Dreambrothers (Kapitel 9)
Text
Die Männer schrien einander Dinge zu, die David nicht verstehen konnte, und versuchten, dem Taxi auszuweichen. Den meisten gelang der Sprung auf die Seite. Nur einer schaffte es nicht, sein rechtes Bein rechtzeitig einzuziehen, während er sich gerade in der Luft befand. So schlug das Knie auf der Windschutzscheibe auf, was die Flugbahn des Mannes erheblich veränderte und dazu führte, dass er die Kontrolle über seinen Sturz verlor. Elias hatte keine Zeit sich um den verletzten zu kümmern, denn die Aktion, die im Nachhinein doch nicht so toll war, brachte das Fahrzeug von der Strasse und dem Gehweg ab. So rollten die beiden Insassen nun auf einen grossen, grünen Hang zu, der sich direkt über einem grossen Fluss befand. Elias machte eine Vollbremsung und drehte das Auto auf die Seite, um möglichst guten Halt auf dem glitschigen Rasenboden zu finden. Da der Hang sehr steil war, rollte das Taxi dennoch einige Meter weiter. Zum Glück der beiden Insassen, hielt der Wagen wenige Dezimeter vor der Klippe, welche ihnen ein eher weniger witziges Bad im Fluss beschert hätte, hätte das Taxi etwas mehr Tempo auf dem Kasten gehabt.
Elias atmete auf und sagte lachend: «Das ist ja mal noch gut gegangen. Ich würde sagen, Glück im Unglück!» «Was ist eigentlich in dich gefahren? Hast du sie noch alle?», fragte David seinen Freund. Verwirrt drehte darauf Elias seinen Kopf zu David und fragte unsicher: «Was hast du denn? Das war doch gerade mehr als abenteuerlich!» «Nein, war es nicht! Du hast gerade einen Menschen getötet, schon wieder!», antwortete David wütend und fast schon ängstlich, da er wirklich langsam Angst vor seinem merkwürdigen Freund bekam. Ausserdem war er sich sicher, dass Elias diesen einen Mann totgefahren hatte, so laut, wie das krachte.
Doch dann blickte David vorsichtig in den Rückspiegel und sah, wie sich der Mann im schwarzen Anzug wieder aufrappelte. Langsam, mit Mühe und, so wie es aussah, mit viel Schmerzen, aber er stand wieder auf und begab sich zu seinen Kollegen, welche bei der Strasse auf ihn warteten. Mit wütendem und schmerzverzerrtem Gesicht hielt er sein Bein, während er seinen Weg zu der Gruppe fortsetzte. Es sah wirklich nicht gerade angenehm aus. «Siehst du? Dem geht’s gut!», sagte Elias laut, mit etwas Erleichterung in seiner Stimme. Ein, zweimal schluckte er leer. Elias war sich wohl doch nicht hundertprozentig sicher, dass er den Mann nicht umgebracht hatte.
Genau wie es David vermutet hatte, handelte es sich bei der Gruppe von Anzugsmännern nicht um gewöhnliche Bänker oder Versicherungsverkäufer, wie er einer war. Sie trugen rote Krawatten und Sonnenbrillen und keine besondere Marke, die auf ein spezifisches Unternehmen hingewiesen hätte, wo die Männer tätig waren. Elias bemerkte Davids besorgten Blick, kurbelte hastig das Fenster runter und streckte seinen auffällig blonden Kopf hinaus. Wahrscheinlich um nachzusehen, ob es sich wirklich um die Typen handelte, die er vermutete. Eine kurze Stille trat ein. David konnte schon fast schwören, dass sein Freund zwei Stunden seinen Kopf aus dem Taxi hinausstreckte. Innerlich betete er, dass sie keine Feuerwaffen dabeihatten.
Keiner rührte sich. Weder Elias, noch die Gruppe von Anzugsmännern. Das brachte David beinahe zum Ausflippen. Sicher in ihrem Taxi sitzend, standen sie da auf dieser grünen Wiese, vor ihnen der Abgrund, welcher direkt in den stark fliessenden Fluss führte und hinter ihnen Männer in Anzügen, von denen David langsam glaubte, sie seien Teil irgendeiner Mafia gewesen. David konnte sich das gut vorstellen, nach den Geschichten über diesen Stadtteil, in dem er leider auch noch tagtäglich zur Arbeit musste. Immer noch standen sie da, keiner der Gruppe, keiner von ihnen, wagte sich, nur eine kleine Bewegung zu machen. «Schau der eine ruft gerade jemanden an», sagte Elias plötzlich, welcher seinen Kopf immer noch nach draussen gestreckt hielt. «Verdammt, zieh deinen Kopf wieder hinein!», schrie David seinen Freund an und zog ihn gewaltsam zurück auf seinen Sitz. Er hatte nämlich keine Lust, dass Elias ein Ohr abgeschossen wurde, nur wegen seines Übermutes, welchen er an diesem Tag aufs Neue bewies.
Im Rückspiegel des Taxis bemerkte David, dass einer der Typen tatsächlich ein Telefon am Ohr hatte. Wild gestikulierend, schien er mit jemandem zu sprechen. Eine kurze Zeit später nahm er dann das Gerät wieder vom Ohr und verstaute es in seiner Manteltasche. Die Gruppe von Männer starrten das Taxi noch einmal musternd an. So, als hätten sie gerade einen Plan geschmiedet. Darauf lachten sie und setzten ihren Weg fort, worauf sie auch schon bald verschwanden. David bewegte seinen Kopf zu Elias, welcher einen ziemlich erleichterten Ausdruck im Gesicht hatte. David aber war alles andere als erleichtert. Diese merkwürdigen Typen hörten einfach nicht auf, David zu verfolgen und Elias wusste nichts Besseres zu tun, als einer von denen anzufahren.
Als hätte Elias Gedanken lesen können, antwortete er: «Ich weiss, seit gestern ist bei dir die Hölle los. Es war echt dumm von mir, das zu tun, ich wollte doch nur, dass du ein wenig aus dir herauskommst und mal Spass hast. Du bist sonst immer so verkrampft, du hast mir schon richtig leidgetan!» «Ich, verkrampft? Du kennst mich seit gestern Nacht und behauptest solche Dinge von mir?», fragte David noch wütender. Wie konnte dieser komische Vogel denn nur denken, David sei verkrampft? Gut, das Gegenteil davon war er bestimmt auch nicht, das war ihm vollkommen bewusst. Aber es gab weitaus schlimmere Leute, wenn er mal an all die aus seinem Büro dachte, abgesehen von Martin.
Elias sagte nichts mehr. Entweder konnte er nichts mehr sagen oder er wollte ganz einfach nicht. Vermutlich eine Mischung aus beidem, wie David annahm. Erneut kehrte Stille ein. Unbequeme Stille, die sich Minute für Minute anfühlte, als wären nicht mal zwei Sekunden vergangen. Beide waren wütend, aufgebracht und standen zudem unter einem heftigen Adrenalinschock. «Ich glaube es wird Zeit, dass ich dir etwas erkläre», begann Elias.
«Ach was, bist du auch schon darauf gekommen?», fragte David sarkastisch. «Aber ich glaube trotzdem, dass du noch nicht bereit dazu bist», beendete Elias die Worte, die er eigentlich sagen wollte. David starrte ihn lange an. Sein enttäuschter und wütender Blick durchbohrte seinen Kumpel förmlich. David wollte um jeden Preis wissen, was hier vorging. Seit gestern wurde er von Anzugsmännern verfolgt und der Einzige, der einigermassen wusste, was vor sich ging und David bei der Sache am besten helfen konnte, sass neben ihm. Elias öffnete seinen Mund, um David endlich erläutern zu können, wieso diese merkwürdigen Dinge geschahen. Doch so weit kam er nicht, denn plötzlich erklang ein Motor hinter ihnen auf der Strasse. Der Motor war ziemlich laut, obwohl er von einem Auto auf der Strasse kam. Er ging auch nicht wieder weg, sondern wurde noch lauter und das nicht gerade leise. Elias starrte seinen Kumpel mit immer noch geöffnetem Mund und weit aufgerissenen Augen an. Da ging David ein Licht auf. Das Fahrzeug, von dem dieses immer lauter werdende Geräusch kam, fuhr auf sie zu.
Noch ehe David Elias von seiner Kenntnis Bescheid geben konnte, krachte es und die Rückscheibe zerscherbte in tausende, vielleicht sogar Millionen Einzelteilchen. Daraufhin wurde dem Taxi einen gewaltigen Stoss nach vorne versetzt. Dieser Stoss war so kraftartig, dass David seinen Kopf am Handschuhfach aufschlug und somit den Airbag auslöste. Elias konnte sich mit den Händen am Lenkrad festhalten, wurde aber ebenfalls Opfer seines Airbags, der mit aller Wucht aus der Mitte es Lenkrads herausschoss und ihn mit seinem weissen Mantel bedeckte. Ohne Halt wurde das Fahrzeug über den Rand der Klippe befördert. David versuchte noch irgendwie die Tür zu öffnen, um aus dem abstürzenden Taxi rauszuspringen. Ohne Erfolg, die beiden waren ihrem Schicksal ausgeliefert.
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