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cryinglightning
Veröffentlicht: 07.05.2012 21:01
Aktualisiert: 07.05.2012 21:05
Kategorie: Dies & Das
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Kurzbeschrieb:
Ich weiss gar nicht recht, wo ich anfangen soll. Als wir beide angetrunken vor einem Nachtclub standen und uns mit einem idiotischen Lächeln auf dem Gesicht unterhielten, fragte einer meiner oder deiner Freunde, woher wir uns eigentlich kennen würden.

Text

Ich weiss gar nicht recht, wo ich anfangen soll. Als wir beide angetrunken vor einem Nachtclub standen und uns mit einem idiotischen Lächeln auf dem Gesicht unterhielten, fragte einer meiner oder deiner Freunde, woher wir uns eigentlich kennen würden. Ich sagte, ich wisse es nicht, und zu diesem Zeitpunkt stimmte das auch, oder vielleicht war ich einfach zu faul, darüber nachzudenken, oder der Alkohol hatte mein Gehirn ermüdet, wie auch immer. Berechtigt ist die Frage ja schon, und ich weiss immer noch nicht genau, wann das alles überhaupt angefangen hat.

Oder warum.

Ich weiss auch nicht, ob ich dich jetzt kenne, ob ich dich kennen lernen werde oder will, ob du mich kennen willst. Nun bist du jedenfalls da, gewollt oder ungewollt hast du einen Platz in meinem Leben eingenommen und bevor ich es überhaupt gemerkt habe, war es schon zu spät.

Ich erinnere mich, dass ich irgendwann zwischen dem verschwommenen Beginn unserer Bekanntschaft (oder wie auch immer man das nennen will) und dem jetztigen Zeitpunkt realisierte, dass ich mich ohne Probleme in dich verlieben könnte. Ich verliebe mich ohnehin zu oft, zu schnell, für zu lange Zeit, zu intensiv. Zu oft.

Ich wollte mich nicht in dich verlieben und wollte es doch, es war so leicht und naheliegend, es zu tun, und trotzdem wehrte ich mich dagegen. Du warst da, andauernd, und deine Anwesenheit fühlte sich gut an. Das machte die Dinge nicht unbedingt leichter.

Von Zeit zu Zeit habe ich von dir geträumt. Nichts besonderes, du warst einfach da, standest irgendwo herum. Diese Träume waren gute Träume, auch wenn ich mich am nächsten Morgen darüber gewundert habe.

Wir sind an derselben Schule - es ist klar, dass man sich da ab und zu über den Weg läuft. Auch das fühlte sich gut an. Ich wusste, dass du mir mit deinen Blicken gefolgt bist, dass du mich beobachtet hast, dass du ein- oder zweimal mit mir sprechen wolltest, nur Smalltalk natürlich, aber trotzdem frage ich mich, weshalb du es darauf angelegt hast.

Es auf diese Treffen ankommen lassen habe ich früher allerdings nie. Heute tue ich das so ziemlich andauernd. Es fühlt sich nicht länger gut an, es hat seinen Überraschungseffekt verloren. So wie man sich über ein Stück Geld freut, den man am Boden gefunden hat, aber sobald man andauernd danach Ausschau hält, ist die Freude, wenn man doch wieder mal Glück hat, nur noch halb so gross.

Ich fühle mich abhängig, werde nervös, sobald ich nicht weiss, wo du bist; sobald ich deine Blicke nicht auffangen kann. Deine Blicke, von denen ich immer noch nicht verstehe, was du damit sagen willst.

Wenn du keine Freundin hättest, könnte ich mir die Blicke erklären, oder zumindest glaube ich das. Doch dein Beziehungsstatus auf Facebook sagt: In einer Beziehung.

Als damals ein kleines rosa Herzchen auf der Startseite von Facebook auftauchte und mir mitteilte, dass der Junge, mit dem ich ab und zu schrieb und in den ich mich ohne Probleme verlieben könnte, nun eine Freundin hat, fand ich das nicht weiter schlimm.

Heute Mittag setzte ich mich an einen Tisch in der Kantine und du warst am Tisch direkt hinter mir, mit deiner Freundin. Eine Stunde lang dazusitzen und zu wissen, dass du hinter mir sitzt, nur Zentimeter entfernt, und dass du deinen Arm, der meinen Rücken beinahe berührte, um ihre Schultern gelegt hast: Das fühlte sich schlimm an.

Ich bin müde, ich kann mich nicht mehr konzentrieren, weder auf Hausaufgaben noch auf mein Lieblingsbuch, weder auf CSI noch auf Musik von Angus und Julia Stone. Eigentlich sitze ich auch nur am Computer, weil ich gehofft hatte, du würdest mir schreiben; ich wollte dir mal nicht als erstes schreiben und stattdessen abwarten, ob du an mich denken würdest. Wie erwachsen, ich weiss. Ich kann's trotzdem nicht lassen, es tut trotzdem weh, dass du nicht geschrieben hast.

Neben deinem Namen prangte ein kleiner grüner Punkt, ich hätte bloss ein paar Worte schreiben müssen, ein paar Tasten drücken, ein paar Finger bewegen, dann wäre das gute Gefühl von gestern Abend und den Abenden davor zurückgekehrt und ich hätte das Gefühl von heute Mittag vergessen oder zumindest versucht, es zu vergessen.

Ich hab dir nicht geschrieben.

Schlussendlich bewege ich meine Finger doch, sie klicken auf die Maustaste, veranlassen sie, diesen Text zu Ende zu schreiben. Ich will das Ende der Geschichte schreiben. Oder zumindest das Ende, das sie heute genommen hat. Auf einmal hast du es dir anders überlegt, du hast doch geschrieben, beziehungsweise du schreibst. Das Gefühl in meinem Bauch verändert sich ins Gute.

Ich weiss immer noch nicht, was du willst.

Kommentare

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Am 03.09.2013, Natalie
Ich liebe diesen Text. Eine irgendwie alltägliche Situation so wunderbar beschreiben zu können, das ist eine Kunst !
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Am 09.07.2012, Guinevere
Gefällt mir gut! Man kann sich die Figuren anhand der Beschreibung sehr gut vorstellen. Mach weiter so!
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Am 31.05.2012, Blindtexter
Irgendwie so "normal" und trotzdem so berührend. Schön. ****
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Am 15.05.2012, blacklemon
Genial!