Deine E-Mail-Adresse:

Das Abendessen

Cover
Lissan
Veröffentlicht: 23.04.2020 22:09
Aktualisiert: 10.08.2020 23:25
Kategorie: Liebe
Tags: Freundschaft, Konflikt, Kochen, Essen
Bewertung:
Deine Stimme wird abgegeben.
Bewertung: 4.5 von 5. 4 Stimme(n).
Klicke auf die Sterne, um den Text zu bewerten.
Kurzbeschrieb:
Wie soll man damit umgehen, wenn es jemandem schlecht geht, so dass es der Person wieder besser geht? Wie wird ein Konflikt gelöst? Und wie kam es überhaupt zu dem Konflikt?

Text

«Was ist denn nur passiert?», frage ich sogleich als ich meine Freundin in der Ecke zusammengekauert sehe. Wir wollten heute Abend zusammen leckere Nudeln und Rahmsauce mit Cognac sowie Bohnen kochen und es uns so richtig gut gehen lassen. Doch als ich in die Wohnung meiner Freundin eintrete, zu der ich einen Schlüssel habe, finde ich ein Häufchen Elend. Schnell stelle ich die Tasche mit den Einkäufen ab und gehe zu meiner Freundin.

Als ich nähertrete, sehe ich die kullernden Tränen, die roten, glasigen Augen und verstrubbelte Haare. Ich setze mich neben sie, lege ihr einen Arm um die Schulter und frage nochmals ganz behutsam: «Hey, was ist denn passiert? Möchtest du reden?» Als Antwort bekomme ich ein lautes Schluchzen und noch mehr Tränen.

Ich befürchte, dass sich daraus schon bald ein kleiner Teich bilden wird und frage mich, wie ich das nur verhindern könnte. Vielleicht fange ich die Tränen mit einem Trichter auf und befördere sie mithilfe eines Schlauches Richtung eines bereits bestehenden Sees? Ob dieser See wohl auch aus Tränen entstand? Weswegen diese Geschöpfe wohl geweint haben? Das bringt mich Gedanklich wieder in die Realität zurück. Ich denke, es wäre viel sinnvoller die Tränen zu stoppen, so dass schliesslich nicht unser ganzer Planet voller Seen ist und schliesslich vielleicht sogar die ganze Welt unter Wasser steht.

«Komm», meine ich zu meiner Freundin und nehme behutsam ihre zitternde Hand, «Ich werde dir jetzt etwas leckeres Kochen. Wenn du magst, darfst du mir dabei alles erzählen. Ansonsten kannst du mir natürlich auch einfach zuschauen oder helfen.» Zusammen gehen wir mit der Einkaufstasche in die kleine Küche. Meine Freundin setzt sich auf einen Stuhl, welcher beim Kücheneingang steht, währenddem ich Töpfe hervorhole und zu kochen beginne. Ich schaue sie fragend an und sie schüttelt ihren Kopf leicht, während ihr ganzer Körper erschaudert. Es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen.

Um sie etwas abzulenken, dokumentiere ich alles, was ich mache. Ich erzähle ihr, dass ich nun das Wasser für die Teigwaren zuerst zum Kochen bringen würde. Für die Sauce mische ich etwas Mehl zum Binden mit Wasser zusammen und gebe eine Boullion, Kräuter-Gemüse-Meersalz und einen Schuss Cognac für den Geschmack dazu. Diese Mischung rühre ich mit dem Schwingbesen, bis es zu kochen beginnt. Ich gebe Rahm dazu und stelle die Sauce zur Seite. Die Bohnen habe ich heute frisch aus meinem Garten geerntet. Nun rüste ich sie und lege sie auf das Blech, um sie dann in den Steamer zu manövrieren. Danach kocht das Wasser, so dass ich die Temperatur etwas niedriger stelle und Salz sowie die Teigwaren dazugebe.

Langsam breitet sich ein herrlicher Duft in der Küche aus. Ich sehe, wie auch meine Freundin mit ihrer feinen Nase schnuppert und sich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen abzeichnet. «Danke dir», flüstert sie, so dass ich es fast nicht gehört hätte, «Was würde ich auch nur ohne dich machen?» Kurzerhand lasse ich alles stehen, gehe zu meiner Freundin und nehme sie fest in den Arm. «Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst», beteure ich, «Ausserdem würdest du all das auch ohne mich schaffen, da du eine starke, bewundernswerte Frau bist.» Sie lacht höhnisch auf und meint zweifelnd: «Sehe ich etwa so aus?» Ich nicke bestätigend und aufrichtig zu: «Absolut. Es ist sehr stark von dir, dass du deine Tränen zulässt und dass du gut zu dir selber schaust. Ich finde es bewundernswert, wie du dein Leben jeden Tag aufs Neue meisterst, ohne Aufzugeben und deine Träume verfolgst. Und es gibt noch so viel mehr, auf das du stolz sein kannst. Glaube mir, du bist wunderbar, genauso wie du bist.»

«Eine gute Mutter bin ich anscheinend jedoch nicht…», befürchtet sie mit gesunkenem Kopf, «Meine Tochter hat nicht nur keinen Vater, auch kann ich ihr nichts, absolut nichts bieten. Als ich sie zuvor zu ihrer Grossmutter brachte, erzählte sie mir mit leuchtenden Augen, dass sie von der Schule aus einen Austausch nach Frankreich machen können.» Ich höre meiner Freundin aufmerksam zu, während ich sie ermunternd ansehe. Sie spricht weiter: «Du weisst ja, wie sehr sie Sprachen liebt und natürlich will sie unbedingt nach Frankreich. Doch wie soll ich…? Wie soll ich das finanzieren? Ich fühle mich schrecklich!» Sie schüttelt ihren Kopf, springt auf und geht zum Herd. Kurz rührt sie die Teigwaren einmal um und probiert, ob sie bereits al dente sind. Sie nickt zufrieden, nimmt ein Sieb hervor und giesst das Wasser der Teigwaren ab. Danach stellt die die Sauce wieder auf den Herd, um sie aufzuwärmen.

«Das muss für dich wirklich schwer sein», vermute ich, währenddessen sie die Sauce umrührt, «Deswegen bist du aber immer noch eine liebevolle Mutter. Wie viel kostet der Aufenthalt denn?» «Ich weiss es nicht», gesteht sie, «Ehrlich gesagt hat meine Tochter mich nicht einmal gefragt, ob sie gehen darf.» «Am besten ist es wohl, wenn du mit deiner Tochter in aller Ruhe darüber sprichst. Was meinst du? Und wenn du weisst, was ihre Bedürfnisse sind, dann können wir auch Lösungsmöglichkeiten suchen.» «Ja», nickt sie bestätigend, «Ich habe einfach angenommen, dass sie so fühlt, ohne mit ihr darüber zu sprechen. Ich möchte schliesslich nur das Beste für meine Tochter! Morgen werden wir zusammen einen Spaziergang machen. Da werde ich mit ihr reden und sie nach ihren Wünschen und Bedürfnissen fragen.» «Das hört sich super an. Und jetzt geniessen wir zusammen unser leckeres Abendessen!», freue ich mich. Sie nickt und ihre Augen beginnen wieder zu strahlen.

In diesem Moment piept auch schon der Steamer. Die Bohnen sind fertig. Kurz wäscht meine Freundin ihr Gesicht, um sich wieder frisch zu fühlen. Währenddessen tische ich alles auf und zünde zwei Kerzen an. Nachdem wir uns beide gesetzt haben, lassen wir uns das Essen schmecken. «Erzähl, was ist alles passiert, seitdem wir uns letztes Mal gesehen haben?», frage ich nun und wir beginnen zu plaudern und herumalbern.

 

Kommentare

Profilbild
Am 15.06.2020, Lissan
Lieber Wolf16
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar!
Frage: Hättest du eine Idee, wie das Alter der Personen zu Beginn des Textes deiner Meinung nach klarer ausgedrückt werden könnte?
LG Lissan :)
Profilbild
Am 27.05.2020, Wolf16
Hallo Lissan
Das ist ja beinahe druckfrisch geschrieben.
Bildhafte Sprache, guter Spannungsbogen.
Den einzigen Kritikpunkt, den man einbringen könnte, wenn man kleinlich ist, ist, dass ich am Anfang des Textes das Alter der handelnden Personen falsch eingeschätzt habe (ich dachte zuerst es handelt sich um Personen im Alter von 17-22 Jahren). Aber wie gesagt, diesen Kritikpunkt bringt man nur an wenn man kleinlich ist.
Ich selbst möchte nur ein ehrliches Bravo für diesen Text aussprechen.
Profilbild
Am 29.04.2020, Lissan
Liebe tamara18
Dankesehr für deinen netten Kommentar :)
LG Lissan
Profilbild
Am 26.04.2020, tamara18
Liebe Lissan,
Ich könnte theoretisch alles abschreiben, was Starlight geschrieben hat, aber ich mache das jetzt nicht. Dazu will ich noch dagen, dass ich deinen Schreibstil super finde.
Mit freundlichen Grüssen,
tamara
Profilbild
Am 25.04.2020, Lissan
Liebe Starlight
Dankeschön für deine tolle Rückmeldung! Es ist wirklich ein Segen gute Freunde zu haben, welchen ich allen wünsche :)
LG Lissan