Liebesbrief

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Mary Jane
Veröffentlicht: 22.02.2015 17:00
Aktualisiert: 22.02.2015 17:00
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Text

Deine Hände haben ihre Unterschrift auf meine Haut gemalt. Ich spüre sie wenn ich mich selbst berühre. Meine Lippen fühlen sich noch geschwollen an und schmerzen fast ein bisschen, wenn ich an dich denke. Aber es ist ein schöner Schmerz. So wie Vermissen, wenn man weiss, dann das Vermisste zurückkommen wird. Ich schaue mich diese Tage oft viel zu lange im Spiegel an und fahre mit den Fingerspitzen die unsichtbaren Spuren deiner Berührungen nach. Ich warte immer auf den Moment wenn die Sonne schon so weit nach Westen gewandert ist, dass sie mein Zimmer mit diesem unverwechselbaren Du-Licht flutet. Das Du-Licht macht mein Herz ganz heiss. Es glüht dann so wie deine Augen manchmal glühen. Und ich strecke meine Hände ins Licht und bewege sie so wie wir tanzen.

Ich vermisse nicht alles an dir, aber diese Momente wie das Du-Licht vermisse ich gerade sehr. Ich kann es kaum erwarten dass du zurückkommst, weil ich dich dann überfalle und an mich presse, so dicht, dass gar kein bisschen Luft mehr zwischen uns passt, dass gar nichts mehr zwischen uns ist, denn sonst wäre ich eifersüchtig auf die Luft.

Es gibt nichts besseres als dein Blick, so wie er manchmal ist wenn du mich siehst. Die geweiteten Pupillen, das Vergessen dass wir eben noch eine langatmige, unnötige Diskussion hatten, das Glühen vor lauter Mich-sehen.

Du bist warm. Es ist nicht so als wäre es kalt ohne dich. Und ich kann immer noch lachen ohne dich und sogar richtig glücklich sein. Aber ich kann nicht Wir sein ohne dich und Ich sein ist manchmal schrecklich einsam. Das Beste am Wir sein ist ja, dass man das Ich sein nicht verliert oder aufgibt, sondern es einfach zum Wir sein dazugehört.

Beim Frühstück hat Mama heute gesagt, dass das Haus sich ganz leer anfühlt ohne dich. Wir waren die letzten Tage, glaube ich, ziemlich viel hier. Wenn ich lerne höre ich mir deine Songs an. Die Gitarre war bei der Aufnahme ein bisschen verstimmt, das ist dir doch bestimmt aufgefallen? Und der Drummer, wie hiess er nochmal, Alex? Der ist völlig beschissen. Aber Nico am Saxophon ist fantastisch. Und deine Stimme und deine Texte... Manchmal knistert und rauscht es zu sehr, das treibt mich in den Wahnsinn, aber etwas anderes kann man von einer solchen Aufnahme ja nicht erwarten. Und dann kommt deine Stimme wieder, rau und vertraut, bricht das Knistern und Rauschen und es fühlt sich so an wie ganz knapp vor dem Ertrinken gerettet werden.

Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen. Komisch, dass du weg bist, hat sich bisher nicht auf meinen Schlaf ausgewirkt, aber gestern hab' ich mich stundenlang hin und her gewälzt. Wärst du hier gewesen, hättest du mich festgehalten, so dass ich nicht mehr hin und her wälzen kann und dann hätte ich dich geküsst, auf diese pressende Art die fordert dass du mich auf der Stelle liebst. Und das hättest du dann getan. Und dann wäre ich völlig erschöpft gewesen und hätte schlafen können.

Ich habe heute ein ganzes Buch gelesen. Ich glaube, wenn du nicht gegangen wärst, wäre ich verhungert. Ich habe noch nie so lange nicht gelesen, das ist voll und ganz deine Schuld. Du hältst mich ein bisschen von allem ab. Aber das ist gut. Das ist ok. Mama sagt, dass nichts ewig dauert, und dass du irgendwann nicht mehr bei mir sein wirst. Ich weiss das. Und ich denke gar nicht über ewig nach. Im Moment kann ich gar nicht weiter denken als bis übermorgen, weil du dann wieder da bist. Ok, vielleicht einen Tag länger. Ich kann mir noch vorstellen, dass ich dich mindestens vierundzwanzig Stunden festhalten werde, mach dich darauf gefasst.

Alles Liebe,

Die Deine

Kommentare

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Am 06.03.2015, jana biancowich
Ich stimme Celly Nancoe zu; Selbstmitleid?? Ne ist nix!
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Am 25.02.2015, Akira
Wow ein sehr toller, Text. Ich kann genau nachfühlen was du gerade durch machst, hab auch einen Freund, seit neuem und ohne ihn ist es manchmal ziemlich leer.. auch wenn ich das Gefühl gar nicht wirklich in mir haben will.

Und deine Wortwahl ist genial. Ich könnte noch stunden weiter solche Texte oder Bücher von dir lesen. Du berührst einem mit dem Text auf eine ganz besondere Art. Hatte sogar einen Tränne im Auge ;)

Jedenfalls super Text und geniss dein "kleine Ewigkeit" mit deinem Freund.
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Am 24.02.2015, Cleo1
Hammer, du schreibst wirklich gut
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Am 22.02.2015, Celly Nancoe
ich finde es gut, wie du denjenigen, der weg ist, nicht verherrlichst, sondern klar siehst, dass er seine Fehlern hatte. Das lyrische Ich versinkt bewundernswerter Weise nicht in Selbstmitleid, sondern lebt Gefühle, mit einem Lächeln vielleicht?