Dreambrothers (Kapitel 14)

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Nederlandfreak
Veröffentlicht: 19.05.2018 11:36
Aktualisiert: 11.06.2018 00:41
Kategorie: Fantasy
Tags: Traum, Träume, Wahrheit, Flucht
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Text

Sie ignorierten Davids Anliegen und begannen weiter zu diskutieren. Dr. Hallway fing mit ebenfalls kurioser, ruhiger Stimme an zu fragen: «Wer ist David? Weisst du etwa, wer er ist?» Elias antwortete direkt, während er nähertrat: «Nein, aber weisst du auch warum? Er gehört nicht hier her. Er ist hier falsch, es ist nicht seine Welt, die er ausversehen betreten hat!» «Doch es ist seine Welt», wandte der Dunkelhäutige ein. «Nein Vasco, du verstehst das falsch. Ja, es ist vielleicht seine Welt. David hat sie erschaffen. Er hat sie in seinem Unterbewusstsein erschaffen. Uns alle, wir, ich, du, dieser seltsame Elias, wir alle wurden von ihm persönlich erschaffen. Wir alle sind ein Teil von ihm. Wir wissen alles über ihn, er weiss alles über uns», korrigierte Dr. Hallway seinen Kumpel. Eine kurze Gesprächspause trat ein, während die drei ihre Köpfe zu David drehten und ihn mit grossen Augen anstarrten. Es sah so aus, als hätten sie erst gerade bemerkt, dass er noch neben ihnen stand.

Elias schluckte zwei, drei Mal und wandte sich dann wieder seinen zwei Gesprächspartnern zu. «David muss hier weg. Er muss in sein altes Leben zurück. Wenn David hier etwas zustösst, haben wir ihn verloren. Haben wir ihn verloren, haben wir uns verloren. Wir müssen ihm dabei helfen, wieder zurück zu finden.» «Moment, wie meinst du das, wir sind alle ein Teil von David?», fragte Vasco nach. «Bist du bescheuert? Jeder von uns sollte sich sicher sein, dass er ein Teil von ihm ist!», antwortete Dr. Hallway und zeigte dabei auf David. Um das Gesagte von Dr. Hallway zu unterstreichen, fuhr Elias mit seiner Erklärung fort: «Nein eben nicht! Jeder von uns wurde durch die verschiedenen Eigenschaften seiner Person erschaffen. Jeder von uns ist anders. Anders, aber trotzdem ein Teil seines Ichs. Wir entstanden durch Ereignisse, Erlebnisse, Zusammenbrüche, Erleuchtungen seines Lebens. Niemand anderes ausser wir, dürfen davon erfahren. Sonst gäbe das eine riesige Katastrophe.» Elias wandte sich kurz an David: «Deshalb habe ich dir vorhin gesagt, du solltest mit keiner Person Augenkontakt haben. Deine Psyche war zu diesem Zeitpunkt zu schwach. Hätte jemand bemerkt, wer du bist, wäre er oder sie ausgerastet. Die ganze Illusion dieser Scheinwelt, dieser Traumwelt, in der sich dein Geist nach deinem Unfall zurückgezogen hat, wäre sinnlos erschienen. Sie wäre in sich zusammengebrochen. Diese Illusion muss bestehen bleiben!»

David brauchte eine Minute, um Elias antworten zu können. «Welchen Unfall? Was redet ihr da bitte?», fragte David schon fast verzweifelt nach. «Du hattest vor ein paar Jahren einen schrecklichen Autounfall. Du bist dadurch in ein tiefes Koma gefallen. Seither sitzt du hier fest. Nur hast du dies nicht bemerkt, da du mitten in den Prozess eingestiegen bist. Für dich war das alles normal. Der Alltag, dein Job, Lauryn. All das entspringt nur deiner Phantasie, deinem Geist. Alles was hier passiert, wird unbewusst von dir gesteuert. Bis du wütend oder traurig, dann gibt es Regen oder Gewitter. Wenn es hart auf hart kommt, sogar Stürme. Weisst du noch der Streit, den du mit Lauryn gehabt hast? Drei Tage lang hatte es gestürmt. Für das hätte ich dich am liebsten geschlagen, aber dann wäre ich wohl vom Wind verschluckt worden», erklärte Elias weiter.

Von ausserhalb der Türe erklangen laute Geräusche, die näher zu kommen schienen. Rufe, schnelle Schritte, gehetzte Menschen irrten auf den Gängen umher. Aber David achtete nicht auf diese eigentlich eher beunruhigende Veränderung der Situation und wollte es nun wissen. Er fragte: «Und was ist mit diesen Männern, die hier in schwarzen Anzügen umher rennen und Schrecken verbreiten?» Natürlich wusste auch Dr. Hallway darauf eine Antwort: «Diese Männer wollen dich um jeden Preis hier drin behalten. Sie wollen dich zwar nicht töten, aber hier drin im Delirium festhalten. Das ist jetzt nicht so gemeint, dass du das gelassen nehmen kannst. Sie wollen dich vielleicht nicht töten, aber jeder von ihnen wäre bereit dazu, wenn es hart auf hart käme. Wir nennen sie die Delirium-Agenten.» «Ich bin also in einem Delirium?», fragte David nach. Die drei nickten. «Delirium, ein endloser Traum, was auch immer für dich schöner klingt», fügte Elias an. Auch wenn David schon lange genug gehört hatte, fragte er trotzdem nach: «Was wäre denn, wenn ich in diesem Delirium, in diesem Traum sterbe, beziehungsweise mich einer umbringt? Normalerweise wacht man doch einfach aus einem Traum auf, wenn man stirbt?» «Das würde dir wohl so passen! Du stirbst, David. Dann ist es aus und du bist mause. Mausetot», antwortete Elias darauf, während er mit einem Ohr versuchte herauszuhören, was draussen vor der Tür vor sich ging. Die Schreie und die hektischen, panischen Schritte schienen immer näher zu kommen und lauter zu werden.

David versuchte das alles irgendwie zu verarbeiten. Er war also in diesem Delirium gefangen. Sein ganzes Leben, welches er sich hier aufgebaut hat, Lauryn, seine Freunde von der Arbeit, alles eine reine Illusion. Das alles war er selbst. Jeder Einzelne von denen, die vor ihm standen, jeder Einzelne von denen, die vor der Tür im Gang herumschrien und herumwuselten, entsprangen seinen Gedanken, seinem Geist. Plötzlich kam ihm diese ganze Welt, die er vor ein paar Tagen noch für äusserst real gehalten hatte, überaus fremd vor. Das alles was für David so verwirrend, dass sein Kopf immer mehr zu rattern begann. Wenn er also mit jemand anderem aus dieser Scheinwelt sprach, sprach er dann mit sich selbst? Wenn er jemandem Schaden zufügte, verletzte er sich selbst damit? Woher kamen all diese Menschen? Waren sie Ursprung seines Gedächtnisses, seiner Erinnerung oder waren sie bloss zufällig generiert worden, wie bei einem Videospiel? In Davids Kopf drehte sich alles. Ihm wurde für Gedanke für Gedanke immer schwindeliger. Der Boden begann sich zu bewegen. Das war wahrscheinlich die physische Reaktion in Davids Scheinwelt auf sein Gedankenwirrwarr. Die Wände zitterten, bewegten sich immer heftiger, Die kleine Lampe, die so oder so nur schwaches Licht projizierte, schwankte hin und her und flackerte. Vasco sprang auf, als plötzlich eine Vase nur knapp Elias Kopf verfehlte und auf dem Boden zerbrach. Auch die Regale gaben langsam nach. Das Holz knirschte und ächzte unter der Last des Regals und der unnatürlichen Bewegungen.

«David beruhige dich, denk an was anderes!», sagte Elias, packte seine Schultern und versuchte weiterhin auf seinen Freund einzureden. «Ja man, du bringst uns noch alle um!», ergänzte Vasco. David hatte sich mittlerweile gekrümmt an eines der Regale angelehnt, in der Hoffnung, irgendwann von ihm begraben zu werden, damit dieser Albtraum endlich ein Ende hatte, damit er endlich sterben konnte. Doch so einfach war das nicht. Er befand sich gerade im Kampf mit sich selbst. Der Raum drohte zusammenzubrechen, er wollte sterben. Wollte er das? David wusste selbst nicht mehr, was er wollte. Elias rüttelte und zog währenddessen an ihm, schrie ihn an, doch das Getose der klappernden Regale war zu laut, um seine Stimme wahrnehmen zu können. David konnte nur seine Lippen auf und ab bewegen sehen. Vasco und Hallway schwangen ihre Arme und Hände zu Handzeichen. Handzeichen, die bedeuteten, dass dieser Raum bald zusammengebrochen wäre und dass sie alle endlich dort verschwinden sollten.

Mit Gewalt stiess Elias David aus dem Raum heraus, was mit einem fürchterlich schmerzhaften Aufschlag auf dem Boden endete. Vasco und Hallway folgten seinem Beispiel, nur eben freiwillig, ohne starken Aufprall. Elias kam zum Schluss und hinterliess einen Raum, in dem nun alle Regale einstürzten. Wären die vier eine Sekunde länger dageblieben, wären sie darunter begraben worden. Vielleicht wäre das nicht einmal so schlimm gewesen, für David jeden Falls. Doch er hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Im Gang wuselten hunderte Menschen umher. Ärzte, Patienten, Angehörige, alle rannten panisch umher. Ohne Ziel, ohne Ahnung was vor sich ging. David musste also schnell reagieren und allen Beinen und Armen ausweichen, die ihm in die Quere kamen. Ansonsten lief er Gefahr, von der Herde von anrennenden Menschen zertrampelt zu werden.

Elias half ihm und zog ihn hoch, während die anderen zwei mühsam versuchten, eine Schneise in die Menschenmenge zu treiben. Von allen Seiten her wurden sie angerempelt, manchmal so hart, dass David für eine kurze Zeit nicht mehr atmen konnte. Der Boden vibrierte immer noch unter ihren Füssen., die Wände begannen schon einzustürzen und begruben die ersten Menschen unter ihrem Gewicht. David spürte das. Nun mehr als je zuvor, jetzt wo er wusste, dass jeder von ihnen ein Teil seines Lebens war. Mit ihnen starben Gefühle, sie wurden unter dem Schutt begraben. Nur konnte David noch nicht wirklich identifizieren, was für Gefühle es waren. Gut oder schlecht spielte im Moment so oder so keine Rolle mehr.

Nach einem mühseligen Kampf durch den Wirrwarr, standen sie endlich vor der Eingangstür. Wenn man dem riesigen Loch in der Wand noch so sagen konnte. Die grossen Fensterscheiben waren in tausende Teile zerbrochen und die Wände waren in sich zusammengebrochen. Mehrere Verletzte lagen am Boden und wälzten sich vor Schmerz in den Glasscherben. Einige hatten ganze Arme und Hände offen, aus denen das Blut nur so strömte und sich auf dem weissen Steinboden verteilte. Es war ein grauenhaftes Bild. Aber David konnte nichts und durfte auch nichts für sie tun. Beim Durchschreiten der nur teilweise noch bestehenden Eingangstür, entdeckten sie ein bekanntes Gesicht. Die rothaarige Empfangsdame, von welcher Elias die Handynummer ergattern konnte, stand draussen und zitterte. Ihre Hände hatten kleinere bis grössere Schnitte, womöglich von herumfliegenden Glasscherben. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihre hellblaue Bluse war mit Blut verschmiert und ihr Gesicht war von Tränen verschmiert. In der linken Hand hielt sie ein Taschentuch, mit welchem sie sich immer wieder das Gesicht abtupfte.

Elias begab sich langsam auf die Dame zu und nahm sie in den Arm. Von weither konnte David ein «Alles in Ordnung?» von Elias wahrnehmen, worauf die Rothaarige den Kopf schüttelte. Sie lehnte sich mit dem Gesicht an Elias Brust und weinte los. David kam näher. Es war für ihn ein merkwürdiges Gefühl. Zum einen tröstete er da eine verängstigte Empfangsdame, gleichzeitig wurde aber auch David selbst getröstet. Er hatte keine Ahnung, wie er mit dieser Situation hätte umgehen sollen. Die Dame presste sich immer stärker an Elias Körper, welcher aus Reaktion sagte: «Mann David, hast du vielleicht eine emotionale Seite!» Nach seinem Blick zu urteilen, hätte er sich längst wieder von der Umarmung lösen können. Die Bodenerschütterungen stoppten, die Hysterie legte sich und hinterliess eine Ruine. Eine Ruine der Verzweiflung, der Angst und des Schreckens.

Plötzlich fuhr ein nachtschwarzer Sportwagen an den Strassenrand. Der Beifahrer des Wagens kurbelte das Fenster hinunter und entblösste sich als Dr. Hallway. Er rief ihnen zu: «Kommt, wir müssen gehen!» David nickte, um ihm ein Signal zu geben, dass er verstanden hatte und lief auf das Auto zu. Es hatte nur zwei Türen, weshalb Hallway aufstehen und seinen Sitz nachvorne lehnen musste. Noch immer war es für David zu eng, aber er quetschte sich einfach zur Rückbank durch. Ein wenig schmerzhaft, doch er war es sich schliesslich langsam gewohnt. Als er sich hinter Hallway niederliess und aus dem schmalen Fenster guckte, sah er, wie sich Elias und die Rothaarige küssten. Es war nicht nur ein normaler Kuss auf die Lippen. Die Zunge war da ganz sicher auch im Spiel. «Hey sieh mal David, Elias macht mit dir rum!», sagte der am Steuer sitzende Vasco lachend und zeigte mit dem Zeigefinger aus dem Seitenfenster. Er war der einzige, der lachte. «Du meinst David mit sich selbst», korrigierte Hallway. Da bemerkte der lachende Vasco, dass seine Aussage falsch war und liess seine Miene in einen emotionsneutralen Gesichtsausdruck versteinern.

Peinliche Stille trat ein, während Elias und die Rothaarige miteinander kokettierten. Die drei im Sportwagen wussten nichts besseres zu tun, als von drinnen aus zu zusehen, bis dann Vasco einmal kurz auf die Hupe hämmerte, um Elias aus der Trance zu holen. Elias verabschiedete sich von ihr mit einer tiefen Umarmung und stieg in den Wagen ein, dort wo noch Platz war, neben David. Dieser wiederum sah ihn mit kritischem, genervtem Blick an. «Was ist denn los Kumpel, hats dir die Sprache verschlagen?», fragte Elias, während er die Autotür zumachte. «Ernsthaft? Mein Leben, Verzeihung, unser Leben…wie auch immer, ist auf dem Spiel. Währenddessen weisst du nichts Besseres zu tun, als dieser Fremden deine Zunge in den Hals zu stecken?», antwortete David mit Ungeduld in der Stimme. «Komm mal runter David, bei solchen Situationen muss man halt Ruhe bewahren, da kommt sowas nun mal vor», antwortete Vasco schlichtend. Irgendwas an Vasco störte David. Er wirkte auf ihn ein wenig unsympathisch und herrisch. David mochte solche Menschen im Grunde nicht. Aber er schwieg und tat nichts dergleichen.

Vasco fuhr zurück auf die Hauptstrasse, dann auf eine Brücke, von der aus die Absturzstelle von David und Elias gut zusehen war. Die Klippe war höher, als er gedacht hatte. Er fragte sich, wie sie das überleben konnten. Die Autospuren der beiden Autos waren auch noch zu sehen, wenn auch nur schlecht, da sie sich hinter den dichten Bäumen und Büschen befanden. Währenddessen David aus dem Fenster starrte, bog Vasco in die Autobahn ab.

«Wie kommt das eigentlich, dass diese Männer, diese Agenten, einen solchen Groll auf mich haben?», fragte David um die bedrückende Stille zu unterbrechen. Hallway schnaubte auf und antwortete: «Hast du uns nicht zugehört? Diese Agenten sind Teil deines Verstandes. Dieser Teil will hierbleiben, aus dem einzigen Grund, da du dir hier ein neues Leben aufgebaut und dich in dich selbst zurückgezogen hast. Sozusagen sind diese Männer dein innerer Schweinehund.» «Das ist der einzige Grund? Sind Sie sich da sicher?», fragte David ungläubig. «Du musst mich nicht mehr Siezen, David. Ich bin schliesslich du und du bist ich. Nenn mich einfach Hallway», antwortete er. Auch sei er sich ziemlich sicher, dass diese Agenten darauf erpicht waren, David in seinem Kopf, seinem Geist, gefangen zu halten. «Wieso sind die denn so aggressiv?», hakte David nach. «Meine Güte, du stellst schön viele Fragen. Diese Agenten repräsentieren all deine schlechten Emotionen. Nicht den Ärger, nicht den Zorn, die haben wir «normalen» in uns tragen. Sie sind die richtig üblen Typen. Gefühle der Depression, der Rache, des Hasses, der Ablehnung, des Todes, vor allem aber der Angst, sind für ihre Entstehung zuständig», antwortete Vasco und gab richtig Gas, um dem Auto einen krachenden Ton zu entlocken.

Davids Fragerei wäre aber noch immer nicht beendet gewesen. Wie kam es dazu, dass er niemandem in die Augen sehen durfte, ausser ihnen drei? Konnte er wirklich allen, die in diesem Auto sassen, vertrauen?

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