Dreambrothers (Kapitel 19)

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Cyrill.P.Kerry
Veröffentlicht: 03.08.2018 18:03
Aktualisiert: 17.08.2018 00:46
Kategorie: Fantasy
Tags: Traum, Träume, stadt, Nacht
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Kurzbeschrieb:
Um von seinen Gefühlen runterzukommen, begibt sich David auf einen Spaziergang. Er ahnt dabei nicht, auf wen er trifft und dass mit der Ruhe bald Feierabend sein würde.

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Text

Versuchend, die Worte zu verdauen, welche gerade eben aus Elias Mund gekommen waren, schluckte David zwei Mal leer und fragte dann: «Was ist mit Vasco? Wo ist er?» «Schwierige Frage, ich weiss es nicht. Ich kenne sein Versteck für den Notfall. Bestimmt hat er sich dort niedergelassen», antwortete Elias nach er Vollbremsung, als eine verwirrt wirkende Frau über die Strasse huschte. David kam dies seltsam vor. Wieso hatte dann Vasco nicht etwa versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen? «Das wäre zu riskant gewesen. Die Delirium-Agenten klinken sich in die Telefonleitungen ein. Sie können so die Gespräche auf ihren Standort zurückverfolgen», sagte Elias direkt nach dem David sich die Frage zu Ende gedacht hatte, als hätte er Gedanken lesen können. David fragte sich ernsthaft, wie er das immer hinbekam. Zufall war es wohl kaum. So fragte er ihn in einem genervten und überraschten Ton zugleich: «Sag mal, kannst du eigentlich Gedanken lesen?» Ein einfaches «nein», bekam er als Antwort. Verdutzt über die knappe Antwort, blickte David ihn an. Elias aber konzentrierte sich weiter auf die Strasse und lächelte sorgenlos, so sah es jedenfalls aus. Zwischendurch konnte Elias recht arrogant werden, für David unverständlich, dass er scheinbar den Ernst der Lage nicht begriff. «Du brauchst mich jetzt auch nicht gedanklich zu beleidigen», ergänzte Elias, woraufhin er zu lachen begann.

Da fiel es David wieder ein. Elias war ein Teil von ihm. Klar, Davids Gedanken waren gleichzeitig seine Gedanken. «Und deshalb sind die Delirium-Agenten so gefährlich. Sie wissen alles über dich, kennen jeden Gedanken. Sie stehen dir näher als du dir zu denken wagst», fuhr Elias fort, während er die Kupplung durchtrat, in den höchstmöglichen Gang des Autos schaltete und auf die Hauptstrasse zu fuhr. Der Espace heulte kurz auf, beschleunigte aber dann, wodurch David in den Sitz gedrückt wurde. Ein Gefühl, welches ihm kurz die Luft abschnürte, aber gleichzeitig auch etwas Befreiendes in sich hatte. «Das waren ja mal aufmunternde Worte», sagte David, um den Gesprächsflussf nicht abklingen zu lassen. «Das Leben ist nun mal kein Ponyhof», antwortete Elias darauf. Ehe David es zu unterdrücken versuchte, kam Elias in den Redefluss und versuchte ihn über das Leben aufzuklären. «Weisst du, manchmal sind solche Zeiten genau das, was wir Menschen brauchen. Ein Stoss, ein Hieb in den Bauch, ein Schlag ins Gesicht, irgendetwas, um zu realisieren, wo wir eigentlich stehen. Nur so können wir unsere Richtung ändern und uns in die richtige bewegen. Das wichtigste daran ist, nie Angst vor Veränderungen zu haben. Man muss einfach die Augen schliessen, die Arme ausbreiten und ins kalte Wasser springen. Auf das erste Eintauchen, mag es vielleicht ein unangenehmes Gefühl sein, deinen Körper aufs übelste kalt werden lassen. Doch er wird sich akklimatisieren, du wirst dich daran gewöhnen. Und dann auf einmal merkst du, wie gut diese Erfahrung war und willst immer wieder ins kalte Wasser springen, immer wieder», sagte er in einer konzentrierten, starken Stimme.

Auch wenn ihm das geschwollene Gerede seines Freundes langsam auf die Nerven ging, musste David eingestehen, dass Elias mit manchen Punkten Recht hatte. Stillschweigend fuhren sie weiter der Hauptstrasse entlang, vorbei an hohen Hochhäusern, Firmenkomplexen aus Banken, Versicherungsgesellschaften und Discountern. Nach einer Weile bog Elias in eine Nebenstrasse ab. «Wo wir jetzt hingehen, gilt es sich ruhig zu verhalten. Es werden sich viele Menschen auf den Strassen herumtummeln, bleibe also ganz entspannt, aber vorsichtig!», warnte Elias ihn. «Aufbauende Worte nach einem solchen Abendteuer», antwortete David darauf mit Ironie in der Stimme. Elias parkte den Wagen in einer Einfahrt, hinter einem kleinen, eher schäbig aussehenden Marktladen. «Hier wohnst du?», fragte David etwas abschätzig und erstaunt zugleich. Doch von Elias kam keine Antwort. Er stieg einfach aus dem Auto und begab sich auf die Strasse. David tat es ihm gleich.

Per Fernschlüssel schloss Elias das Auto ab und wies mit der Hand auf das Spektakel, welches sich vor den Augen der beiden abspielte. Er richtete folgende Worte an seinen Freund: «Darf ich vorstellen, mein Quartier!» Nun achtete sich David genauer auf das, was sich auf der Strasse tat. Er konnte es kaum glauben, welchen Anblick seine Augen in diesem Moment umfassten. Bunte Lichter hingen von den Balkonen. Manche waren bereits erloschen aufgrund eines Defekts. Andere wiederum blinkten wild in der Dunkelheit der Nacht. Unter dem bunten, farbenfrohen Licht tummelte sich Menschen, viele Menschen. Einige trugen normale Kleider, T-Shirts und kurze oder lange Hosen. Andere trugen bunte Kleider, die entweder glitzerten oder im Schein des Lichts hell leuchtenden. Die Leute waren in diesem Stadtteil nicht so wie in den restlichen Orten der Stadt. Auf den Gesichtern der Leute wiederspiegelte sich ausgelassene Heiterkeit und Freude. Jeder Mann und jede Frau hatte ein Lächeln auf dem Gesicht. Manche tanzten zu Musik, welche in der nächstgelegenen Disco oder im nächstgelegen Club lief. Von überall her erklang Musik, aus beinahe jeder Wohnung, gemischt mit lautem, ausgelassenem Gelächter. Auf einem Balkon befand sich ein junger, bärtiger Mann, welcher auf seiner Trompete irgendein Jazz Lied spielte. Eine Gruppe von jungen Leuten, die an sich schon ziemlich beschwipst wirkten, bejubelten den Mann klatschend.

Düfte von verschiedensten Essensständen strömten in Davids Nase. Indische Spezialitäten, gewürzt mit viel Curry waren daraus herauszuriechen. Dazwischen auch pikante, russische Spezialitäten, die manche mit sich auf den Händen trugen und während des Gehens assen. Die beiden begaben sich auf die andere Strassenseite, um dort dann zwischen zwei Häuserblocks eine verdreckte Treppe zu betreten. Alles in allem sah die Gegend in der sie gelandet waren, eher bescheiden und heruntergekommen aus. Trotzdem waren die Leute, die in diesem Viertel lebten, viel ausgelassener und sorgenfreier als im Rest der Stadt. So sah es jedenfalls für David auf den ersten Blick aus.

Auf der Treppe, welche sie nun hochstiegen, sass ein betrunkener Mann. Er hatte kein Haar, sondern eine Glatze und einen Dreitagebart. Neben ihm lief ausgeleertes Bier die Stufen hinunter. Seine Augen waren geschlossen, wahrscheinlich schlief er gerade, jedenfalls glaubte dies David. «Weiterlaufen, der schläft nur», sagte Elias in Eile. «Bist du dir sicher?», fragte David sich sorgend. «Ja, ich kenne ihn. Er liegt jede Nacht hier, um auszunüchtern», antwortete Elias locker. Doch David war die Antwort nicht genug. Er hackte nach: «Sollte sowas nicht lieber von der Polizei erledigt werden, als von einer Treppe?» Elias lachte auf und sagte gelassen: «Polizei? Die gibt es in diesem Stadtteil nicht.»

Immer noch etwas schockiert, folgte David seinem Freund die Treppe hinauf, welche immer steiler wurde und sich zwischen Häusern, Bungalows und Wohnblocks hindurch schlängelte. Die Treppe wurde gar so eng, dass David hinter Elias laufen musste. Sie wurde nicht nur enger, sondern auch verdreckter und kaputter. Manche Stufen fehlten sogar, was David beinahe nicht wahrnahm und deshalb ab und zu über seine eigenen Füsse stolperte. Je höher die beiden stiegen, desto besser und schöner war die Aussicht über die ganze Stadt. Über dem Viertel, welches David gerade neu kennenlernen durfte, hing eine weisse, trübe Wolke, beschienen von den bunten Lichtern. David wollte gar nicht wissen, wieviel der giftigen Stoffe er eingeatmet hatte.

Am obersten Punkt angekommen, David war ausser Atem und schwitzte gefühlte Bäche, zog Elias seine Schlüssel. Sie standen vor einem für dieses Viertel schön aussehenden Wohnblock. «Hier wohne ich», sagte Elias stolz und wies auf das Gebäude. Er reichte David die Schlüssel und sagte: «Geh du schonmal vor, ich muss noch etwas erledigen. Es ist die Wohnung links zuoberst.» David tat wie geheissen und trat ein.

David blickte im Treppenhaus nach oben. Weit zogen sich die Stufen nach oben. Ihm wurde beinahe schwindelig von diesem Anblick. Noch einmal all seine Kräfte zusammenreissend, bestieg der die ersten Stufen, zwei weitere folgten. Langsam nahm David Stufe um Stufe in Angriff. Er ging vorbei an Zwischenebenen, an dessen Wänden Bilder von den verschiedensten Blumen hingen. Neben manchen Türen standen Schuhe, welche von den Einwohnern deponiert wurden. Zu Davids Erstaunen dauerte es nicht lange, bis er zuoberst ankam. Wie es Elias ihm vorher gesagt hatte, ging er zur Wohnung, welche sich links befand, steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch, öffnete die Tür und betrat den Raum.

Ihm entgegen kam ein modriger Geruch, gemischt mit einer Note eines männlichen Parfums. Es war keine grosse Wohnung, die Elias besass. Ein grosses Wohnzimmer erstreckte sich vor ihm. Direkt neben dem Eingang befanden sich zwei Türen. Die eine führte in ein mickriges Badezimmer, welches nur über eine Toilette, ein Spülbecken und eine enge Dusche verfügte, und hinter der anderen Tür befand sich ein Schlafzimmer, wahrscheinlich für Elias gedacht. In dem befand sich gerade mal ein ungemachtes Bett, sowie ein Kleiderschrank, welches halb offenstand. Die Küche war mit dem Wohnzimmer verbunden und bildete mit dessen einen gesamten Raum.

Erschöpft liess sich David auf dem ledernen Sofa fallen. Die Frontwand des Wohnzimmers bestand aus einem riesigen Fenster. David glaubte, mit einem Feldstecher, hätte man alles, jedes Detail der Stadt erblicken können. Von weither ertönte eine Polizeisirene, doch der Lärm vom Viertel, in dem Elias lebte, übertönte schnell das Hornen des Polizeiautos. David beschloss sich für eine Weile hinzulegen und so auf Elias zu warten. Es dauerte nicht lange, bis er einschlief.

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