Tu me manques

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Mary Jane
Veröffentlicht: 18.02.2015 13:31
Aktualisiert: 18.02.2015 13:31
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Text

Gut möglich, dass ich die Erinnerungen romantisiere. Gut möglich, dass du in meiner Erinnerung viel schöner bist, als du es wirklich bist, dass dein Lachen hier viel lauter ist und dein Geruch viel intensiver, dass die Lichter viel heller sind und die Musik viel lauter. Gut möglich, dass meine Erinnerung mir eine Geschichte erzählt, die wie ein Traum erscheint und ich bin ihr so dankbar dafür.

Vermissen ist ein Gefühl, oder? Eine Empfindung... Komisch, was macht eigentlich, dass man etwas so körperlich empfinden kann? Ich meine, wenn ich denke, dass ich dich vermisse, denke ich das erst nachdem ich es gefühlt habe, oder denke ich es erst und fühle es dann? Kommt dieser Kloss im Hals vor dem Gedanken? Oder sogar vor dem Gefühl? Die heissen Tränen? Oder das Gefühl von Ersticken?

Du hast gesagt, es gibt einen grossen Unterschied zwischen „Ich vermisse dich“ und „Du fehlst mir“. Ich habe mal irgendwo im Internet einen Post von jemandem gelesen, auf Englisch, der seinen Neid gegenüber der französischen Sprache zum Ausdruck brachte, weil die Franzosen die Worte „tu me manques“ verwenden um die Sehnsucht nach einem Menschen auszudrücken. Auf Englisch gibt es so viel ich weiss nur „I miss you“. Der Neid war in diesem Post damit begründet, dass „tu me manques“ viel besser das Gefühl des Vermisens beschreibt. Du fehlst mir – du bist ein Teil von mir, der nicht mehr bei mir ist. Du bist nicht hier, wo du meiner Meinung nach hingehörst, du hast einen Teil von mir mitgenommen.

Entschuldige, jetzt werd' ich wieder zu emotional. Ich wollte ja nur den Unterschied erklären. Ganz sachlich. Neutral. Trocken. Lustiges Wort, das – Trocken. Nix trocken. Ich werde momentan ständig zu einem übereifrigen Zimmerbrunnen, wenn grad niemand herschaut. Bestenfalls. Manchmal auch wenn jemand hinschaut. Es sprudelt dann nur so aus mir heraus, kurz und nass und halszuschnürend und schluchzergeschüttelt. Ich weine nicht gerne vor anderen Menschen. Also nicht dass es mir peinlich wäre oder so, gar nicht, aber es ist immer so, dass die Leute dich immer erst dann wirklich wahrzunehmen scheinen. Also im Sinn von, dass etwas nicht stimmt. Es ist leicht eine bedrückte Stimmung zu ignorieren, aber wenn ich weine, habe ich das Gefühl, dass ich anderen meine Gefühle aufdränge. Sie können sich dann ja schlecht wegdrehen. Kürzlich hat mich jemand festgehalten nachdem ich geweint habe. Das war das Beste was er hätte tun können. Aber das Problem war, dass ich mich in seinen Armen dann plötzlich so geborgen und sicher fühlte, dass ich wieder anfing zu weinen.

Ich habe heute Früh auf der Brücke im Morgengrauen eine Zigarette geraucht. Die ganze Stadt hat noch geschlafen. Das Licht war unglaublich, der ganze Fluss erstrahlte darin und bildete ein glühendes goldenes Band im Licht der aufgehenden Sonne.

Ich hätte diesen Anblick so gerne mit dir geteilt!

Vor ein paar Stunden sass ich in einem Café, mit ein paar Freunden. Ich hab aus dem Fenster geschaut, in Gedanken, weil sie sich über irgendwas unterhielten, das mein Interesse nicht wirklich einfangen konnte. Draussen war es schon dunkel. Ich bildete mir ein, dich unter der Strassenlaterne zu sehen, irgendein hübsches Mädchen im Arm, eine Flasche mit irgendeinem Alkohol in der Hand und eine Zigarette, lässig im Mundwinkel. Siehst du?! Das meine ich mit romantisieren. Ganz so cool bist du bestimmt nicht.

Ich bin dir nicht böse weil deine Mails immer seltener werden. Auch nicht weil das mit dem Briefeschreiben nicht funktioniert. Ich bin dir nicht böse weil du Weihnachten nicht vorbeikommst, oder weil du neue Freunde findest. Das solltest du, wirklich. Ich will dich auch gar nicht bitten zurückzukommen. Du fehlst mir einfach nur. Und ich habe so verdammte Angst davor, dass die Erinnerungen verblassen könnten, bei dir und bei mir. Tu me manques.

Kommentare

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Am 23.02.2015, Mary Jane
Natürlich nicht. Das macht es ja schreibenswert. :)
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Am 22.02.2015, Celly Nancoe
nur leider ist das nicht immer einfach :(
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Am 22.02.2015, Mary Jane
Celly Nancoe,
ja loslassen ohne Bitterkeit, irgendwie. Dankbar sein für das was man hatte und vermissen ohne zu fordern, nehme ich an...
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Am 22.02.2015, Celly Nancoe
Du schreibst sehr ähnlich wie ich. Die selben Gedanken machte ich mir auch schon. Es ist lernen, loszulassen, nicht wahr?
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Am 21.02.2015, Cleo1
cool