Vergessene Zeiten Part 1

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Joanna
Veröffentlicht: 09.03.2015 10:25
Aktualisiert: 14.10.2015 18:51
Kategorie: Krimi
Tags: Vampire, Rumänien
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Kurzbeschrieb:
Es gibt Märchen und Sagen!
Wölfe in den Karpaten die keine sind, Menschen die tot sind und trotzdem töten.
Menschen die sich selbst begegnen

Text

Kapitel 1

 

 Andrei Lazarescu sah seine Chefin vergeistert an.  Schon seit 32 Jahren arbeitete er als Kommissar auf dem Nord West Revier in Bukarest.  Nie hat er den Helden gespielt, immer den Papierkram erledigt, die ganze Zeit im Hintergrund gestanden. Er war nie zu spät gekommen, hatte mehr Überstunden gemacht als sonst jemand und jetzt, die Versetzung. Es war keine Versetzung in eine grössere Stadt wie Focsani oder Brasov, nein, er wurde nach Harlesti , ein kleines, sehr kleines Dorf in dem die einzige Aufgabe der Polizeidarin bestand, entlaufenes Vieh einzufangen.  „Warum versetzten Sie gerade mich?“ fragte er, bemüht freundlich zu klingen. Seine neue Chefin Daniela Voinea hatte ein neues Programm eingeführt, das, wie sie sagte, moderner sei und sich noch mehr von dem alten Regim distanzeren würde, deshalb kannte er die Ausrede eigentlich schon. „Wir brauchen einen verantwortunglsvollen und erfahrenen Beamten in diesem Dorf und sie sind der Richtige dafür“ sagte Daniela mit dem für sie gewöhnlichen überheblichen Unterton. Andrei wusste, dass er zu alt war für dieses Revier und das neue Programm. Er vermisste seinen alten Chef, doch der war vor einigen Monaten von einer Strassengang erschossen worden. Jetzt wurde ihm eine junge Frau mit einem blonden Kurzhaarschnitt vorgesetzt, die Männer nicht leiden konnte, eine lesbische Feministin wie sie im Buch stand. Doch  er musste sich mit dem zufrieden geben, was man ihm gab, in seinem Alter durfte er keine all zu hohen Ansprüche mehr stellen, auch wenn er mit der modernen Welt bei weitem nicht mehr mitkam und aufhören sollte sich Fragen zu stellen. Manchmal fühlte er sich wie einer der alten Strassenhunde, die zu dieser heissen Jahreszeit im Schatten einer Mauer Schutz suchten und den ganzen lieben langen Tag dort lagen. Sie verlangten  nichts, störten niemanden und nahmen etwas Brot oder sogar ein wenig Fleisch von mitfühlenden Leuten mit einer dankbaren, trägen Kopfbewegung an. Andrei wollte nicht mehr ein Hund im Schatten sein, doch er hatte nicht aufgepasst und jetzt wurde er einfach abtransportiert, dorthin, wo er niemanden stören konnte, in eine Vorstufe des Altersheim. Das andere Problem das sich ihm stellte, war eine längst vergangene Jugendliebe, die er nach einem Sommer verlassen hatte, die in dem besagten Dorf wohnte.  Magda war ihr Name gewesen. Ein schönes Mädchen, mit tief dunkelblauen Augen und welligem hellbraunem Haar.  Aber er hatte nicht bleiben, sondern die Grossstadt sehen wollen. Er selbst war auch in einem kleinen Dorf 20 Kilometer von Harlesti entfernt aufgewachsen und als junger Mann hatte er dort keine Perspektiven gesehen. Also hatte er die schöne Magda verlassen um nach Bukarest zu gehen.„Wozu?“ dachte er. Jetzt ging er ja doch wider zurück ins Dorf mit der lächerlichen Hoffnung Magda würde ihn nicht mehr erkennen. Daniela sah ihn mit einem kleinen, leicht erzwungenen Lächeln an. „Ich werde Sie solange dort stationieren, bis dieser Fall erledigt ist“ Mit diesen Worten schob sie ihm eine schmale Akte rüber die in einer schmierigen Schrift mit „Fall Codrin Milescu“ beschriftet war.„Er wurde vor zwei Tagen tot aufgefunden. Mitten auf dem Dorfplatz“. Andrei setzte sich etwas gerader hin, wenigstens ein Mord dachte er, vielleicht würde er die Abenden doch nicht alleine mit einem Zuika verbringen. Daniela fuhr fort, „der Pfarrer hat ihn gefunden. Es handelt sich bei dem Opfer um einen 38 jährigen Bauer, Codrin Milescu“. Andrei nickte „alles klar, ich werde versuchen etwas heraus zu finden. Für ihn war der Fall klar, ein betrunkener Bauer hat ein bischen über den Durst getrunken, oder der gute Mann hatte eine Herzattacke. Auf dem Land hier in Rumänien ging es immer etwas länger mit den Obduktionen. Langsahm stand Andrei auf und wollte sich verabschieden, doch als er Daniela die Hand gab, hielt sie ihn fest. „Ach ja, der Mann wies Bissspuren auf“. Andrei hob die Augenbrauen und setzte sich wieder. „Bissspuren von Hunden?“.  Seine Chefin wiegte den Kopf hin und her. „Nein, es ähm, die lokale Polizei redet von zwei scharfen und tiefen Einbisswunden, wie, wie der Biss eines Vampiers.“ Andrei sah seine Chefin ungläubig an. „Sie glauben dem Bericht aber nicht, oder?“ Energisch schüttelte Daniela den Kopf. „Natürlich nicht und deshalb wäre ich sehr froh, wenn sie schon morgen früh auf Harlesti gehen könnten, die zuständigen Behörden in Bacau wollen nicht, dass weitere Gerüchte entstehen und ich bin denen noch etwas schuldig.“Damit schien das gespräch beendet und Daniela wendete sich demonstrativ ab um an Akten und Fällen zu arbeiten.

 

Es war ein bewölkter Mittwochmorgen, an dem Andrei seine ein einhalb Zimmer Wohnung verliess. Die Wohnung befand sich in einem kargen, grauen Block an der Hauptstrasse, die zu dem Hauptbahnhof führte. Seine Wohnung befand sich im fünften Stock. Es war nicht viel was er hatte, auch das was er nach Harlesti mitnahm viel speerlich aus, aber im Gegensatz zu seinen zwei Brüdern lebte er auf eigenen Beinen und nicht mehr bei der Mutter, Andrei war stolz darauf,darauf, dass er sich ein erträgliches Leben aufgebaut hatte, auf die Polizeischule gegangen war und genug Geld hatte um sich eine Wohnung leisten zu können in der es zuverlässig immer warmes Wasser gab. Er stieg in sein länsgt überholtes Dacia Modell und versuchte den alten Motor zum laufen zu bringen. Nach einigem aufjaulen und unwilligkeiten schnappte er ein und schon bald liess Andrei die letzten Gettos und Klöster von Bukarest hinter sich. Die weiten Landschaften begannen und weite gelbe Sonnenblumenfelder und Wiesen erstreckten sich vor ihm und schienen am Horizont nicht auf zu hören. Nur im Osten grenzten die Karpaten die Wiesen ein. Andrei war noch nie in den Karpaten gewesen, die dunkeln dicht bewaldeten Hügel und Berge hatten ihn noch nie gereizt. Er glaubte nicht an die Schauermärchen rund um die Sagenumwobenen Wälder. Aber er glaubte an Bären und Wölfe und diesen wollte er wenn möglich nie begegnen. Seit 3 Stunden schon fuhr er in einem gleichmässigen Tempo von 85 km/h über die Landstrasse auf der nur gelegentlich ein Fuhrwagen oder ein Laster entgegen kam. Fünf Kilometer weiter machte Andrei bei einer Tankstelle halt. Solche Fahrten waren anstrengend und er musste noch mindestens 5 Stunden fahren. Nach dem er den Tank nachgefüllt hatte ging er in den Tankstellenlade. Er kaufte eine Tafel Schokolade, eine Flasche Wasser und eine im Regal neben an ausgestellte CD mit den neusten rumänischen Hits. Nicht, dass er besonders interessiert daran gewesen wäre oder gar ein Musikfan war, aber, so dachte er, in der Not frisst der Teufel Fliegen und er brauchte etwas Unterhaltung, egal wie diese ausfiel. Der Schnauzbärtige Mann am Tresen, dessen T-shirt deutlich zu eng für seinen Bierbauch war, sah ihn mit milchigen Augen skeptisch an, als er die CD einlas.“ Darf es noch mehr sein?“ brummte er, und machte sich keine Mühe dies als Frage klingen zu lassen. Andrei legte einen Apfel dazu, „wie sagen die Amerikaner so schön? An apple a day keeps the doktor away“, Schnauzbärtige versuchte den Witz zu verstehen, da seine Englisch Kenntnisse jedoch begrenzt zu sein schienen, nickte er nur und zog die Nase hoch. „Das macht dann 46 lei“ Andrei zog protestierend die Augen hoch, „die Preise werden ja auch nicht gerade tiefer“. Der am Tresen sah leicht beleidigt drein „wir müssen auch unser Geld machen, es besteht eine grosse Konkurrenz wissen Sie?“ „ist ja schon gut, Sie haben ja recht“ beschwichtigte Andrei und verliess die Tankstelle.

 

Eine Zigarettenpackung und fünf Stunden vor sich hin philosophieren später, fuhr er in das kleine Dorf ein. Die meisten Häuser waren auffällig klein und heruntergekommen, auch die Gärten dieser Häuser waren überwuchert von Unkraut. Erst als Andrei in das Dorfinnere fuhr, kam er auch an beton Häuser vorbei, die recht bewohnbar aussahen. In dem Dorf musste es eine kleine Gaststätte geben, in der Daniela ein Zimmer für ihn gebucht hatte. Er wusste jedoch nur den Namen der Frau die diese führte, Catinca Firescu. Es war schon Abend und es liess sich so gut wie Niemand auf den zu schmalen und ungeterrten Wegen blicken. Andrei sah Niergends eine Chance sich nach der Frau zu erkundigen. Also fuhr er zuerst zu der Polizeiwache, für die wurde wenigstens ein Wegzeichen errichtet. Die Wache befand sich gut zugänglich am östlichen Ende des Dorfes und erinnerte ihn an diejenigen Sheriffbüros, die man in den alten Western sah. Ebenfalls klein mit einem rostigen Schild oberhalb der Tür, das der einzige Hinweis darauf war, dass es sich um eine Polizeiwache handelte. Andrei parkierte, stieg die drei Stufen bis zur Tür hinauf und klopfte energisch, eine Klingel gab es nicht. Als nach fünf Minuten noch immer Niemand öffnete verliess er etwas verärgert die Tür und ging zu seinem Auto. Gerade als er einsteigen wollte, sah er Jemanden in der Dunkelheit langsam auf die Wache zusteuern. Er wartete und bemerkte, dass dieser Jemand leicht wankte. Als sich die Gestalt nährte, sah er, dass es sich um einen jungen Mann handelte, der höchstens 25 sein konnte. Er ging auf ihn zu. „Hallo? Kann ich ihnen helfen?“. „Nein, a, alles guuut“. Andrei stand nun einen Meter von dem jungen Mann entfernt. Er hatte sehr dunkle Haare, die ihm nach allen Zeiten abstanden und trug ein hellblaues Hemd mit schwarzen Jeans. Er klang ziemlich angetrunken fand Andrei. „Wohnen Sie hier im Dorf?“ fragte er weiter, „ja, we, weshalb fragen Sie“. Andrei machte eine unbedeutende Handbewegung „nur so, wissen Sie wo eine gewisse Catinca wohnt?“. Der junge Mann wurde trotz seines betrunkenen Zustandes misstrauisch. „Ich habe Sie n, noch nieee hier gesehen, w, was wollen Sie hier“ es schien als müsse er sich für jeden Buchstaben besonders Mühe geben, dass er ihn aussprechen konnte. Andrei sagte ihm bereitwillig, dass er hier ein zwei Wochen sein würde, um den Mordfall an Codrin auf zu klären. Dem jungen Mann schien ein Licht auf zu gehen „D, dann sind sieeee der Grossstadtpolizist Andrei Lazarescu!“. „Genau, der bin ich, wie heissen Sie?“ „Stefan Patrascu“. Hiermit gab er Andrei die Hand und verabschiedete sich mit einem gedehnten „Aufwiedersehen und Bis Morgen“. Dieser schüttlte etwas lachend den Kopf, stieg in sein Auto und nahm die Suche nach der Herberge erneut auf. Jetzt kannte er schon mal einen Dorfbewohner. Jemand der sich an einem Mittwoch abend betrankt, von denen gab es auch nur einen im Dorf.

Er sah auf die Uhr, 21:08, vielleicht hatte die Herberge schon geschlossen. Als er sich schon auf eine Nacht im Auto gefasst machen wollte und im Kofferraum eine Wolldecke hervorholte, trat aus einem Haus eine alte Frau hinaus. „Eh, Sie, sind Sie nicht Andrei, der hier ein Zimmer gebucht hat?“.  Ohne eine Antwort abzuwarten nahm sie ihn beim Arm und führte beziehungsweise schubste ihn in das Haus hinein. „Sie armer, armer Mann, ich hätte Ihnen eine Wegbeschreibung geben sollen, kommen Sie, Sie müssen einen grossen Hunger haben, ich habe noch etwas Bohnen und Kartoffelstock auf dem Herd. Das kleine Haus bestand aus einem Parterre und einem oberen Stock, der durch eine art Leiter zugänglich war. Andrei wurde in ein Raum geführt, in dem ein grosser, runder Holztisch mit fünf Stühlen stand. Am Fenster hingen alte, selbstgemachte Vorhänge mit traditionellen rumänischen Mustern. Die selben Muster fanden sich auch an einem grossen Wandteppich und auf dem Tischtuch. Andrei setzte sich vorsichtig auf einen der Stühle, diese sahen ziemlich unstabil aus. „Sie sind dann wohl Catinca?“ stelte er fest, als die alte Frau wider in das Esszimmer kam, in dem Händen einen grossen Kochtopf. „Ja, genau, die bin ich“, antwortete sie mit ihrer ziemlich rauen vom Leben gezeichneten Stimmen. Sie war ziemlich klein, hatte ihr vollkommen graues Haar zu einem Dute zusammen gebunden und trug einen altmodischen langen Rock. Er erinnerte Andrei an die Sommerröcke, die seine Mutter früher immer getragen hatte. Als Catinca ihm die Bohnen und den Kartoffelstock auf den Teller schöpfte, bemerkte er erst, wie hungrig er gewesen war und begann ein klein wenig zu gierig an zu essen. Nach dem er drei volle Teller gegessen hatte, zeigte ihm Catinca sein Zimmer. „Ruhen Sie sich gut aus, schliesslich müssen morgen Sie das Monster finden“. „Sie meinen den Mörder“. Sie nickte eifrig „den Strigoil, den Blutsauger“ flüsterte sie. Das Zimmer war im gleichen Stil eingerichted was das Esszimmer, ein Blick zum Fenster aber liess Andrei zwei mal hinsehen. Rund um das Fenster hingen Knoblauchketten, die dem Zimmer einen säuerlichen Geruch verliehen. Wo war er da nur gelandet?

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