Täuschung, Wahrheit oder Manipulation?!?

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Lily
Veröffentlicht: 12.04.2015 12:14
Aktualisiert: 12.04.2015 12:14
Kategorie: Humor
Tags: Party, Alkohol, Manipulation
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Kurzbeschrieb:
Marlene und ihr kleiner Bruder Sam entdecken, dass Bilder nicht immer nur die Wahrheit sagen...

Text

Die bunten Bilder des vergangenen Wochenendes leuchteten Marlene aus der Zeitung entgegen. Nur wegen der Seite von tillate hatte sie die Zeitung überhaupt aufgeschlagen. Sie schaute sich die lachenden Gesichter ihrer Freunde, Bekannten und auch von Unbekannten an.

„Ganz oben rechts, das sind doch Madlaina und Emma. Was haben die bloss in Chur gemacht? Oh, Lorenz bei seinem ersten Stiefel, sieht ja richtig professionell aus. Wenn die wüssten, wie nass er danach geworden ist, weil er ihn verkehrt gehalten hat! Schade hat den Augenblick niemand festgehalten. Und dort das grosse Bild in der Mitte zeigt Lisa und Rebecca. Rebecca lacht ja sogar, dabei hatte sie solchen Liebeskummer. Hehe, Katherina mit diesem alten Typen, dort, in der untersten Reihe. Mann, das sah ja aus, als wären die ein Paar. Dabei kennen sie sich nicht mal. Und der Junge, der dort so zügig sein Glas leert ist doch mein kleiner Bruder Stefan. Er hatte den ganzen Abend nur diesen einen Wodka mit Redbull, aber hier sieht es ja tatsächlich aus, als wäre er der Obertrinker! Oje, wenn das die Eltern sehen, dann ist die Hölle los!“, dachte sie.

Schnell riss sie die Seite aus, faltete sie und steckte sie in die hintere Hosentasche.

Dabei fiel ihr Blick auf die nächste Seite der Zeitung, die mit den Kurznachrichten. Eigentlich schaute sie die nie an.

Es kotzte sie einfach an, das ewige Gemeckere, das Schwarzsehen und die tausend schlechten Nachrichten jeden Tag. Darüber wollte sie sich nicht den Kopf zerbrechen. Sie wollte ihr Leben geniessen, einfach nur chillen. Die Zeitung störte dabei doch bloss.

Doch nun fiel ihr Blick auf die Überschriften: „Brutale Ausschreitungen nach einer Party“ hiess es da ganz gross. Weiter unten: „Der Alkoholkonsum der Jugend nimmt weiter zu“ und „Junge Frau schlägt Vergewaltiger bewusstlos“.

Sie brauchte nur kurz zu überlegen, dann riss sie auch diese Seite heraus. Sie knüllte sie zusammen und steckte den kleinen Papierball in die Hosentasche bei ihrem Knie. Zum ersten Mal war sie froh über diese „Taschenmode“,  wie sie sie nannte. Solche Nachrichten gefährdeten den Haussegen. Schnell blätterte sie die restliche Zeitung durch, befasste sich mit den Grossüberschriften der Regionalnachrichten („Gemeinderatswahlen am Donnerstag“, „Bundesrätin herzlich empfangen“ und „BHV feiert 50-jähriges Jubiläum“) und legte dann die Zeitung weg.

Verschlafen torkelte jetzt Stefan in die Küche, setzte sich an seinen Platz und schnappte sich die Zeitung. „Was hast’n du mit der Zeitung gemacht?“ fragte er, als er die ausgerissenen Seiten sah. „Och, da war bloss ein interessanter Artikel drin“ schwindelte sie. „Glaubst du ja selber nicht, du und Zeitung…“ gähnte Stefan und widmete sich seinem Müsli.

„Übrigens Stefan, da hat’s Post von der Schule!“ „Was? Gib her! Das ist bestimmt der Verweis wegen Alkoholkonsum auf dem Schulgelände. Dabei hab ich doch wirklich nichts getan, ich hab doch bloss die leeren Bierflaschen eingesammelt!“ jammerte Stefan. „Wenn Papa das sieht…“ ängstlich schaute sie der kleine Bruder an, gar nicht mehr so cool wie am Samstag.

Da hörten sie die Schritte der Eltern im Flur. Mit einer schnellen Handbewegung riss Marlene Stefan den Brief aus der Hand, den er immer noch voller Furcht anstarrte, und stopfte ihn in die verbleibende Hosentasche.

Da rief schon die Mutter: „Stefan, musst du denn auch immer so trödeln? Dein Bus fährt ab!“ Stefan sprang auf, schnappte sich seinen Rucksack und rannte aus dem Haus. Sie stand langsam auf, räumte das Geschirr in den Geschirrspüler und deckte den Tisch neu. Sie stand auf, packte ihre Sachen zusammen und gab ihren Eltern einen Kuss, bevor sie sich auf den Weg zur Arbeit machte.

Im Bus merkte sie erstmals, dass die ganzen Zettel in der Hose unangenehm waren. Sie nahm den Zeitungsseitenball aus der Knietasche, glättete ihn und fing an zu lesen. „Brutale Ausschreitungen nach einer Party –  In Sedrun kam es nach einer privaten Party in der Disco vom Hotel Oberalp zu brutalen Ausschreitungen unter den geladenen Gästen. Um 4:12 rief der Hotelportier die Polizei an, weil er laute Schreie und Gerumpel aus der unterirdischen Disco vernahm. Die Polizei konnte die stark alkoholisierten Kämpfenden trennen und nahm 20 Jugendliche im Alter von 15 bis 22 Jahre vorübergehen fest. Der Grund für die Ausschreitungen ist bislang unbekannt. Nach Aussagen der Polizei kam es zu mehreren leichten bis mittelschweren Verletzungen, ein junger Mann wurde schwer verletzt. „

Diese Party, das war genau jene Party, an der sie und ihr Bruder den Samstag verbracht hatten. Um halb Vier nutzen sie die Mitfahrgelegenheit bei einem Bekannten, sodass sie die Schlägerei nicht mitbekommen hatten.

„Strub! Wie kann man bloss glückliche Partyfotos gerade vor das brutale Ende derselben Party in die Zeitung setzten?“ dachte sie. Sie nahm ihr Handy zur Hand und schrieb an alle Kollegen, die bei der Party anwesend gewesen waren um herauszufinden, wer der schwer verletzte Junge sein könnte. Hätte sie bloss die Finger von der Zeitung gelassen!

Der Bus hatte sie inzwischen nach Sedrun gebracht.

In der Mittagspause schaute sie auf ihr Handy und wusste nun den Namen des verletzten Jungen. Damian. Der 17-jährige Handballer, der mit Rebecca in die Klasse ging.

Zögernd tastete Marlene mit der Hand nach dem sorgfältig gefalteten Zettel in ihrer hinteren Hosentasche, zog ihn hervor und faltete ihn auf. Sie wollte sich das Bild von Damian anschauen. „Dort, rechts in dem coolen grünen Pulli, das ist er ja. Und er soll schwer verletzt sein? Er soll bei einer Schlägerei mitgemacht haben? Das kann doch einfach nicht sein! Er sieht so sympathisch und lieb aus…“, dachte sie ein bisschen erschrocken.

Der Nachmittag ging schnell vorbei und bald hatte sie Feierabend. Ihr Natel zeigte eine neue Nachricht an. Sie las sie schnell durch und erschrak, diesmal aber richtig fest. „Hast du die Zeitung gelesen? Hast du das von dem Vergewaltiger gesehen? Das war im Fall die Ursina, die den k.o geschlagen hat! Aber er wollte sie bloss vergewaltigen, geschafft hat er es nicht. Zum Glück war sie nahezu nüchtern und er hackevoll! Liebe Grüsse, Lisa.“ Jetzt brauchte sie den Artikel auch nicht mehr zu lesen. Es hatte sie nach dem Schreck heute Morgen noch fast Wunder genommen, wo dieses Unglück wohl passiert war.

Zuhause setzte sie sich an den PC und las ihre Mails durch. Nichts besonderes, hauptsächlich Spam. Doch da war auch eine Mail von Robert dabei. „Na so was, dass der sich meldet?“, dachte sie und klickte auf den Link.  „Das ist ja wohl die Höhe!“ Fassungslos starrte sie auf das Foto, dass sich ihr präsentierte. Da stand ihre Freundin Lisa, von oben bis unten nackt, mitten im Partygetümmel! Marlene fluchte. Sie kannte das Foto, es war vor zwei Monaten von einem Fotografen von tillate in eben jener Disco im Hotel Oberalp aufgenommen worden. Aber Lisa hatte da ein wunderschönes Partykleid angehabt. Robert hatte mit einem Bildbearbeitungsprogramm die Kleider weggeschnitten.

Unter dem Bild konnte sie seinen Kommentar sehen: „Haha, das haben alle gesehen!“.

Ziemlich frustriert setzte sie sich neben Stefan, der sich lang auf das Sofa gelegt hatte und den Fernseher anglotzte. Es lief gerade „Sam“ und das Thema war ausgerechnet der Alkoholkonsum unter Jugendlichen. Fotos von Partys und Saufgelagen schoben sich über den Bildschirm. Stefan schaute interessiert zu und liess sich nicht vertreiben.

Sie gab ihm seinen Brief zurück, den sie den ganzen Tag mit sich herumgetragen hatte und sagte: „Am besten gibst du ihn nachher Mama und erklärst ihr alles. Unterschreiben muss sie sowieso.“

Vor Schreck liess Stefan sein Cola fallen. Von der Unterschrift hatte er nichts gewusst.

Die Cola lief in mehreren Bächen von Marlenes Hose runter auf den Boden. Sie schickte Stefan einen Lappen holen, zog im Bad die Hose aus und warf sie auf den Deckel des Wäschekorbs. Zum Aufmachen war sie zu faul. Gerade fiel ihr noch ein, dass sie das ganze Papier rausnehmen sollte, als der Vater zum Abendessen rief. Doch bevor sie anfingen zeigte er ihnen ein Zeitungsbild. Darauf sahen sie einen Soldaten, der gefesselt vor anderen Soldaten auf dem Boden kniet und von jemandem auf der linken Seite Wasser bekommt. Dann zeigte der Vater ein zweites Bild, auf dem der gleiche Soldat vor den gleichen Soldaten auf dem Boden kniet und dem jemand von der rechten Seite ein Gewehr an die Schläfe drückt. Und dann zeigte er ihnen ein drittes Bild, das beide Szenen vereint zeigt.

„Na Kinder, was sagt euch das?“ fragte der Vater. „Manipulation!“, rief ihr Bruder aufgeregt, „Wegen genau so was habe ich einen Verweis bekommen, Papa! Ein Klassenkamerad hat mich bei der letzten Klassenparty fotografiert, als ich die Bierflaschen aufgehoben hab. Das Foto hat der Klassenlehrer in die Finger gekriegt und dann hiess es plötzlich das Foto sei ein Beweis dafür, dass ich Alkohol getrunken habe!“

Wenigstens diese Sache war heraus. Aber Marlene hatte nun endgültig genug von Zeitungen und Fotos!

Kommentare

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Am 19.04.2015, Cleo1
Ich kann nederlandfreak nur Recht geben :-)
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Am 12.04.2015, Nederlandfreak
Eine sehr interessante Geschichte! Das Thema hast du gut gewählt. Mal etwas anderes, das ist toll! Bin gespannt wie es weiter geht! :)