Von gemischt zu Champagner (Kapitel 24)

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Nederlandfreak
Veröffentlicht: 31.07.2015 15:05
Aktualisiert: 31.07.2015 15:05
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Mittlerweile hatte sich Fred hingesetzt und starrte seinen Bruder mit erwartungsvoller Miene an. ,,Wer ist er?“, fragte Fred langsam. ,,Wer ist wer?“ ,,Unser Vater, wer ist er?“, setzte Fred erneut an. Mit einem langen Seufzer streckte Karl seine Beine vom Bank weg und begann zu erklären: ,,Du weisst doch, dass gestern euer Boss frühzeitig aus dem Geschäft verschwinden musste, oder?“ Tatsächlich bemerkte Fred am letzten Morgen, dass sein sonst treuer und loyaler Chef einfach so mir nichts, dir nichts aus dem Büro verschwand. Er sagte, so knapp es überhaupt ging, dass er über einen ganzen Monat nach Luxemburg zu einer Champagnermesse fahren müsse. Sein Amt übergab er seinem neuen Stellvertreter, ihm Fred selbst. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich Fred keine weiteren Gedanken gemacht. Schliesslich war er jetzt der Geschäftsführer.

,,Du hast dich sicher schon mal gefragt, weshalb du so gut mit Champagner umgehen kannst. Ich glaube, das liegt in den Genen“, beendete Karl und reichte Fred das Foto aus Majas Wohnung und zeigte neben dran den abgerissen, fehlenden Zettel. Als Fred genauer hinschaute, sah er auf dem Foto direkt seinen Chef vor Augen. Damals hatte Lars noch keine Halbglatze, sondern war schick gekämmt. ,,Ich wuchs bei ihm auf und genauso wie du, hatte ich keinen Schimmer wer meine Mutter war. Auch ich hatte keine Ahnung, dass ich einen Bruder habe.“ Sich das Knie reibend, meldete sich Fred schockiert: ,,Soll das etwa heissen-“,,Was denkst du wohl weshalb ich unbedingt wollte, dass du in dieses Geschäft gehst? Du glaubst du trafst mich per Zufall? Alles taten wir dafür, dich endlich in unsere kleine Familie eingliedern zu können. Aber du warst so ein Sturkopf! Genau wie er.“ ,,Heisst das etwa, du warst gar kein Obdachloser?“ ,,Ich arbeitete in einem grösseren Supermarkt als Geschäftsführer. Wir hatten relativ Glück mit unserem Geschäft und konnten mit unserem grossen Überschuss vielen Hilfsbedürftigen helfen.“

Fred fuhr sich durch seine harten, trockenen Haare. Das alles war eine Lüge. Alles, was Fred in den letzten Monaten erlebte, hätte anders verlaufen können ohne diese bescheuerte Lüge. Als hätte jemand den Pausenknopf getätigt, sassen die beiden ohne weiteres da und starrten ins Leere. Mittlerweile waren Lea und ihr Pfarrer zurück ins Hotel gegangen. Kein Geräusch, nur zwitschernde Vögel, die fröhlich um die Kirche herum flatterten, waren zu hören. Mit einem Ruck stand Fred auf, winkte Karl mit seinen Händen ab und sagte: ,,Ich muss von hier weg!“ In einem schnellen Schritt lief er zur Pforte, öffnete sie und verschwand im Spalt der Tür. ,,Bitte, Fred! Bleib hier! Wo willst du hin?“ Jedes Wort hörte Fred und ignorierte seinen Bruder. So, wie er es die letzten Male auch tat.

Geduckt, so dass keiner  ihn sehen konnte, lief er hinter das Hotel zum Parkplatz und stieg in seinen Wagen. Als er seinen Motor startete und fest auf das Gaspedal drückte, sah er Karl, wie er um die Ecke rannte und ihm als letztes hinterher rief: ,,Du heiratest in zwei Stunden! Vergiss das nicht!“

Schneller als erlaubt, bog Fred in die Hauptstrasse ab. Unbedingt wollte Fred zum Champagnerladen um zu sehen, ob sein Vater eventuell wieder dort war, um vielleicht noch etwas zu holen. Ein paar Mal hupte Fred, raste bei Rot über die Ampel und fuhr in den Parkplatz vor das schöne Champagnergeschäft. Beim Austeigen löste Fred seine Krawatte, damit ihm nicht zu heiss wurde. Da sah er wie Lars aus dem Geschäft stürmte und hastig an den vielen Autos vorbei lief. ,,Lars! Warte!“, rief Fred ihm zu, ohne Erfolg. Kurz blickte er ihn an, aber lief darauf hin weiter und stieg in seinen Combi. ,,Verdammt, das kann ja wohl nicht wahr sein!“, fluchte Fred. Ohne gross nachzudenken, stieg er erneut in seinen Wagen und raste um die Ecke, seinem Vater hinterher.

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