirrt zurück.

«Ach ja, diese Tiere leben ja schon in der freien Natur und sind dort zuhause.»

«Genau, so wie es sich gehört.»

«Doch Goldfische gehören nicht in die freie Natur. Sie sind nämlich Süsswasserfische, welche vor etwa eintausend Jahren extra als HAUSTIERE gezüchtet wurden.»

«Ach wirklich?»

Ich nicke.

«Was machst du denn eigentlich am Meer?»

«Ich habe mich einfach nach dem Meer gesehnt und besuche Verwandte.»

«Da bin ich jetzt überrascht. Ich auch!»

«Wow, wir haben eine Gemeinsamkeit. Das ist ja schon fast schockierend.»

Eine Weile ist es still im Zugwaggon.

«Weisst du…», beginnt Cristine.

Fragend schaue ich sie an.

«Es tut mir leid, ich wollte wirklich nur das Beste für deinen Goldfisch. Ich wusste nicht, dass er im Bach nur geringe Überlebenschancen hat.»

«Hm…», überlege ich, «Jetzt weisst du es ja. Ferdinand war wirklich mein bester Freund und es schmerzt sehr ihn nicht mehr bei mir zu haben. Ich gebe aber zu, dass er auch schon etwas älter war. Ich weiss nicht, wie lange er noch gelebt hätte…»

Die beiden plaudern noch eine ganze Weile, so dass die Zeit schliesslich verfliegt. Beide entschuldigen sich nochmals für den Vorfall und die gemeinen Worte. In Huluta angekommen steigen sie gemeinsam aus dem Zug aus, verabschieden sich und gehen beide ihres Weges.

«Warte!», ruft Cristine plötzlich und eilt zu mir. «Komm mit mir. Gerne möchte ich es wiedergutmachen. Ich werde dir einen neuen, jungen Goldfisch kaufen mit einem artgerechten Aquarium dazu. Was haltest du davon?»

Ich bin verblüfft. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Natürlich wird kein Goldfisch auf dieser Welt meinen Ferdinand ersetzen können. Doch einen neuen besten Freund zu gewinnen hört sich grossartig an. So nehme ich das Angebot dankend an und mache mich mit Cristine auf den Weg.

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