Zugfahrt - Teil 3

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Veröffentlicht: 08.07.2020 11:15
Aktualisiert: 08.07.2020 11:09
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Kurzbeschrieb:
Diese mehrteilige Geschichte aus zwei Perspektiven ist zusammen mit Lissan entstanden. Viel Spass :)

Text

 

Erschrocken räuspere ich mich, als sich plötzlich jemand auf mich draufsetzt. Wir sind gerade losgefahren und ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass überhaupt jemand ins Abteil kommt. Und dann setzt sich dieser junge Mann, ohne zu gucken. Hat er mich etwa nicht bemerkt?
Jetzt schon, denn er springt taumelnd wieder auf und kracht auf die andere Seite in den Sitz. Verwirrt und leicht besorgt schaue ich ihn an. Da erkenne ich ihn wieder. «Oje», denke ich und mir fällt die Geschichte mit dem Goldfisch wieder ein. Was für ein Drama das war! Dabei wollte ich ihn doch nur retten…
Benommen öffnet er seine Augen und sieht sich um. Er scheint sich darüber zu freuen im Zug zu sein, doch weniger mich als sein Gegenüber zu haben.

«DU!», presst er wütend hervor. «Deinetwegen kann ich nachts nicht mehr ruhig schlafen. Wie konntest du nur? Meinen geliebten Ferdinand, du hast ihn ermordet!»
«Gerettet, meinst du wohl!», entgegnete ich, «Der arme Goldfisch hat doch auch ein Recht auf Freiheit und du hast ihn in diesem kleinen Glas gefangen gehalten.»
«Wir waren Freunde. Beste Freunde! Das hätte für immer so bleiben können, doch du hast unser Glück zerstört.»
«Wie kann man seine Freunde einsperren? Freundschaft besteht doch auf Gleichberechtigung und Vertrauen. Was bist du nur für ein Mensch?»
«Ich habe ihn nicht eingesperrt! Es war sein Zuhause. In der freien Natur kann ein so kleiner Goldfisch nicht überleben. Es ist viel zu gefährlich für ihn.»
«Du hast ja keine Ahnung! Ein Tier braucht Platz! Er hat es genossen, endlich mal überall hinschwimmen zu können und nicht nur im Kreis. Deinem Fisch wars bestimmt schon schwindlig.»
«Ferdinand war der starken Strömung ausgesetzt! Er ist sich doch nur stilles Wasser gewöhnt!»
«Dieser kleine Fisch hat es verdient auch mal was Neues zu sehen. Er hat sicher Freunde im Bach gefunden, echte Freunde!»
«Was soll das heissen, echte Freunde?», schnappt er entrüstet nach Luft und wendet sich beleidigt ab. «Mit dir rede ich kein Wort mehr!»

Unserer Diskussion ist hier etwas eskaliert. Das wollte ich eigentlich nicht, aber dieser junge Mann versteht einfach nicht, was ein Tier wirklich braucht…

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