Dreambrothers (Kapitel 17)

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Cyrill.P.Kerry
Veröffentlicht: 09.07.2018 01:57
Aktualisiert: 21.07.2018 19:46
Kategorie: Fantasy
Tags: Traum, Träume, Verweiflung, Liebe
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Kurzbeschrieb:
Am Boden zerstört, begibt sich David hinaus und macht da eine unerwartete, lebensverändernde Begegnung.

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Text

Erst in diesem Moment realisierend, welche Entscheidung David getroffen hatte, bewegte er sich zur Bushaltestelle, um sich dort unter das gläserne Dach stellen zu können. Er wollte also nun tatsächlich aus dem Delirium ausbrechen, seine Entscheidung war getroffen. Doch wie hätte er das nur anstellen sollen? Er wusste es bei bestem Willen nicht. Hätte er sich selbst umgebracht, dann wäre er für immer gestorben. Er musste seine Freunde um Hilfe bitten, eine andere Möglichkeit gab es nicht. In diesem Moment aber, war ihm nicht danach zumute, mit irgendjemandem zu sprechen. Weder wollte er seine Freunde sehen, noch sonst irgendjemanden. David brauchte Zeit. Er brauchte Zeit, das Erlebte zu verarbeiten, seinen Kummer, welcher wie ein Haufen Akten wild durch seinen Kopf flog, in Schubladen einzuordnen, zu archivieren und schliesslich zu archivieren. Je öfter er seine Gedankengänge wiederholte, desto absurder kamen sie ihm vor. Lauryn war Ursprung seiner eigenen Gedanken und war keine echte Person. Sie war fiktiv, so wie alles hier. Und dennoch versetzt ihm diese Trennung einen brennenden Stich im Herzen und hinterliess ein gähnendes, schwarzes Loch.

Der Regen trommelte auf das Glasdach. Blitze funkten am Himmel auf und liessen ein bodenerzitterndes Grollen zurück. Ab und zu schrak er auf, so laut waren die Donner. Mit dem Kopf in die Arme gestützt, sass er da, in Gedanken versunken auf den Boden starrend. Hin und wieder tropfte eine Träne vor ihm auf den Boden. Er war überrascht von sich selbst. Nie hätte er gedacht, dass er solche Emotionen hätte zeigen können, dass so etwas so dermassen wehtun hätte können. Sein Herz fühlte sich an, als wäre es buchstäblich auseinandergebrochen, im Innern fühlte er sich ausgelaugt, von sich selbst in die Enge getrieben, von sich selbst verletzt. Ein Gefühl beschlich ihn aus seinem Innern heraus. Ein Gefühl des innerlichen Sterbens. Ein Gefühl, als wäre er gerade in seinem Innern gestorben.

Ein lautes Plätschern ertönte. Ein Taxi fuhr auf die Haltestelle zu und hielt. Ein Herr, etwas älter als David, stieg aus. Seine Anzugsschuhe berührten den nassen Asphal, darauf folgte ein grosser Körper, welcher er nur mit Mühe aus dem engen Taxi herausbekam. «13.20, seien so gut», sagte der Taxifahrer mit einem schlechten Akzent zum Typen im Anzug. Er gab ihm eine Zwanzigernote und fügte an: «Schon in Ordnung so.» David staunte. Nie gab er selbst einem Taxifahrer so viel Geld als Zuschlag, für eine Fahrt, die er eigentlich auch alleine hätte tätigen können. Die beiden redeten noch kurz miteinander. Der Anzugsmann schien sich gut mit anderen Menschen zu verstehen, denn abschliessend lachte der Fahrer laut auf, schloss die Tür und fuhr mit starker Beschleunigung davon. Der Mann, der gerade eben ausgestiegen war, drehte sich um und wollte sich wohl zu seinem Daheim aufmachen. Zugegebenermassen war das wohl auch die letzte Anlaufstation. Denn der stolpernde Gang wiesen darauf hin, dass, egal wo er gewesen sein mochte, einiges an Alkohol geflossen haben muss. Doch er hielt an und beäugte den vor sich hin schmollenden David auf der Bank. Im schwachen Licht der Strassenlaterne erkannte David, wen er vor sich hatte. Vorsichtig fragte er: «Fred?»

Zur Abwechslung trug er mal ein weiss, blau kariertes Hemd unter seinem schwarzen Mantel. Die Krawatte hatte er womöglich schon abgezogen. Seine Haare waren zu einer lockeren Schmalzlocke gekämmt, die zur Hälfte durch die Nässe des Regens in seine Augen fiel. Seine Haare haben sich bereits von einem Braunton zu einem eher gräulichen verändert. Der Dreitagebart, welcher ebenfalls bereits einzelne graue Härchen versteckte, passte gut zu ihm. David war erstaunt. So genau hatte er seinen Nachbarn noch nie gemustert. Jetzt bemerkte er, dass er für sein Alter zwar alt wirkte, aber trotzdem auf eine Art und Weise noch fit und jung aussah. Er gluckste kurz und sagte: «Na so was! Wer haben wir denn hier? Das ist ja mein Nachbar!» Fred bewegte sich auf ihn zu und setzte sich neben ihn. David wischte sich schnell die verbliebenen Tränen auf seinen Wangen weg und begrüsste ihn, so fröhlich, wie es nur ging. Also gar nicht.

Fred knöpfte den oberen Teil seines Mantels zu, schliesslich war es durch den Regen kalt geworden. Stille herrschte zwischen den beiden. David wusste nicht, was er mit seinem Nachbarn hätte bereden sollen. Ganz besonders nicht in dieser Stimmungslage nicht. Wäre er besser gelaunt gewesen, dann hätte er vielleicht noch irgendein Thema gefunden. Fred stützte sich mit den Händen auf die Bank. Er musste wahrscheinlich versuchen, im Gleichgewicht zu bleiben. So stützte er sich mal mehr auf die linke, mal mehr auf die rechte Seite und wippte so umher.

«Merkwürdiges Wetter nicht? Solches Wetter zu dieser Jahreszeit?», fragte Fred in den Himmel schauend und rätselnd. «Ja, Tatsache», war das einzige, was David noch herausbekam. Jedes seiner Worte war ihm eine Last. Sie waren wie Gewichte, die aus ihrem Mund kamen, sich an seinen Gelenken festmachten und ihn versuchten, herunterzuziehen. «Meine Güte, ich weiss noch, als wir uns kennenlernten David. Ich stand draussen und rauchte eine Zigarre, dann kamst du plötzlich rausspaziert und hast begonnen mit mir zu sprechen. Ich war an diesem Tag nervös, da ich gerade mein Champagnergeschäft eröffnet habe», sagte er nachdenklich. David hörte zwar alles, was sein Gegenüber ihm erzählte, hörte aber trotzdem nur mit halbem Ohr zu. Mit den Gedanken war er bei Lauryn, voll und ganz. Schmerzhaft erinnerte er sich an ihren ersten Kuss. Damals in der Stadt auf einer Bank oberhalb des Flusses, nahe der Absturz Stelle, von der aus David und Elias ins Wasser hinein rauschten. Er konnte sich noch genau an seiner Bewegung erinnern, wie er sich mit seinem Gesicht ihrem näherte, die Augen schloss und langsam mit seinem Mund ihre zärtlichen, roten Lippen berührte. Sie öffneten beide ihre Ober- und Unterlippen, dann folgten die Zungen. Wie kleine Schlangen umwanden sie sich, wie ein freudiger Tanz. Ihr erster Kuss, ein Moment der Ewigkeit.

David erwachte aus seiner Erinnerung. Während seinem Abschweifen hatte er gar nicht bemerkt, dass Fred die ganze Zeit über am reden war. Irgendetwas lallte er vor sich hin, von wegen «Rosen», «Singen», «Champagner» und «zu viel» oder ähnlichem. Das waren die Stichworte, die David aus dem Erzählten mitnehmen konnte. Die Erinnerung an den Kuss hatte ihm enorm zugesetzt. Seine Augen füllten sich erneut mit Tränen, welche nach und nach über sein Gesicht liefen und heruntertropften. Fred unterbrach sein Gelaber und fragte ihn: «Ist alles in Ordnung bei dir?»

Eigentlich wollte David keine Schwäche zeigen. Nicht vor Fred, nicht vor sich selbst. Doch nun brach er in ein lautstarkes Geheule aus. Fred legte besorgt den Arm um ihn und hakte nach: «Was ist denn los?» «Ich will nicht darüber reden», antwortete David schniefend. Fred versicherte ihm, dass er mit ihm über alles reden konnte, schliesslich waren sie Nachbarn. Auch wenn sie sonst eigentlich nie miteinander sprachen, wenn es hart auf hart kam, dann konnte er auf ihn zählen. Währenddessen Fred ihm das erklärte, musste er etwa acht bis zehn Mal hicksen oder vergass mitten im Satz, wo er stehengeblieben war. Natürlich war das kompletter Unfug, was sein Nachbar da von sich gab. Um aber sein Geleier und seine übermotivierte Besorgnis irgendwie zu stoppen, beschloss David, ihm die ganze Sache zu erklären, die zwischen ihm und Lauryn stattgefunden hatte, selbstverständlich ohne der Sache mit dem Delirium.

Darauf wurde es erst einmal still, wobei die beiden hören konnten, dass sich der Donner und die Blitze langsam verzogen, der Regen aber dennoch anhielt und sogar noch stärker wurde. Fred rieb Davids Rücken und sagte: «Weisst du, alles was du tun kannst, is diese Frau einfach zu vergessn`» Das war leichter gesagt als getan. «Mache Dinge, die dir Spass machen. Wie zm Beispiel weggehen, Leute treff`n oder einem Hobby nachegehn`», fuhr er fort. Schluchzend versuchte David ihm zu erklären: «Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich nie mehr glücklich sein kann, dass ich niemals mehr weiss, was es heisst, glücklich zu sein» «Du musst wissn`, das Leben besteht nicht nur aus Schokolade und Champagner. Es gibt Momente, da bis du am Bodn`. Zerstört, komplett. Doch weisst du was einen starken Menschn` wirklich ausmacht? Aufstehen, weitermachen, nie aufgebn`, egal wie sehr es wehtut. Du machst jetzt folgendes: Du stehst auf und gehst, in ein Hotel oder ähnlichem, heulst dich da vielleicht noch aus und stehst morgen mit dem Gefühl auf, als wärst du neugeborn`, als würde alles von vorne beginn`», sagte Fred unterstützend. Fred beteuerte, dass dies keine Schlechte Idee war, stand auf, umarmte seinen Nachbarn freundschaftlich, bedankte sich für den Ratschlag und bewegt sich in Richtung Stadt.

«David, warte!», rief ihm Fred noch hinterher. Er drehte sich nochmals um. Der betrunkene Fred fragte ihn: «Hast du manchmal auch so das Gefühl, dass du denkst du träumst und dann nicht mehr weisst, was real ist?» David antwortete ihm kurz und knapp: «Habe ich öfter.»

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