Gefährliche Schwesternliebe (5. Kapitel)

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~Fallen Angel~
Veröffentlicht: 06.04.2015 19:19
Aktualisiert: 06.04.2015 19:19
Kategorie: Krimi
Tags: Zwillinge, Mord, Verrat
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Text

5. Kapitel
„Geht’s?“ Hektisch sprang meine Mom vor mir hin und her. „Mom!“, fauchte ich unwirsch und funkelte sie wütend an. „Ich kann alleine gehen!“ Zögernd öffnete meine Mutter die Tür und ließ mich ein. Wortlos betrat ich das Haus und zog mich sofort in mein Zimmer zurück. „Cecilia?“, flüsterte ich, als mich dort aufs Bett warf. Ich spürte einen leichten Handgriff an meiner Schulter und eine angenehme Wärme durchströmte mich. Ich setzte mich auf und blickte in die sanften Gesichtszüge meiner geliebten Schwester. „Ja?“, wisperte sie. Ihre Stimme klang weich und liebevoll, wie die einer Mutter. Aber es lag eine gewisse Schärfe darin, die ich nicht deuten konnte. Ihre fast durchsichtigen Haare fielen ihr auf der linken Seite ins Gesicht, während sie mich milde anlächelte. Als sie noch lebte, fühlte ich mich ihr nie so nah, wie es jetzt war. Obwohl wir getrennt waren zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten, waren wir uns näher als eh und je. Ich streckte meine Fingerspitzen aus und ließ sie über den Flaum der Bettdecke gleiten, wo eigentlich Cecilias Bein läge. Meine Hand fiel einfach hindurch, ohne jedes Anzeichen, dass auf diesem Fleck jemand saß. Ich sah wieder zu ihr auf und murmelte: „Kanntest du deinen Mörder eigentlich? War er ein Fremder, oder Bekannter?“ Ich sah wie sich die Stirn meiner Schwester in Falten legten und sie anstrengt die Augen nach oben drehte. Wahrscheinlich suchte sie gerade die Bilder von diesem grausamen Abend, die ihr Gehirn für immer gespeichert hatte. „Er kam mir schon bekannt vor“, hauchte sie plötzlich und ihr Blick durchbohrte mich. Im Ernst! Ich spürte förmlich wie sich Löcher durch meine Haut an der Schulter bildeten und langsam das Fleisch aufschnitt um tiefer in meinen Körper zu gelangen. „Kannst du das bitte lassen?“ Ich schreckte hoch als sich mein Mund von selbst öffnete und die Wörter nur so aus mir herausprudelten. „Was?“ Verwirrt legte Cecilia den Kopf schief und sah mich weiter mit ernster Miene an. „Mich so anzusehen. Das macht mich ganz verrückt“, zischte ich und wandte meinen Blick erst ihr zu, als sie ihren Kopf gesenkt hatte. Meine Augen suchten einen Blickkontakt mit den ihren, doch sie hielt sie gefangen. Hinter ihrer schleierhaften Fassade. „Cecilia …“, hob ich zögernd an. Ich hatte meinen Blick gesenkt und als ich meine Augen nach oben wandern ließ, war der Platzt vor mir leer. „Miststück!“, knurrte ich wütend und ließ mich ins Kissen zurück fallen. Nachdenklich betrachtete ich meinen Fuß. Wie war es nochmal zu dem Unfall gekommen? Ach ja … Amelie meinte ich sei total verrückt geworden und schien benebelt zu sein. Ich war wie eine, die unter Drogen stand. Aber warum? Wie hatte ich Drogen zu mir genommen, oder Amelie? Auch bei ihr war eine Überdosis festgestellt worden, nachdem sie so ausgeflippt war. Irgendjemand will uns zum Schweigen bringen und mich beschleicht das ungute Gefühl, das Cecilias Tod was damit zu tun haben könnte…

 

"Und? Wie fühlst du dich?" Ich warf Brielle einen misstrauischen Blick zu. Sie stand unschlüssig in meiner Zimmertür und beobachtete mich verstohlen. "Wieso willst du das wissen?!", giftete ich sie an. Ich ließ die Flasche, die ich gerade an meine Lippen gesetzt hatte, wieder sinken und musterte sie aufmerksam. Brielle ignorierte meine Frage und setzte sich schließlich neben mich aufs Bett. Ich funkelte sie wütend an und rückte demonstrativ von ihr weg. "Warum trinkst du nicht?" Brielle deutete mit einem Nicken auf den Eistee in meinen Händen und schenkte mir ein warmes Lächeln.
Verflixt nochmal! Was war mit diesem Mädchen los? Noch vor 5 Tagen hatte sie mir eiskalt ins Gesicht gesagt, dass der Tod meiner Schwester gut wäre und jetzt? Sie spielt sich wie die kleine, süße Freundin auf. Sie kam mir schon komisch vor als sie mit diesem breiten Grinsen vor meiner Haustür stand. Eine Eistee Flasche in der rechten Hand und selbst gebackene Plätzchen in der linken. Das war nicht die Brielle die ich vor 3 Jahren kennen gelernt hatte. Noch nie hatte sie mich so verwöhnt!
"Nele? Ist dir schwindelig?" Brielle sprang auf die Beine und sah mich besorgt an. Täusche ich mich oder blitze gerade etwas Spöttisches in ihren Augen auf? Und hatte ihr Mundwinkel nicht gerade amüsiert nach oben gezuckt? "Mir geht’s gut", meinte ich abwehrend. "Was willst du eigentlich von mir?"
Übertrieben geschockt riss Brielle die Augen an und starrte mich sprachlos an. "Ich will mich bloß versichern, dass er dir gut geht. Schließlich bist du meine Freundin!", flötete sie. "Wir waren Freundinnen. Und jetzt zieh Leine!", knurrte ich grimmig und öffnete schwungvoll die Tür. Fassungslos stand sie da. Ja, sie wirkte schon fast zerbrechlich, als sie mich mit feuchten Augen ansah. "Ach bitte!", zischte ich. "Spar dir die billige Nummer!" Brielle schüttelte kurz wie benommen den Kopf, ehe sich wieder dieses höhnische Grinsen auf ihrem Gesicht breit machte. "Halt dich lieber von Dylan fern", meinte sie, während sie auf die Tür zu Schritt. Wie ein Model schwang sie dabei ihre Hüfte hin und her und hielt mich mit ihrem eisernen Blick gefangen. "Mit Mädchen wie dir, spielt er nur" Sie warf anmutig den Kopf in den Nacken und stieß ein spöttisches Lachen aus. Warum musste Brielle einfach immer gut aussehen, egal was sie tat? Ich ballte wütend meine Hände zu Fäusten und schluckte. Meine Zunge fühlte sich dick und schwer an und ich konnte kaum sprechen. Verdammt! Seit wann bin ich so sensibel? Normalerweise würde ich jetzt Brielle eine Beleidigung nach der anderen um die Ohren knallen, aber ich brachte kaum ein Wort über meine Lippen. Mir wurde heiß und kalt zu gleich und ich spürte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat. Brielle stand immer noch triumphierend grinsend in der Tür. Klar, sie wusste, dass sie dieses Mal gewonnen hatte. "Verzieh dich", schrie ich.
Erschrocken schlug ich mir mit der Hand an den Mund. War das gerade meine Stimme gewesen? Sie klang so zittrig und schrill. Wie eines der Opfer aus einem Horrorfilm, wenn es um ihr Leben kämpfte.
"Warum den auf einmal so kleinlaut, Bitch?" Brielle hatte ihre wilde Mähne zurück geworfen und ihre blauen Augen funkelten mich herausfordernd an. "Ich wusste gar nicht, dass du seit neustem auch so eine kleine, miese Schlampe wie Cecilia bist. Wusstest du, dass sie es mit jedem getrieben hat?" Das hat gesessen! Ich verharrte in meiner jetzigen Position und drehte langsam den Kopf, um Brielle genau in ihre Augen zu starren. "Cecilia war keine Schlampe!", hauchte ich kaum hörbar. "Rede lauter du Flittchen!", zischte meine Gegenspielerin und stütze ihren Arm in ihre Hüfte. "Wusstest du nichts von ihren dreckigen Spielchen?!" Mein Mund wurde trocken, wie mein Hals. Ich verspürte den Drang, mir etwas Kühles in die Lunge zu schütten. "Sei still!" brüllte ich plötzlich. Ich machte einen drohenden Schritt auf meine ehemalige Freundin zu und packte sie grob an der Schulter. Ich schüttelte sie heftig hin und her und schrie sie dabei immer wieder an. "Nimm das sofort zurück! Sag, dass Cecilia keine Schlampe war!"
"Lass mich los!", zischte Brielle. Verächtlich stieß sie mich zurück und wischte ihre Hände an ihrem Top ab. Lächerlich! Sie benahm sich als ob ich eine ansteckende Krankheit hätte! "Ich kann nichts zurücknehmen, was wahr ist!", fuhr sie unbeeindruckt fort und sah mich höhnisch an. "Aber was soll man erwarten? Wie konnte Cecilia denn ein anständiges Mädchen sein, wenn selbst die Mutter..." Das reicht! Mir dröhnte der Kopf und das Blut in meinen Ohren pochte laut. Ich sah nur noch verschwommen und meine Hände krampften sich zusammen. Ich schoss vor und rammte Brielle mein Knie in den Bauch. Sie ging schreiend zu Boden und krümmte sich dort voller Schmerz. "Bist du Irre?", jammerte sie und umschlang ihren Bauch.
Erschrocken wich ich von ihr zurück. Hatte dich das wirklich ich getan? Fassungslos starrte ich auf sie hinab und sank dann selber weinend an der Wand entlang nach unten. "Es tut mir leid", schluchzte ich. Das war gelogen. Natürlich tat es mir nicht Leid. Sie hatte es ja auch nicht anderes verdient! Wie konnte sie es nur wagen, Cecilia als Schlampe zu bezeichnen? Sie war ein sehr braves und normales Mädchen gewesen.
Ich knirschte laut hörbar mit den Zähnen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. "Geh jetzt", murmelte ich durch meine Handflächen hindurch. Langsam rappelte sich Brielle auf und hielt sich immer noch, mit schmerzverzehrtem Gesicht, den Bauch. "Schlampen-Familie!", brummte sie provozierten und eilte die Treppen hinab. Wenige Minuten später hörte ich, wie die Tür geräuschvoll ins Schloss fiel.
Ich kämpfte mich zurück in mein Zimmer und ließ mich erschöpft aufs Bett fallen. "Cecilia... Es stimmt nicht was sie sagt, nicht wahr?", wisperte ich mit geschlossenen Augen. Ich lauschte angestrengt, in der Hoffnung ihre süße, weiche Stimme zu vernehmen, die ein klares 'Nein' flüstert. Aber es blieb still. Nur das Surren meines Laptops hallte durch das Haus. Ich drehte mich schluchzend auf meinen Bauch und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich vergrub meinen Kopf im Kissen und versuchte, nicht laut los zu heulen.
Ich musste stark bleiben! Cecilias Mörder war noch nicht gefunden und ich bin die Einzige, die es schaffen würde, ihn zu schnappen. Ich blickte auf den Eistee hinab, der am Rande meines Bettes stand. Warum war Brielle eigentlich so wild darauf gewesen, das ich ihn trinke? Und warum hatte sie versucht, so freundlich zu sein? Misstrauisch betrachtete ich die gold-gelbe Flüssigkeit und führte das Gefäß langsam an meinen Mund. Ich zog scharf die Luft ein. Roch normal ... Ob ich es kosten sollte? Zögernd betrachtete ich den Eistee. Ich schraubte den Verschluss wieder zu. Ich traue Brielle alles zu, deshalb will ich nichts riskieren. Ich zückte mein Handy und wählte Amelie's Nummer.

 

"Und? Ist er positiv oder negativ?" Ich hörte Amelies Nervosität aus ihrer Stimme und fühlte mich noch unwohler als vorher. Ich stellte die Eistee Flasche ab und starrte auf den Teststreifen, den Amelie und ich uns aus der Apotheke besorgt hatten. Meine Hände zitterten und ich biss mir ungeduldig auf die Unterlippe. "Positiv...!", wisperte ich fassungslos und ließ den Streifen fallen. "Was?!" Erschrocken fasste meine beste Freundin nach dem kleinen Stück Papier - ich denke halt, dass es Papier ist - und schleuderte es sogleich wieder von sich. "Dieses Miststück!", fluchte sie und starrte ins Leere. "Was hat sie davon, wenn sie dich unter Drogen setzt?" Ich zuckte ratlos mit den Schultern. "Fakt ist, sie hat schon mehrmals versucht mich mit einer Überdosis umzubringen" Irritiert blickte Amelie mich an. "Mehrmals?" Ich nahm die Flasche in meine Hand und betrachtete die verseuchte Flüssigkeit. "Ja, weißt du nicht mehr? Im Krankenhaus haben sie bei mir eine Überdosis festgestellt. Und die Cola die ich dir gegeben habe, hat mir auch vorher Brielle vorbeigebracht." Amelie riss die Augen auf. "Sie wollte dich ermorden hätte beinahe mich erwischt?", fragte sie ungläubig und schüttelte fassungslos den Kopf. "Aber was hätte sie von deinem Tod?" Ich zuckte wieder mit den Schultern und blickte sie nachdenklich an. "Fragen wir sie doch", schlug ich vor.

Amelie sah mich spöttisch an und meinte: "Ja, sicher doch! Weißt du, ich frag sie auch immer, ob sie mich umbringen will" Ihre Stimme triefte nur so vor Ironie und ich verdrehte beleidigt die Augen. "Ich hatte ja wenigstens eine Idee!"
Ich beobachtete wie Amelie nachdenklich an ihrer Unterlippe herum kaute. Keine Frage, sie heckt einen Plan aus. "Vielleicht kommen wir über Dylan an sie ran" Sie warf mir einen Blick zu: "Was meinst du?" Ich wiegte etwas verwirrt den Kopf hin und her. Dylan? Wer war das nochmal. Der Name ließ ein Echo in mir erklingen, was immer wieder in meinem Gehör wiederhallte. Diese fünf Buchstaben lösten ein Kribbeln in mir aus, was ich nicht deuten konnte.
"Brielles Bruder" Amelies Stimme riss mich zurück in die Wirklichkeit. "Hä?", ich sah sie etwas abwesend an. "Dylan. Er ist Brielles Bruder", wiederholte meine Freundin ihre Wörter. Dabei betonte sie jeden Buchstaben sehr deutlich und sprach extrem langsam. Ich warf ihr einen genervten Blick zu. "Ach der", meinte ich dann. "Und wie stellst du dir das vor?" 
Ein Grinsen huschte über Amelies Gesicht als sie mich musterte: „Schon mal was von flirten gehört?“, kicherte sie. Ich verzog angewidert das Gesicht und rümpfte die Nase. Ich hab zwar echt nichts gegen Dylan, aber er trifft nicht wirklich meinen Geschmack. Außerdem war er Brielles Bruder, was ihm noch ein Minus gab.  „Du wickelst ihn um deinen Finger! Halt mich aus der Sache raus“, meinte ich bestimmend und schüttelte mich angeekelt. „Ich soll dich da raushalten? Genau wegen dir will ich das überhaupt erst machen! Außerdem ist es dein Arsch, den wir hier retten wollen. Du machst das ganz bestimmt selber!“
Ich ließ meine Gedanken wieder zu Dylan hinüber wandern. Seine funkelnden Augen und sein dunkelbraunes Haar. Mir lief ein angenehmer Schauer über den Rücken, als ich mir das Gesamtbild von ihm vorstellte. Warum war er nochmal nicht mein Typ? Er hatte so ziemlich alles an sich, was ich bei Jungs so schätze. Ein charmantes, aber nicht machomäßiges Lächeln. Eine freundliche und sympathische Art. Konnte ich überhaupt etwas Negatives an ihm finden? Ich linste zu Amelie hinüber. „Okay“, murmelte ich unsicher. „Ich mach es.“ Begeistert schlug meine Freundin ihre Handflächen gegeneinander und grinste mich an. „Dann besuch ihn gleich mal“, höhnte sie kichernd. Ich packte sie an den Schultern. „Übertreib es nicht“, warnte ich sie und versuchte ernst zu bleiben. Doch ich konnte Amelie nicht täuschen. Sie sah das belustigte Funkeln in meinen Augen und erkannte mein Spielchen sofort. „Ich und übertreiben?“, fragte sie fassungslos. Sie öffnete erschrocken den Mund und hielt ihre Finger davor. „Wie kannst du nur so etwas von mir denken?“ Wir mussten im selben Moment anfangen zu lachen, als sich unsere amüsierten Blicke trafen.
„Und? Hast du schon einen Plan?“, fragte sie mich grinsend. „Ich brauche keinen Plan“, meinte ich und zwinkerte ihr zu.

 

Meine Finger glitten über die Hauswand und blieben bei der Klingel stehen. Ich zögerte kurz und sah mich unsicher um. „Was willst du eigentlich damit erreichen?“ Ich wirbelte erschrocken herum und sah Cecilia genau  in ihre blauen Augen. „Was meinst du?“, fragte ich sie nach der ersten Schrecksekunde. Lässig lehnte ich mich gegen die Haustür von Brielles und Dylans Wohnung. „Das weißt du genau!“ Meine Schwester sah ziemlich wütend aus. Sie hatte ihre Hände in die Hüfte gestützt und funkelte mich zornig an. „Du willst mit seinen Gefühlen spielen? Ist das dein Ernst, Nele?“, knurrte sie. Ich musterte sie. Falls das was Brielle über sie gesagt hat, stimmte, müsste sie es doch eigentlich wissen, wie es ist, einem Jungen das Herz zu brechen. Also wo ist ihr Problem? „Stimmt es eigentlich, was Brielle gesagt hat?“, wechselte ich unbeeindruckt das Thema. Cecilias Augen verengten sich zu Schlitzten. Auf meine ehemalige beste Freundin war sie noch nie gut zu sprechen gewesen. „Was hat diese Bitch über mich erzählt?“, zischte sie aufgebracht. Ich erhob meine linke Hand und betrachtete meine orange lackierten Fingernägel, als gäbe es nichts Interessanteres auf dieser Welt. Ich bemerkte wie Cecilia ungeduldig mit ihrem Fuß aufstampfte und blickte hoch. Überrascht riss ich die Augen auf, als hätte ich erst jetzt gecheckt, dass wir ja noch ein Gespräch führten. „Nur das du eine Schlampe gewesen bist“, meinte ich beiläufig und starrte ihr in die Augen. Sie wirkte plötzlich extrem nervös und vermied jeglichen Blickkontakt. „Stimmt es?“, fragte ich scharf. Cecilia blickte zu mir auf. „Bleib hier!“, kreischte ich, als ich bemerkte, dass ihre Umrisse langsam verschwammen. Natürlich hörte sie nicht auf mich und in einem Bruchteil der Sekunde, war sie verschwunden. Ich verdrehte nur genervt die Augen. Langsam, aber sicher, ging sie mir tierisch auf die Nerven. Schließlich war ich diejenige, die ihren Mörder finden muss. Sie sollte lieber einfach still und geduldig warten, bis ich es geschafft hatte, anstatt mir ständig zu wiedersprechen. Ich wusste schon, was ich tue. Ich drehte mich wieder zu der Tür um und drückte auf die Klingel. Ein angenehmes Surren erfüllte die Luft und ich musste grinsen. Ich verschränkte meine Arme und kaute ungeduldig auf meiner Lippe herum. Hoffentlich war Brielle nicht zuhause. Ich hatte nicht wirklich Lust darauf, sie nach dieser Aktion erneut zu treffen. Ich hörte wie eilige Schritte über den Flur hallten und im selben Moment, wurde schon die Tür aufgerissen. „Nele? Was machst du denn hier?“ Mrs. Brown, Brielles und Dylans Mutter, stand vor mir und sah überrascht auf mich herab. Sie lehnte sich gegen den Türrahmen und musterte mich abschätzig. „Ich dachte du und Brielle seit keine Freundinnen mehr?“ Ich schnaubte verächtlich und begegnete ihrem Blick. Klar, das würde dieser modischen Hexe wohl passen. Sie konnte mich noch nie leiden, weil ihr meine Einstellung nicht gefiel.
Früher, als Brielle und ich noch unzertrennlich waren, wollte sich mich immer wieder zu Castings mitschleppen, weil sie der Meinung war, das ich gute Chancen für einen Model Job hätte. Nachdem ich sie jedes Mal abgewiesen habe, hielt sie nichtmehr viel von mir. „Ich wollte auch zu Dylan“, erklärte ich und lächelte sie unschuldig an. Sie kniff die Augen zusammen und musterte mich kritisch. Dann nickte sie wiederwillig und trat zur Seite. „Komm“ Ich folgte ihr in den großen Vorraum und hängte meine Jeansjacke an einen der unzähligen Haken. Schnell zog ich meine Stiefel aus und hüpfte die Treppen hinauf. Im Flur angekommen schmückten unzählige Fotos von Brielle den Raum. Ihr keckes Lächeln strahlte von jeder Seite auf mich ein und sie posierte verführerisch. Typisch. Brielle liebte das Modeln und ihre Mutter unterstützte sie dabei kräftig. Ich hielt nach einem Bild von Dylan Ausschau, aber es war, als würde er hier gar nicht wohnen. „Wo ist er denn?“, fragte ich Mrs. Brown und drehte mich zu ihr um. Ich bemerkte, dass mich ihre Adleraugen die ganze Zeit verfolgt hatten.
Sie deutete mit einem knappen Nicken die Treppe hinauf. „Aber bleib nicht zu lang“, warnte sie. „Er lernt gerade“ Mit diesen Worten verschwand sie dann in der Küche und gleich darauf, vernahm ich das Geräusch von einem klirrenden Geschirr.
Ich legte meine Hand auf das Gelände und stieg vorsichtig die Stufen hinauf. Dieses Haus wirkte von innen noch größer, als von außen. Jede Ecke war mit einer Pflanze versehren und jede karge  Stelle an der Wand, mit einem von Brielles Bildern geschmückt. Ich schlich durch den langen Flur. Zu jeder Seite von mir waren große, weiße Türen mit einem goldenen Griff. Mitten an den Türen prangte ihn großen, goldenen Schriften Wörter, wie ‚Badezimmer‘ oder ‚Büro‘
Ich hielt an einer Tür, wo ‚Dylan‘ oben stand und klopfte zaghaft. Jetzt musste ich in die Rolle des schüchtern, zerbrechlichen Mädchens eintauchen. Amelie und ich hatten nämlich reserchiert, Dylan stand auf solche Mädchen. „Hm?“, kam eine brummige Stimme von der anderen Seite. „Hier ist Nele!“, rief ich. Gleich drauf hörte ich, wie ein Stuhl zur Seite geschoben wurde und die Tür aufging. Dylan strahlte mich überrascht, aber freundlich an. „Nele? Was machst du denn hier? Willst du zu mir?“ Ich lächelte ihn schüchtern an und nickte kurz. „Ja, ich hoffe ich störe nicht?“ Ich erhaschte einen kurzen Blick in sein Zimmer. Sämtliche Klamotten lagen auf dem Boden verstreut und seine Bettdecke hing zur Hälfte vom Bett. Aha, also der schlampige Typ. Leider versaute mir diese Erkenntnis meine ganze Flirtlaune, die ich auf dem Weg hier her aufgebaut hatte. Ich zwang mir wieder mein süßes Lächeln auf und sah ihn wieder fragend an.
Er schüttelte den Kopf. „Ne, natürlich nicht. Komm doch rein“ Er trat zur Seite und machte eine einladende Geste, aber sein Zimmer sah anders aus. Ich konnte kaum glauben, dass Mrs. Brown zuließ, das Dylan in diesem kleinen, vermüllten Raum verkorkste. Sie war doch so ein Hygiene-Freak und putzte regelmäßig alle Räume. Sobald Brielle in ihrem Zimmer einen Saft verschüttete, stand diese verrückte Frau bereits in der Tür. Aber anscheinend war sie nur für ihr zukünftiges Model so bereitwillig. Ich trat vorsichtig ein und sah mich kritisch um. „Wo ist eigentlich Brielle?“, fragte ich nebenbei. Ich hatte keinen Bock darauf, dass dieses Miststück vor Dylans Tür lauerte und alles belauschte. „Model-Casting“, antwortete Dylan knapp und deutete auf den Platzt neben ihm auf dem Bett. Ich zögerte und schob die Bettdecke beiseite auf der ein mysteriösen Fleck prangte. Dann ließ ich mich nieder und sah ihn an. „Also, was gibt’s?“, fragt er mich und reibte sich unternehmungslustig die Hände. Ich wusste nicht wieso, aber dieser Anblick zauberte mir ein Grinsen ins Gesicht. „Ich wollte mich eigentlich nur entschuldigen, dass ich dich im Krankenhaus so angefahren habe“, meinte ich mit Unschuldsmiene und wickelte eine Haarsträhne um meinen Finger. „Das mit meiner Schwester macht mich einfach fertig“ Mir stiegen Tränen in die Augen, ich konnte es nicht verhindern aber wenigstens brachte ich so die Rolle des zerbrechlichen Mädchens besser rüber. Schnell wischte ich mir eine salzige Wasserperle von meiner Wange und lächelte ihn schwach an. „Verzeihst du mir?“ Ich bemerkte wie Dylan mich unsicher musterte. Klar, er wusste nicht was er davon halten sollte. Ich musste zugeben, auch mir würde mein Verhalten ziemlich Angst einjagen. Okay, Nele, einen Gang zurückschalten! Du sollst den Jungen nicht verscheuchen sondern ihm schmeicheln! Hast du das Flirten verlernt? Ich schlage mir an den Kopf, aber auch das muss auf Dylan ziemlich verstörend gewirkt haben. Ich lachte nervös. „Sorry, bin heute ziemlich durcheinander“, meinte ich entschuldigend. „Schon okay“, meinte er langsam und lächelte mich verwirrt an. Ich rückte unauffällig etwas näher. Normalerweise würde ich das ganze langsamer angehen lassen, aber ich habe keine Zeit. Die Sommerferien sind bald zu Ende und dann hätte ich nicht die notwendige Zeit, Cecilias Fall zu lösen.
Dylans Augen wanderten zu mir herüber. Misstrauen spiegelte sich darin, als er auf mein Knie blickte, das seinem verdächtig nah gekommen war. Erschrocken zog ich es zurück und kehrte ihm auch meine Schulter zu. Ich rückte ans Ende des Bettes und sah mich wieder im Zimmer um.
„Lass die Spielchen, Nele. Warum bist du hier?“ Dylans Stimme durchdrang mein Ohr und ich fuhr zu ihm herum. „Ich spiele keine Spielchen“, antwortete ich ruhig und lächelte milde. „Warum sollte ich?“ Dylan musterte mich. Wahrscheinlich war er sich nicht sicher, wer da gerade vor ihm saß. Kann ich verstehen, ich erkannte mich selbst auch kaum wieder. „Du bist nicht du“
Ich sprang auf meine Füße und funkelte den Jungen wütend an. „Woher willst du das wissen? Du kennst mich gar nicht!“, schrie ich ihn an. Keine Ahnung warum mich seine Worte so tief verletzt hatten. Es war, als hätte er mir einen Stich mitten ins Herz gegeben. Vielleicht weil das Cecilias Satz war. Immer wenn ich Liebeskummer hatte oder Stress mit Amelie oder Brielle, hatte Cecilia mir gesagt, ich wäre nicht ich. Sie hat auf mich ein geredet und mich gerüttelt, bis ich meine Sorgen vergessen hatte und dafür habe ich sie geliebt. Dafür liebe ich sie immer noch. Es war als würde nur der Klang ihrer Stimme all meine Sorgen vertreiben.
Ich konzentrierte mich wieder auf Dylan. Seine Augen waren weit aufgerissen vor Schreck und seine Miene zeigte mir, dass er meinen plötzlichen Sinneswandel von Süß auf Sauer nichtdeuten konnte. „Ich habe nie behauptet dich zu kennen“, meinte er schließlich betont langsam und ruhig.
„Hat sich aber so angehört!“, fauchte ich ihn zickig an und fegte mit einer blitzschnellen Handbewegung seine Bücher vom Tisch. Mit einem lauten Knall landeten sie am Boden und verstreuten sich um meine Füße.
Wupps. Ein kurzer Blick in Dylans Gesicht verriet mir, das ich zu weit gegangen war. Unsicher wich ich ein paar Schritte zurück. „Sorry!“, murmelte ich zerknirscht und bückte mich sogleich, um seine Horror- und Abenteuergeschichten wieder auf den Schreibtisch zu legen.
Ich vernahm schon die wütenden Schritte von Mrs. Brown auf der Treppe. Scheiße! Scheiße, Scheiße, Scheiße! Warum habe ich diese Nervensäge vergessen? Sie wirft mich sicher hochkantig raus!
Dylan muss wohl meinen verängstigten Blick Richtung Tür gesehen haben, denn er stand auf und drehte den Schlüssel im Schloss. Rechtzeitig! Nicht eine Sekunde später rüttelte seine Mom auch schon an der Türklinke. „Dylan?! Was treibt ihr da drin? Macht Nele Ärger?!“, brüllte sie durch die Wand und hämmerte gegen die Tür. Dylan verdrehte genervt die Augen und grinste mich schief an. Ähm… also ich fand das gar nicht lustig!
„Es ist alles okay. Du kannst wieder gehen!“, meinte er lässig und stützte sich auf seinen Schreibtisch ab. Ich beobachtete ihn eine Weile. Dylan strahlte eine gewisse Sicherheit aus, die nicht nur daran lag, dass er mich nicht seiner abgedrehten Mutter auslieferte. Nein. Diese Ruhe, die ihn selbst nicht verließ wenn es ihm, oder in dem Fall mir, an den Kragen ging. Er versuchte cool und lässig zu bleiben, was ihm auch gelang!
Eine Zeit lang blieb es auf der anderen Seite der Tür still, bis ich ein genervtes Brummen vernahm und erneut die Klinke hinunter gedrückt wurde. „Lasst mich rein! Nele war lang genug da!“, schrie sie wieder und klopfte weiterhin gegen das Holz
Alter! Jetzt ganz im Ernst, was hatte diese Verrückte gegen mich? Ich habe ihr nie etwas getan! Selbst als ich mit Brielle befreundet war, war ich ihr ein Dorn im Auge. Und sie versuchte auch nicht, ihre Ablehnung mir gegenüber zu verstecken. Langsam reichte es!
Ich drehte den Schlüssel im Schloss und gleich darauf stolperte Mrs. Brown ins Zimmer. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass wir die Tür aufsperren würden und landete so jetzt mit einem lauten Schrei auf den Boden. Ich konnte mir ein Lachen echt nicht verkneifen! Wirklich! Ich habe es versuchte, aber sie sah so belämmert aus, als sie völlig irritiert am Boden saß. Mann tat das gut die Tussi mal von oben zu beäugen.
„Sei still!“, zischte sie mich wütend an und hielt Dylan an ihre Hand hin. „Hat dir deine Mutter nicht gelehrt, dass so etwas unhöflich ist?!“ Sie funkelte mich wütend an, während ihr Sohn ihr auf die Füße half.
Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Es wurde wohl Zeit zu verschwinden. „Bye!“, rief ich Dylan zu und verließ eilig das Zimmer.
Ich rannte den Flur entlang. Da! Die Treppe! Meine Zuflucht, wo mich diese alte Schachtel nicht mehr umbringen konnte. Als ich die erste Stufe hinabsprang, vernahm ich auch schon Mrs. Browns wütende Schritte auf dem Flur. „Bleib stehen!“, brüllte sie. Alter? War die Frau jetzt total Irre? Erwartetet sie tatsächlich von mir, dass ich mich von ihr alle Knochen brechen lasse?! Ich sauste zur Garderobe, streifte mir schnell meine Jacke über und packte meine Stiefel.
Mein Herz raste, als ob ich gerade in einem Alptraum wäre. Ich hüpfte barfüßig zur Haustür und riss sie auf. Der kalte Wind schlug mir wie eine Peitsche ins Gesicht, als ich aus der Ausfahrt lief.
Genau in diesem Moment bog ein Auto ein und hupte laut, als ich nicht sofort zurück wich. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf den Beifahrersitzt. Brielle! Wer denn sonst?

Kommentare

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Am 26.04.2015, Cleo1
Ach und ich war auf deiner Webseite. die ist toll
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Am 26.04.2015, Cleo1
Ich kann pfifoltra nur zustimmen ;-)
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Am 07.04.2015, pfifoltra
Das ist richtig packend geschrieben! Es wird überhaupt nicht langweilig, deine Geschichte zu lesen. Bin echt gespannt, wie es weitergeht :)