Gefährliche Schwesternliebe (3. Kapitel)

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~Fallen Angel~
Veröffentlicht: 06.04.2015 19:16
Aktualisiert: 06.04.2015 19:16
Kategorie: Krimi
Tags: Zwillinge, Mord, Verrat
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3. Kapitel

„Nele?!“ Ich schlug meine Lider auf und sah nach dem Unruhestifter um, der meinen Schlaf gestört hatte. Amelie stand in meinem Zimmer und sah mich verwirrt an. Sie schob die Vorhänge beiseite und ließ das Tageslicht herein dringen. „Es ist 15:27 Uhr! Was machst du im Bett?“ Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und blinzelte meine Freundin müde an. Ich grinste schief und murmelte: „War halt müde“ Das war gelogen. Ich war keine gute Lügnerin und hoffte deswegen, dass es Amelie entging, wie sehr ich zitterte. „Du bist ja ganz verschwitzt! Bist du krank?“ Sie ließ sich neben mir auf dem Bett nieder und sah mich besorgt an. „Ist auch warm hier drin“ Ich lachte hysterisch und fächelte mir selbst Luft zu. Amelie sah mich an, als wäre ich eine Verrückte. Doch ich bemerkte ihren Blick nicht. Denn gerade in diesem Moment spielte sich ein Ausschnitt von meinem Traum vor meinem geistigen Auge ab:

Ich taumelte aus der Gasse. Mein Verfolger dicht an meinen Fersen. Mein Puls raste und ich röchelte nach Luft. Ich stolperte an den Rand des Gehsteigs und drehte mich ängstlich um. Da! Der Mann trat aus dem Zwischengang und sah mich eisern an. Ich schrie auf und rannte auf die Straße. Plötzlich durchfuhr mir ein stechender Schmerz durchs Bein und machte sich in meinem Oberkörper breit. Ich fiel kreischend vor Schmerz zu Boden. Mit tränengefüllten Augen sah ich zu der Gasse hinüber. Mein Verfolger war verschwunden.

„Nele!“ Amelie hatte meine Schultern gepackt und schüttelte mich. „Alles okay?“ Meine Freundin sah mich erschrocken an. Ich nickte verwirrt und blinzelte sie an. Ich war immer noch wie in Trance und starrte durch Amelie hindurch. Ich fühlte die Schmerzen und den Hauch des Todes im Nacken, wie meine Schwester es an diesem Tag gefühlt hatte. Voller Sorge wedelte Amelie mit ihren Händen vor meinem Gesicht herum und schrie immer wieder meinen Namen. Ich reagierte erst jetzt richtig und sah sie an. „Was machst du denn da?“, fragte ich sie verwirrt, als ich ihr herumgefuchtel  realisierte. Verblüfft ließ sich Amelie wieder neben mir nieder. „Du hast eben geschrien wie am Spieß! Hast du überhaupt etwas gemerkt?“ Ich schüttelte stumm den Kopf. Ich überlegte fieberhaft ob ich Amelie alles erzählen sollte. Von Cecilias Besuchen, den Träumen und was eben jetzt gerade passiert war. Aber ich lehnte den Gedanken schnell ab und verscheuchte ihn zugleich. Ich wollte, dass es ein Geheimnis blieb. Zwischen mir und meiner Schwester, so wie es früher war. Als das Wort ‚früher‘ in meinen Kopf auftauchte, seufzte ich sogleich. Ich sehnte mich in die Zeiten zurück, wo wir alle noch eine richtige Familie waren. Damals schien alles so perfekt. Mir war gar nicht bewusst wie man von einer Sekunde auf die nächste ins kalte Nichts katapultiert werden kann. Ich spürte etwas an meiner Schulter und sah auf. Amelie hatte mich freundschaftlich in den Arm genommen. Ich musste wohl laut gewimmert haben. „Du vermisst sie sehr, hm?“ Amelie sah mich mit ihren grün blau gesprenkelten Augen an. Mitgefühl und Sorge spiegelten sich darin. Ich nickte zaghaft und brachte ein leises: „Danke“, heraus. Ich wollte mich einfach nur bei ihr bedanken. Für ihre Unterstützung. Eine Zeit lang saßen wir so da, bis sich meine Freundin aus der Umarmung löste und aufstand. „Ich muss dann auch los. Vielleicht kann ich morgen wieder kommen“ Sie lächelte mich an und winkte, bevor sie mit einem ‚Tschüss‘ verschwand. „Bye“, murmelte ich lautlos. Ich war mir sicher, dass sie mich nichtmehr gehört hatte.
„Süß“ Ich drehte mich um, als ich dieses Wort vernahm. Cecilia saß auf meiner Fensterbank und blickte Amelie nach, die auf ihrem Fahrrad davon radelte. „Sie war eine tolle Freundin“, hauchte sie und öffnete den Mund für weitere Wörter. „Sie ist eine tolle Freundin!“, unterbrach ich sie unwirsch und sprang auf die Beine. Ich ging zu ihr hinüber und lehnte mich an die Wand. „Warum gehst du eigentlich immer ohne Vorwarnung?“, fragte ich. Meine Stimme klang kalt und abweisend. Cecilia grinste und verzog den Mund zu einer spöttischen Grimasse. „Bist du etwas beleidigt weil ich heute Morgen so schnell gegangen bin?“, lachte sie und boxte mir sanft in die Rippen. „Lass das!“, knurrte ich und stieß ihre Hand weg. „Ich halte extra für dich Tag und Nacht diese Höhlenqualen aus und stehe vor allen da wie eine Irre! Und du gehst und kommst wann du willst“ Eingeschnappt verschränkte ich die Arme vor meiner Brust und sah sie abwartend an. „Mann, Nele! Ich kann nur einen gewissen Zeitraum bei dir bleiben. Sorry, das ich nicht ständig an der Uhr häng“ Genervt glitt Cecilia von der Fensterbank und warf mir einen bösen Blick zu. Tief in mir begann die Wut zu pröbeln und ich funkelte meine Schwester angriffslustig an. „Ich muss die Schmerzen und Qualen nicht auf mir ruhen lassen! Dann kannst du sehen wie du hier zurechtkommst!“, knurrte ich und ging einen Schritt auf sie zu. Cecilia strahlende Augen sahen mich unbeeindruckt an und ich bemerkte, wie ihre Figur langsam schwand. „Nein!“, hauchte ich und stürzte mit ausgestreckten Händen nach vorne. Ich Griff ins Leere und fiel ungebremst auf den Boden. „Au!“, rief ich und rieb mir schmerzend meine Hüfte. Ich sah nach hinten. Cecilia war weg. Ich rappelte mich ächzend auf und griff nach meiner Tasche. Ich hatte keine Lust mehr mir das Leid von ihr anzusehen. Jede Nacht litt ich unter Schmerzen und Angst. Außerdem brachten mich meine Träume nicht weiter. Ich wusste nur wie der Mörder meiner Schwester aussah, aber nicht wer er war und warum er das getan hatte. Mal träumte ich kurz vor dem Unfall, mal was ganz anderes. Ich hüpfte die Treppe hinunter und linste um die Wand. Meine Mom saß auf der Couch und döste ruhig vor sich hin. Ich beobachtete wie ihre Lider zu sanken und sie ein genüssliches Schnarchen und schmatzen von sich gab. Leise huschte ich durch das Wohnzimmer und streifte mir Jacke und Schuhe über. Dann verließ ich das Haus.

Der Wind pfeifte mir um die Ohren und ich zog mir meine Mütze tiefer ins Gesicht. Schützend hatte ich meine Arme um mich geschlungen und zog meine Beine näher an mich heran. Weiße, kleine Schneeflocken tanzten im eisigen Hauch des Windes vom Himmel herab und ließen sich auf der Erde nieder. Ich vernahm Kinder die vergnügt kreischten, als sie das Geschenk des Winters entdeckten. Endlich breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich sah mich um. Meine blonden Haare wirbelten um meinen Kopf und meine Füße tippten leise die Melodie von „Dashing throu the Snow“ im Takt mit. „Na?“ Ich schreckte hoch als sie jemand mir nieder ließ. „Geht’s dir wieder besser?“ Meine Augen begannen vor Freude zu leuchten als ich die Gestalt erkannte und die vertraute Stimme durch mein Ohr zog. „Hi Amelie! Mir geht’s ganz gut“ Meine Freundin ließ sich neben mir auf der Parkbank nieder und schüttelte ein paar Schneeflocken ab. „Was machst du hier?“ Ich sah sie an. Die Verwunderung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Klar, ich war ja seit Cecilias Tod nichtmehr aus dem Haus gegangen. Zum Glück waren Weihnachtferien. Ich ignorierte ihre Frage und flüsterte leise: „Ich brauche deine Hilfe“ Ich spürte das Misstrauen, das von Amelie ausging. Aber gleichzeitig hatte ich auch ihre Abenteuerlust und ihre Neugierde geweckt. „Was hast du vor?“, fragte Amelie. Ich runzelte die Stirn. Seit wann war meine Freundin vorsichtig? Früher hätte sie sich ohne irgendwelche überflüssigen Fragen ins Gefecht gestürzt und mir bei meinem Problem geholfen. Jetzt benahm sie sich wie meine Mom. Amelie schien meine Verblüffung zu bemerken. „Ich meine, ich helfe dir gerne. Wenn es nichts mit Cecilias Tod zu tun hat! Ich will nichts damit zu tun haben, der Fall ist geklärt.“ Ich sprang auf die Beine und blinzelte sie fassungslos an. Wut und Verzweiflung mischten sich in mir und drohten zum Ausbruch. „Warum? Seit wann denkst du so?“ Ich war selbst überrascht wie laut meine Stimme war. Ich kreischte ja schon fast. Sämtliche Kinder und Eltern drehten sich zu mir um. Schaulustige blieben stehen und steckten tuschelnd die Köpfe zusammen. Ich war ja irgendwie die Irre hier im Dorf. Seit dem Tod meiner Schwester tratschte die ganze Nachbarschaft über mich. Ein paar hatten Mitleid und konnten meine Trauer nachvollziehen. Andere fanden ich würde all das Theater viel zu dick auftragen. Andere hielten mich einfach für verrückt. Die plötzliche Aufmerksamkeit war Amelie sichtlich unangenehm, denn sie versuchte mir mit ein paar Kopfbewegungen zu zeigen, dass wir das später klären würden. „Ich mach das auch ohne dich!“, zischte ich ihr zornig zu als ich an der Bank vorbeischritt. Ohne ihr noch einen Blick zu zuwerfen überquerte ich die Straße und funkelte all den Zuschauern zu. „Habt ihr nichts Besseres zu tun?“, fauchte ich und ballte meine Hände zu Fäusten. Ein paar Leute gingen schnell weiter, Eltern schlangen sich schützend um ihre Kleinkinder und Teenager warfen mir provozierende Blicke zu, während sie weiter in meine Richtung gafften und tuschelten. Wütend warf ich einen Stein nach ihnen und machte mich dann auf den Weg zu dem Platzt, wo Cecilia die letzten Minuten ihres Lebens verbrachte. Zu meiner großen Enttäuschung folgte mir Amelie nicht.

Ich Schritt in die Gasse und ließ meine Finger an der Wand entlang gleiten. Mein Blick war starr geradeaus gerichtet und ich umfasste mit meiner anderen Hand einen Stock. Sicher war sicher. Plötzlich schien mir, als würde eine kleine Sommerbrise den eisigen Wind hinfort blasen, den mir wurde wohlig warm. „Cecilia?“, hauchte ich und drehte mich hoffnungsvoll um. Wirklich! Meine Schwester stand hinter mir und sah sich ängstlich um. „Was machst du hier?“, wisperte sie fassungslos und rannte auf mich zu. Sie griff nach meinen Schultern und umarmte mich. „Bitte geh weg von hier!“, schluchzte sie und ich spürte ihre Trauer deutlich. Vorsichtig legte ich meine Arme auf ihren Rücken, doch meine Hände fielen ins Leere und auch ich begann leise zu weinen. „Ich kann nicht! Erzähl mir was in jener Nacht geschah!“, flehte ich und löste mich aus der Umarmung. „Ich kann nicht! Es ist mir verboten worden!“ Ein feuchter Glanz lag in Cecilias Augen und zeigte mir somit, dass sie selbst fast vor einem Weinkrampf stand. Meine Schwester, die sonst immer so stark, selbstbewusst und zuversichtlich schien, sah plötzlich total verzweifelt und hilflos aus. Ich bemerkte, dass ihre Unterlippe zitterte, so wie der Rest ihres Körpers und ihr Gesicht schien blutleer zu sein. Ich wollte sie stützten, mit ihr gemeinsam die harte Zeit durchstehen, doch ich wusste, ich würde nur ins Leere greifen. Ich spürte eine unangenehme Leere in meinem Bauch die sich langsam und qualvoll in mein Herz hocharbeitete. Ich wandte den Blick von Cecilia. Ich konnte es nicht ertragen sie so zu sehen. Schützend fielen einzelne Haarsträhnen vor mein rechtes Auge und versperrten mir so die Sicht, wenn ich ihr einen Seitenblick zu wenden wollte. Ich spürte wie meine Beine nachgaben. Wehrlos sank ich zu Boden und schluchzte leise. Ich musste schnell von diesem Ort weg. Er versprühte nur Angst und Verwirrung. Ich drehte mich um und hoffte auf Cecilias Hilfe, doch sie war wieder verschwunden.

 Nun konnte ich meine Tränen nichtmehr zurück halten. Ich ließ mich auf den Rücken zurückfallen und kämpfte gegen meine wirren Gefühle an. Salziges Nass kullerte meine Wange hinab und ließ angeschwollene Augen zurück. Ich hatte nicht genügend Kraft, um aufzustehen und dem Leben wieder die Stirn zu bieten. Nein! Am liebsten würde ich hier liegen bleiben. Kalt, Nass und verwahrlost. Ich wollte hier sterben. Nur noch Angst und Schmerzen empfinden, bevor ich mich endlich wieder in Cecilias Arme schließen könnte.
„Nele?“ Ich sah nicht hoch als ich die Stimme vernahm, die meinen Namen rief. Ich rollte mich nur noch enger ein, ignorierte den Schmerz, dir mir im linken Bein hochfuhr, als ich mir den Fuß verdrehte. Ich hatte mein Gesicht in meinen Händen vergraben und hoffte, diese Gestalt würde verschwinden. Aber nicht mal dieser Wunsch wurde mir erfüllt. Ich hörte Schritte die immer lauter wurden, als sie sich mir näherten. „Verschwinde!“, wollte ich rufen. Doch ich brachte nur ein klägliches Wimmern heraus. Ich spürte Finger die meinen Rücken entlang strichen und sich in der Mitte trafen. Bei dieser Berührung zuckte ich zusammen und trat mit meinem Fuß nach der Person. Sofort hielt ich still und biss die Zähne zusammen, als mich ein stechender Schmerz durchfuhr. Ich begann noch heftiger zu weinen und wirbelte nun endlich zu dem Schatten hinter mir herum. Amelie kniete neben mir und sah mich fassungslos an. „Nele...!“, flüsterte sie wieder und sah zu meinem Bein hinunter. „D-Dein Fuß ist… ist total verdreht!“ Ich sah hinab und wendete sofort wieder den Blick ab. „Es tut so weh!“, flüsterte ich. Der Schmerz machte all meine anderen Gefühle taub und ich fühlte mich wie benommen. „Ganz ruhig! Ich ruf einen Krankenwagen!“, meinte Amelie hektisch und sprintete aus der Gasse. Mir war furchtbar heiß, was ich mir wegen der ansteigenden Kälte kaum glauben konnte. Um mich drehte sich alles und nur wenn ich meinen Blick zu Boden neigte, stand alles still. Ich schnappte angestrengt nach Luft und wischte mir stöhnend den Schweiß aus der Stirn. Ich fühlte mich wie in Trance und dachte, es sei ein Traum und ich würde gleich aufwachen. Vor mir sah ich verschwommen, wie Amelie wieder auf mich zu gerannt kam. Ich beugte sich über mich und wischte mit ihrem Ärmel über meinen Kopf. Er war schön kühl und etwas nass von den Schneeflocken, die auf ihrer warmen Haut geschmolzen waren. Ich war den Tränen nahe und rief mir immer wieder im Geiste zu: „Reiß dich zusammen!“ Ich biss mir unter Schmerzen auf die Lippen und zog meine Augen zu Schlitzen zusammen. „Hilfe ist unterwegs!“, murmelte meine Freundin beruhigend und sah mich besorgt an. Ich genoss ihre Gegenwart und war froh, nicht alleine zu sein. Ich zwang mir ein Lächeln auf. Ich wollte, dass sie dachte, es wäre alles halb so schlimm. Ich wollte ihr die Wahrheit verschleiern, wie ich es immer getan habe. Nur Cecilia habe ich meine Geheimnisse anvertraut, aber vielleicht wird es Zeit, dass Amelie diese Stelle einnimmt? Endlich vernahm ich die entlastenden Sirenen des Fahrzeugs wahr, dass mir nun all die Schmerzen abnehmen wird. Außerdem waren die quälenden Fragen um meine Schwester endlich aus meinem Kopf entwichen, als ich von den Sanitätern in den Wagen getragen wurde. Amelie blieb dicht neben meiner Trage und ließ sich von den Anderen nicht abwimmeln. Sie war das Letzte was ich vor meiner Narkose sah und das erste als ich wieder meine Augen aufschlug.

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