Gefährliche Schwesternliebe (4. Kapitel)

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~Fallen Angel~
Veröffentlicht: 06.04.2015 19:17
Aktualisiert: 06.04.2015 19:17
Kategorie: Krimi
Tags: Zwillinge, Mord, Verrat
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4. Kapitel

Als ich erwachte saß Amelie an der Bettkante meines Nachtlagers und beobachtete jede kleine Bewegung in meinem Körper. Mein Fuß war vergipst und ich sah fragend auf meine Freundin. „Du hattest einen offenen Bruch. Ich glaube sie behalten dich noch für 2 Tage hier, wenn nicht länger“ Amelie sprang auf die Füße und umrundete mein Krankenbett. In ihren Augen lag Besorgnis als sie über das weiße, harte Material an meinem Fuß strich. Als sie meinem Blick begegnete, zauberte sie ein Lächeln auf ihr Gesicht. Doch sie war keine gute Schauspielerin. Ich erkannte ihre Fassade und entdeckte den traurigen Schimmer in ihren Augen. „Amelie? Was ist los?“ Ich richtete mich auf, doch meine Arme sanken in sich zusammen und ließen mich stöhnend zurück fallen. Ich zupfte an meinem Haargummi, der um mein Handgelenk ruhte und wartete ungeduldig auf ihre Antwort. Amelie tappte unsicher im Zimmer auf und ab und biss sich nervös auf die Unterlippe. Ich sah ihr an, dass ihr das Ganze ziemlich unangenehm war, als sie ihren Mund für diese eine Frage öffnete: „Nele… Nimmst du Drogen?“

Ich schoss hoch. In mir flammte Wut und Verzweiflung zugleich auf. „Wie kommst du den darauf?“, rief ich voller Empörung und fasste nach meinem Glas Wasser, das auf dem Tisch neben meinem Nachtlager stand. Mit einer ruckartigen Bewegung glitt mein Arm nach vorne und der Behälter krachte klirrend zu Boden. Fassungslos starrte Amelie zu ihren Füßen hinab. Ein paar kleine Splitter hatten sich in ihr Bein gebohrt und nach den ersten Schrecksekunden, sank sie schluchzend zu Boden. Sie schlang ihre Arme und ihr verletztes Körperteil und sah mich mit Augen, die mit Tränen des Schmerzes gefüllt waren, an. „Wie soll ich nicht darauf kommen?“, schrie sie und sah mich fest an. Sie bemühte sich meinem Blick Stand zu halten und ihre Stimme zitterte. „Sie haben Substanzen in deinem Blut gefunden! Es war nicht nur der Fuß, Nele! Du bist kollabiert!“ Sie hielt inne und schnappte nach Luft. Die salzigen Tränen rannten ihr nun über die Wangen und sie stieß stoßweise leises Schluchzen aus. „Außerdem der ganze Stress. Ich weiß das es hart für dich war wegen Cecilias…“ Ihre Stimme versagte und sie vergrub ihren Kopf in ihren angewinkelten Knien. Inzwischen hatte sich eine Blutlache und sie gebildet und dieser Moment erinnerte mich an Cecilias Tod, den ich im Traum gesehen hatte. Ich fasste nach einem Gerät und drückte den Knopf. „Hilfe!“, brüllte ich, als ich bemerkte, dass Amelie sich nichtmehr regte. Wenn sie jetzt sterben würde, wäre es meine Schuld gewesen.

Ich saß auf dem Stuhl in meinem Krankenzimmer und trommelte mit meinen Fingerknöcheln eine rhythmische Melodie. Ich summte leise im Kopf mit und hatte meine Augen geschlossen. Ich warf meinen Kopf in den Nacken und verharrte ein paar Minuten in dieser Position, als die Tür aufging. Eine Schwester trat ein und bedeutete mir mit einem Nicken, aufzustehen. Ich ächzte und griff nach meinen Krücken. Ich arbeitete mich mühevoll auf mein gesundes Bein und humpelte hinter der Frau her. Sie führte mich den Gang entlang. Ich zog scharf die Luft ein. Der Geruch von Medikamenten umhüllte die Räume und erzeugte eine beruhigende Atmosphäre. Der Boden war hellgrün mit ein paar dunkleren Sprenkeln darin. Ich stütze mich kurz an der weißen Wand ab und schnappte angestrengt nach Luft, während ich den Flur genau musterte. Meine Finger fassten nach den cremefarbenen Vorhängern und ich ließ die Seide hindurch gleiten. Die Schwester räusperte sich ungeduldig und ich sah auf. Sie stand am Ende des Raums und sah mich argwöhnisch an. Ich setzte meine Krücken vor und sprang weit ausholend mit drei Ansätzen zu ihr. „Ich bin kein Junkie!“, fauchte ich unwirsch als ich bemerkte, dass sie einen Sicherheitsabstand von mir erreichen wollte. „Natürlich nicht!“, bekräftigte sie mich mit einem eifrigen Nicken. Doch ich sah ihr die Lüge an und den Funken Abstößigkeit in ihren Augen. Ich knirschte mit den Zähnen und drängelte mich an ihr vorbei in das Zimmer. Es war ja ganz klar nur ein kleiner ‚Unfall‘, dass ich dabei meine Krücken auf ihrem Zeh ruhen ließ. Ich lächelte ihr unschuldig zu, würgte aber sogleich als sie die Tür schloss. Dann machte ich mich auf den Weg, zu dem Krankenbett. Amelie lag darin. Sie hatte die Augen geschlossen, doch das zucken in ihrem Mundwinkeln verriet mir, dass sie nicht schlief. „Amelie?“ Vorsichtig kam ich näher und setzte mich auf den Hocker, der neben ihrem Bett stand. Sie murrte und drehte sich beleidigt auf die andere Seite. Ich seufzte herzzerreißend und zog einen Schmollmund. Amelie linste zu mir herüber und kicherte leise. „Es tut mir ja leid. Es war nur so verletzend für mich…!“, fing ich an und schlug verzweifelt die Hände vor meinem Kopf zusammen. „Schon okay. Ich hätte dir auch vertrauen sollen“ Meine Freundin lächelte schwach und stütze sich auf ihren Ellbogen auf. Ich zog eine Flasche Cola aus meiner Tasche und reichte sie ihr. „Die hat Brielle vorher vorbeigebracht. Ich schenk sie dir!“ Dankbar nahm Amelie mein Geschenk entgegen und trank gleich einen großen Schluck. Schmatzend wischte sie sich die Tropfen um ihren Mund weg und stellte das Gefäß auf dem Nachtisch ab. Stille breitete sich zwischen und aus und ich kratze mich verlegen am Kopf. Ich bemerkte wie benebelt Amelie auf einmal war. Sie wankte im Sitzt etwas hin und her grinste stumm vor sich hin. „Was ist so lustig?“, erkundigte ich mich und biss mir auf die Lippen. Meine Freundin wandte den Blick zu mir und lachte etwas hysterisch. Sie fiel plötzlich zurück und ihr Gekicher wurde lauter. Sie streckte ihre Hand nach der Cola aus und schraubte ungeschickt den Verschluss ab. Sie öffnete den Mund schüttete sie die halbe Flasche hinein. Viel ging dabei daneben. Fassungslos und verwirrt zugleich beobachtete ich sie dabei. In mir breitete sich ein unangenehmes Kribbeln aus und ich rief sofort nach der Schwester, die sogleich, gefolgt von einem Arzt, herein stürzte. Barsch schob mich die Schwester vor die Tür. Angespannt knabberte ich an meinen Fingernägeln und Tränen traten mir in die Augen. Was war eben mit Amelie los gewesen? „Sie kommt zu mir“, murmelte plötzlich eine Stimme und ich erstarrte. Ich wollte mich nicht umdrehen. Wollte nicht wissen wer da gesprochen hatte, da ich Angst vor der Wahrheit hatte. „Das kannst du nicht wissen!“, presste ich mit zittriger Stimme hervor und mied Cecilias Blick. Ohne auch nur ihre Augen zu betrachten, wusste ich, dass sie mit Trauer und Weisheit gefüllt waren. Mit Mitleid und Liebe. Ich konnte es nicht länger aushalten, ihre liebliche Gestalt nicht wahrzunehmen und wirbelte schließlich herum. Ich wollte ihr in die Arme fallen, meine ganzen Gefühle mit ihr teilen und beten, dass Amelie nicht sterben würde. Doch ich wusste, dass Cecilia nur eine Illusion war, von mir selbst erschaffen. Ich würde ins Leere fallen, sie würde mich nicht auffangen. Ich musterte mit tränenverschmiertem Gesicht meine Schwester und trat näher. „Sag mir Cecilia“, hauchte ich und ein Funken Hoffnung klomm in meinem Herzen auf. „Bist du nur ein Produkt meiner Fantasie, oder bist du wahr?“ Die nebelhafte Gestalt vor mir schwieg und senkte den Blick schuldbewusst zu Boden, wie ich es getan hätte. Die ganze Zeit sprach ich mit mir selber, nur weil ein Teil von mir immer noch in Cecilias Körper schwelgte. Ich spürte eine Hand an meiner Schulter. „Geh weg! Du bist nicht echt!“, schrie ich und entwich dem Griff. „Wie bitte?“ Erschrocken drehte ich mich um als ich eine grummelnde Stimme wahrnahm. Hinter mir stand ein großgebauter Junge, der mir irgendwie bekannt vorkam. „Wer bist du?“, stammelte ich fassungslos und trat noch ein paar Schritte zurück. Der Junge hielt mir seine Hand hin: „Dylan! Ich bin Brielles Bruder!“, stellte er sich fröhlich vor. Tatsächlich hatte er große Ähnlichkeit mit seiner Schwester. Er hatte ebenfalls wie sie, große braune Augen und dunkles Haar, das ihm ins Gesicht fiel. Ein spitzbübisches Grinsen zuckte in seinem Mundwinkel und seine Augen strahlten. „Oh, Entschuldigung.“, murmelte ich peinlich berührt. Meine Haut glühte und ich spürte, wie ich rot wurde. Ich taumelte ein paar Schritte rückwärts und lächelte kläglich. Dylan schenkte mir ein gnädiges Grinsen. „Mein Beileid übrigens“, hauchte er. Ich zuckte sofort zusammen und wischte mir flink über die Augen. „Danke“, flüsterte ich kaum hörbar und drehte mich seitlich weg, damit er meine schwache Haltung nicht wahrnehmen konnte. „Das war jetzt unpassend, oder?“ Dylans Arme ruhten auf meiner Schulter als ich den Kopf wieder hob. „Nein. Schon okay“ Ich entzog mich seiner Berührung. Ich kannte ihn schließlich nicht und mit seiner Schwester verstand ich mich jetzt auch nichtmehr so prima. Auch er wich von mir, als er meine abwehrende Geste richtig deutete. „Tut mir leid“, murmelte er und lächelte mir zu. Ich antwortete nicht, da ein leises Knarren hinter mir verriet, das die Schwester Amelies Krankenzimmer verlassen hatte. Ich wirbelte herum und kam dabei ins Schwanken. Ich wedelte mit den Armen und ließ dabei die Krücken fallen, was mir das Gleichgewicht nahm. Ich kippte nach vorne und stieß einen spitzen Schrei aus. Plötzlich fassten mich Hände um die Taille und ich genoss den kurzen Moment. Genau so hätte mich Cecilia auch aufgefangen. Ich warf meinen Kopf in den Nacken, wollte die strahlenden Augen meiner Schwester sehen und ihr amüsiertes Grinsen. Doch stattdessen blickte ich ihn Dylans Gesicht. „Fass mich nicht an!“, schrie ich und schlug seine Hände weg. Ich lehnte mich gegen die Wand. Wut und Trauer stieg ihn mir auf und verbreitete eine unangenehme Hitze in meinem Körper. Meine Kehle brannte und ich verspürte den Drang, mir etwas Kühles in die Lunge zu schütten. Brielles Bruder wich erschrocken zurück, als hätten meine Worte wie Peitschenschläge auf ihn gewirkt. In seinen Augen stand das blanke Entsetzen. „Ähm.. es tut mir leid!“, stammelte er und blickte verlegen zu der Schwester, die das Geschehen stirnrunzelnd beobachtete. „Nein! Nichts tut dir leid!“ Ich umfasste meine Krücken so stark, dass meine Fingerknöchel hervortraten. “Du bist genauso hinterlistig wie Brielle!“, schleuderte ich ihm unwirsch ins  Gesicht. „Du willst bloß gut dastehen! Und jetzt verschwinde und lege nie wieder Hand an mich!“ Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen schmiss ich meine rechte Krücke nach ihm und verfehlte ihn nur knapp. Ich zuckte zusammen und drehte mich mit einem erstickenden Schrei um, als  ich die Hände der Krankenschwester spürte, die auf meinen Schultern ruhten. „Beruhigen Sie sich! Ich habe Ihnen etwas mitzuteilen“, meinte sie tonlos. Ich hielt inne und sah zu ihr auf. Krampfhaft suchte ich ihre Augen nach Details ab, aber sie waren wie verschlossen. Ließen kein Mitgefühl, keine Trauer hindurch.
„Hat es was mit Amelie zu tun?“, fragte ich mit zittriger Stimme, während ich mit meinen Händen nach etwas suchte, was mir Kraft geben könnte. Mein Herzschlag beruhigte sich langsam als ich Cecilias Anwesenheit spürte. Verzweifelt streckte ich meine Hand nach dem Geist aus, aber keine Wärme durchfuhr meine Haut. Nur eisige Kälte. Ich brach in Tränen aus, sank auf meine Knie und blickte mit leisem Schluchzen zu der Schwester auf. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Erbarmungslos sah sie auf mich herab und streckte mir wortlos die Hand entgegen. Ich wich von ihr zurück. Ich wollte nicht berührt werden, nicht von ihr und auch nicht von Dylan. Von niemanden! Außer von meiner geliebten Schwester. Ich schluchzte leise, als ich an ihre warmen, zarten Hände dachte. Sie hätte mir damit jetzt über den Rücken gestrichen, meine Haarsträhnen nach hinten gehalten und mir ein beruhigendes Wort ins Ohr geflüstert. Sie wusste immer, wie sie mich trösten konnte. Warum konnte sie es jetzt nicht? Sie war doch da! Ich spürte sie doch.
Plötzlich packte mich jemand grob an den Schultern, zog mich hoch und presste mich gegen die Wand. Ich blinzelte und sah durch meine Tränen hindurch in ein verschwommenes Gesicht. „Lass mich los!“, brüllte ich kraftlos und schlug mit meinem gesunden Bein nach der Person. Mein vergipster Fuß gab unter meinem Gewicht nach knickte ein.  Ich fiel unsanft zu Boden, wo ich noch tiefer in meinen Weinkrampf glitt. Weiter Griffe versuchten mich wieder hinauf zu ziehen, doch ich wehrte mich mit meiner letzten Kraft. Ich biss, kratze und schlug, als ginge es um mein Leben, nur um endlich in Ruhe gelassen zu werden. Ich spürte einen leichten Windhauch an meinem Ohr und Cecilias zaghafte Stimme flüsterte mir zu: „Beruhig dich doch, Nele! Alles ist gut. Geh jetzt zu Amelie ins Zimmer, sie braucht dich!“ Ich wischte mir mit einem Handdruck die Tränen weg und kämpfte mich auf die Füße. Ich japste nach Luft und sah der Schwester in die Augen. An ihrem Blick hatte sich nichts verändert. Nur Dylan stand fassungslos neben mir. „Ich hab gesagt du sollst mich nichtmehr anfassen!“, fauchte ich ihn feindselig an. Ich sah Blut, das durch eine Kratzwunde an seiner Wange hervor quoll. Ich senkte kurz beschämt den Blick, wandte mich aber dann wieder der Angestellten zu. „Ich will zu ihr!“, sagte ich mit fester Stimme und bahnte mir meinen Weg, ohne eine Antwort abzuwarten, ins Zimmer. Ich humpelte an Amelies Bett. Sie lag still da, ihre Augen fest verschloss. Langsam hob und senkte sich ihre Brust, was mir verriet, dass sie noch lebte. „Amelie? Hörst du mich?“ Gespannt und hoffnungsvoll zugleich wartete auf eine Reaktion meiner besten Freundin. Nichts. Enttäuschte senkte ich den Blick. „Cecilia.. Du hast gesagt sie braucht mich… Was kann ich noch tun?“ Ich ließ mich auf den Stuhl neben Amelies Bett fallen und vergrub mein Gesicht in meine Hände. „Wache einfach neben ihr. Pass auf sie auf! Du sollst die erste sein, die sie sieht wenn sie wieder aufwacht!“ Ich sah auf. Cecilia stand auf der anderen Seite des Bettes und ließ ihre Finger über Amelies Wange gleiten. Sie warf dabei einen liebevollen Blick auf das Mädchen, ehe sie mir ihre Aufmerksamkeit schenkte. „Wird sie denn wieder aufwachen?“, fragte ich ohne Überzeugung und sah traurig auf den ruhenden Körper. Als mir meine Schwester keine Antwort gab, wandte ich ihr meinen Blick zu. Sie mied es, mich anzusehen und wich geschickt meinen musternden Augen aus. „Cecilia?“ Ich sah sie forschend an und stieß ungeduldig mit meinen Fuß gegen Amelies Bettgestell. „Lass das!“, fuhr mich meine Zwillingsschwester scharf an und stürzte zu meiner Freundin vor. Besorgt fasste sie nach ihrer Hand, zog sie aber unsicher wieder zurück. Amelie würde ihre Berührung gar nicht wahrnehmen, selbst wenn sie wach war. „Weich nicht von Thema ab!“, knurrte ich und stellte mich vor das Bett meiner Freundin. „Antworte mir jetzt!“, verlangte ich barsch. Ich schritt auf sie zu, wollte sie grob an den Schultern packen und sie schütteln, so wie wir es früher immer gemacht hatten, wir einer von uns beiden sein Geheimnis nicht teilen wollte. Ich griff ins Leere und umfasste mich instinktiv selbst. Auch Cecilia hatte sich selbst im Griff und sah mich sehnsüchtig an. „Es tut mir leid“, wisperte sie. „Ich kann es dir nicht versprechen“ Ich wollte sie in den Arm nehmen, ihre sanfte Haut fühlen, ihre Wärme und mich geborgen fühlen, wie ich es seit langem nichtmehr tat.
Ich warf nur einen kurzen Blick auf meine Schwester und merkte sofort, dass sie dasselbe fühlte. „Ich vermisse dich“, murmelte ich leise und kämpfte gegen meine ansteigenden Tränen. „Ich wünschte, ich wäre vors Auto gelaufen, nicht du!“ Ich schluchzte leise und wartete auf ihre Antwort. Ich konnte es kaum erwarten, dass ihre Stimme den Raum mit den drei kleinen Worten füllte, aber sie kamen nicht. Verwundert sah ich auf und wimmerte sogleich auf. Cecilias geisterhafte Gestalt war verschwunden.
„Mit wem sprichst du da?“ Ich wirbelte erschrocken herum. Amelie hatte sich in ihrem Bett aufgerichtet und sah mich mit trüben Augen an. Ich verfiel sofort in meine führsorgliche Rolle und eilte zu ihr. Ich setzte mich auf die Bettkante und fasste nach ihrer Hand. „Mit niemanden“, murmelte ich leise und sah sie liebevoll an. „Wie geht’s dir?“ Verwirrt griff an ihr Schienbein, das sie an angewinkelt an sich drückte. „Gut… Glaube ich zumindest“ Meine Finger glitten vorsichtig über den Verband, der an ihrem linken Bein befestigt war, und schoben sanft ihre Hände beiseite. „Was ist das?“ Erschrocken starrte Amelie auf ihr verwundetes Körperteil und begann, den Verband runter zu wickeln. „Mein Fuß!“, schrie sie auf, als sie die vernarbte Haut darunter entdeckte. Ungläubig streichelte sie über ihre Wunden. Die kleinen, aber tiefen Einschnitte zeigten, wo sich die Splitter des Glases durch ihre Haut gebohrt hatten. Ihr Fuß war an ein paar Stellen blau und Beulen heben sich sichtbar hervor. „Die Glasscheiben haben deine Blutgefäße durchschnitten und nur haarscharf deine Sehne verfehlt“, zitierte ich die Worte des Arztes. Ich lächelte sie schwach an und stand auf. „Ich dachte schon, dass du mich alleine lässt… So wie Cecilia“, hauchte ich traurig und senkte den Blick zu Boden, während ich unruhig im Zimmer auf und ab Schritt. Ich stützte mich an dem Gestell ihres Bettes ab und hievte mich auf die Zehenspitzen hoch und mied ihren Blick. Erst als ich das Knirschen unter Amelies Gewicht wahrnahm, sauste mein Kopf in die Höhe. „Bleib sitzen!“ Meine Stimme klang schrill und brüchig, als ich die Worte mühevoll hervor stieß. Natürlich ignorierte sie meine Warnung, wie immer. Sie seufzte angestrengt, während sie sich aus dem Bett erhob. Langsam und wackelig schritt sie auf mich zu. Ich stürzte auf sie zu fing sie geschickt auf, als sie auf halben Wege zusammen brach. Es versetzte mir einen tiefen Stich, sie so zerbrechlich vor mir zu sehen. Schließlich war ich ja Schuld, dass ihr Bein nun so verkrüppelt und überseht von Narben war. Vorsichtig führte ich sie zurück zu ihrem Bett und strich ihr sanft über ihren Kopf, wie Cecilia es immer bei mir getan hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht wieder in meine Trauerstarre zu fallen. Egal was ich tat. Egal um was es ging. Meine Zwillingsschwester verschaffte sich immer einen Platzt in meinen Gedanken und kämpfte sich von dort zurück in mein Herz. Ich holte mich selbst in die Realität zurück und warf einen führsorglichen Blick auf meine Freundin. „Geht’s wieder?“ Anstatt mir zu antworten schloss sie ihre Arme um mich. Ich genoss ihre Gegenwart. Ihre Berührung erlaubte ich und drückte sie fest an mich. „Ich bin so froh, dass du bei mir bist!“, flüsterte ich in ihr Ohr, als ich mich wieder aus der Umarmung löste. Wir lächelten uns an, sprachen kein Wort. Kommunizierten über unsere Augen, unsere Körpersprache und unterhielten uns so in die Stille hinein.

 

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