Ein Labyrinth aus Fassaden

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Nederlandfreak
Veröffentlicht: 27.07.2017 23:26
Aktualisiert: 28.07.2017 08:46
Kategorie: Dies & Das
Tags: Labyrinth, Fassaden, Meinung
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Kurzbeschrieb:
Seht euch um...

Text

Seht euch um. Egal wo wir hinsehen, egal wo wir uns befinden. Ein Labyrinth aus Fassaden, aus dem es nur schwer zu entkommen scheint.

Es umgibt uns, hält uns gefangen in diesen trostlosen Gängen von Lügen und Fälschungen. Nichts, das wahr ist, kein Entkommen, kein Ausgang aus diesem unüberwindbaren Labyrinth. Und jedes Mal, wenn wir versuchen es zu durchdringen, kommen diese fiesen Fassaden und verdecken uns die Sicht hinaus aus dem Labyrinth. Es ist ein Labyrinth, welches sich immer weiter ausdehnt, alle Menschen in sich hineinsaugt, ohne Halt und ohne Kontrolle.

Ich irre herum in diesem endlosen Labyrinth, suchend nach dem Ausgang, suchend nach der wahren Freiheit. Tief in meinem Innern verharren meine Gedanken. Gedanken, gefangen in diesem Labyrinth. Sie wollen raus, ausbrechen aus diesen engen Gängen des Labyrinths. Meine Gedanken wollen frei sein, sich verkünden und präsentieren. So suche ich verzweifelt nach dem Ausgang aus diesen kahlen, rauen, langweiligen Wänden. Doch immer, wenn ich bereits das Licht des lange gesuchten Ausganges endlich erblicke, überwinden sie mich, diese Fassaden.

Verzweifelt winde ich mich, schlage um mich, versuche die Fassaden abzuschütteln, die mir jeden Tag angelegt werden. Ich verspüre, wie meine Luft abgedrückt wird, sich mein Gesicht und meine Mimik der Fassade anpassen und meine Stimme langsam untergeht. Unmöglich scheint es mir, zu entkommen aus dem Labyrinth, aus dieser Hölle der Unterdrückung. Mit jedem Wort, mit jedem Gedanken, muss ich mich fürchten. Ich muss fürchten, eine Fassade übergestreift zu bekommen. Ich muss fürchten, mich an die anderen Fassaden anpassen zu müssen, mich in das Labyrinth eingliedern zu müssen, wie eine graue, langweilige, schäbige Wand.

Sobald ich mich nur ein wenig dem Labyrinth, der Gesellschaft, wiedersetze, werde ich durch die Gänge gejagt, durch die vielen Fassaden, die anderen Gescheiterten, die sich gezwungen sahen, sich in das Labyrinth anzupassen. Sie alle versuchten, nur einen kleinen Teil beizutragen, etwas zu ändern, anders zu denken. Aber alle, die «falsch» denken, werden so lange durch die Gänge verfolgt, bis sie schlussendlich aufgeben und sich den Fassaden anpassen. Wir alle sind Opfer dieses endlosen Labyrinths, sind Opfer der Fassaden und werden dann selber zu welchen, zu Tätern.

Ich bin es leid, mich ständig anpassen zu müssen, mich von diesen Fassaden Tag für Tag unterdrücken lassen zu müssen. Doch so funktioniert es. Jeder sagt das, was er sollte, das was vom Labyrinth vorgeschrieben wird. Diejenigen, sie dies nicht tun, werden so lange gejagt, bis sie sich eingliedern. Doch diese Fassaden irren sich. Sie sind falsch. Diese Fassaden wollen uns irritieren. Sie sind nicht die Zuflucht vor der Wahrheit. Nein, sie können nichts verändern. Das einzige was sie wollen, ist uns zu manipulieren und uns alle in dieses Labyrinth einzugliedern, bis es sich zur Unendlichkeit ausdehnt.

Die drückende Düsterheit, die klägliche, langweilige Farbe der Fassaden und die verzweifelten Rufe der Gescheiterten, lassen mich wahnsinnig werden. Sie rufen nach der Freiheit, nach Gerechtigkeit. Mit schrillen Tönen schreien sie ihre Meinung hinaus, doch nichts hilft. Sie werden von den Fassaden rechts und links festgehalten. Meine Wut steigt und steigt. Bald werde ich es nicht mehr kontrollieren können, dann werde ich sprechen. Sprechen und schreien, egal ob mich die Fassaden durch ihr Labyrinth jagen.

So reisse ich sie ab, meine Fassade. Frische Luft strömt in meine Nase, gefolgt mit einem süssen Geruch. Der Geruch der Freiheit. Ich zerstöre die Fassade und renne durch die Gänge, bis sie mich schlussendlich wieder einfangen, diese Fassaden.

Kommentare

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Am 03.12.2017, _sunnyloove
Das Labyrinth ist einer der schönsten Metaphern, die es gibt. Das Widersetzen der Gesellschaft, die Ratlosigkeit, wie man sich nur anpassen soll, kommt mir sehr bekannt vor. Schade, dass es immer noch eine so starr denkende Gesellschaft gibt, die nicht aufzutauen mag.
Ich mag den Text! :)
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Am 31.07.2017, Nederlandfreak
Hi Lissan

Zuerst mal vielen Dank für deine Rückmeldung, hat mich wirklich gefreut. :)
Zu deiner Frage: Wie du ja bemerkt hast, ist eigentlich der ganze Text eine Metapher für ein gesellschaftliches Problem unserer Zeit. So richtet sich also dieser Satz eigentlich gegen alle die linken und rechten Politiker und ihre Unterstützer, welche das Gefühl haben, einem ihre Meinung aufdrücken zu müssen. (Was natürlich nicht heisst, dass ich gar keine Ideen der beiden Seite unterstütze, sondern nur die, die für mich "sinnvoll" sind). Ich hoffe, ich konnte das verständlich genug erklären. ;)

Zur anderen Frage: Ja, es ist mit Absicht so, da es ja leider keine Lösung für dieses Problem gibt.

LG Nederlandfreak
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Am 29.07.2017, Lissan
Ups, jetzt ist es gleich zweimal gekommen...
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Am 29.07.2017, Lissan
Hallo Nederlandfreak

Ein Text mit guten Metaphern zu einem allgegenwärtigen Thema hast du geschrieben.

Eine Frage: Was meinst du genau damit, dass die Fassaden sich irren, "nicht die Zuflucht der Wahrheit" sind sowie uns irritieren und manipulieren wollen?

Der Schluss verwirrt mich ein bisschen. Hat die Hauptperson erkannt, dass es kein entkommen gibt, aus diesen Fassaden? Für mich klingt der letzte Satz im Gegensatz zum restlichen Text recht hoffnungslos. Ist das absichtlich so?

Aber alles in allem ein wirklich toller Text, weiter so :)

LG Lissan
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Am 29.07.2017, Lissan
Hallo Nederlandfreak

Ein Text mit guten Metaphern zu einem allgegenwärtigen Thema hast du geschrieben.

Eine Frage: Was meinst du genau damit, dass die Fassaden sich irren, "nicht die Zuflucht der Wahrheit" sind sowie uns irritieren und manipulieren wollen?

Der Schluss verwirrt mich ein bisschen. Hat die Hauptperson erkannt, dass es kein entkommen gibt, aus diesen Fassaden? Für mich klingt der letzte Satz im Gegensatz zum restlichen Text recht hoffnungslos. Ist das absichtlich so?

Aber alles in allem ein wirklich toller Text, weiter so :)

LG Lissan