Wir spielen Fangen.

Als ich dich vor drei oder vier Jahren kennengelernt habe, hast du die Angelschnur ausgeworfen - und sie enttäuscht wieder aufgerollt, weil ich nicht sofort angebissen habe. Es war einfach zu früh, zu unnatürlich, und du warst damals auch noch in einer Beziehung, wie ich später herausfand.

Die Momente des Angelschnur-Auswerfens haben sich in den Jahren zwischen uns zwei abgewechselt, der Schwimmer hat sich unermüdlich über Wasser gehalten, aber der Fisch hat nie am Köder gezappelt.

Dieses Mal hat's mich erwischt. Spontan aus dem Bauch frage ich dich, ob du mit zum Kaffee kommst, und siehe da, innerhalb fünf Minuten erhalte ich eine positive Antwort. So sitzen wir hier also, schlürfen unseren Cappuccino, reden über Gott und die Welt, und ich schaue in deine gutmütigen Augen, die in der Sonne grün leuchten. Wie aus dem Nichts entscheiden wir, gemeinsam ins Kino zu gehen. Die spannende Handlung des Films lässt mich ein bisschen vergessen, wen ich da neben mir habe. Ich bin gefesselt von den brutalen Szenen im Streifen, und habe deshalb keine Aufmerksamkeit für meinen hübschen Nachbarn übrig. Dies ändert sich allerdings sehr schnell, als wir aus dem dunkeln Raum in die Nacht hinaus treten, und unsere Blicke sich wieder treffen. Deine Augen schimmern nun zartbraun, so vertrauenswürdig, als hätten sie noch nie jemand anderem gehört als mir. Allmählich dämmert es mir, was mit uns geschieht.

Meine Begleitung lässt die Party, an der er sich mit Freunden verabredet hat, sausen, und wir gehen essen. Ich muss die ganze Zeit an die Angelschnur denken. Ist das nun wieder ein Versuch, sie auszuwerfen? Wird der Fisch anbeissen?