Seelenlicht Kapitel 1

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Lou
Veröffentlicht: 17.02.2015 02:32
Aktualisiert: 17.02.2015 02:32
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Text

Leben beginnt, Leben endet. Tot war ich schon immer. 
Ihr Leben aber, habe ich genommen.
 
Kapitel 1: Amelia
 
Es tat weh. 
Ich weiβ nicht mehr, ob der Schmerz in meinem Kopf gröβer war, durch den sich gerade eine bleierne Kugel bohrte, oder aber der Schmerz den der Anblick ihres Schützen in meinem Herzen auslöste. 
Aber ich weiβ noch, es tat weh. Auf eine schreckliche, unerträgliche Art, die ich nicht zu beschreiben fähig bin. Ich hatte früher immer geglaubt, in der Sekunde in der man zu sterben droht, würden einem unzählig viele Gedanken durch den Kopf schieβen. Doch dass - mal abgesehen von der Kugel - durch meinen Kopf nichts weiter als dieser schreckliche Schmerz schoss, damit hatte ich nicht gerechnet.
Um das alles zu erklären, sollte ich wohl ein paar Stunden früher beginnen.
Der erste Tag war ein sonniger Mittwoch. Es war morgens angenehm warm, die ersten Vögel zwitscherten und das groβe, alte Gebäude der Schule, die ich besuchte, wirkte irgendwie sogar einladend. Der Vormittag verlief ganz normal, mein Lieblingslehrer war krank und wir schrieben einen Überraschungstest, aber ansonsten blieb alles wie immer.
In der achten Stunde dann, wir hatten Mittagschule, saβ ich gedankenverloren an meinem Platz in der vorletzten Reihe, fast direkt neben der Türe, als plötzlich drauβen Wolken aufzogen und die schöne warme Sommersonne verdeckten. Das wäre mir wahrscheinlich kaum aufgefallen, doch wo ich jetzt so darüber nachdenke, erinnere ich mich sogar an die dumme Bemerkung die Mr. Drool, unser Englischlehrer, darüber machte und dass er der einzige gewesen war, der sie wirklich witzig fand.
Alles bis zu diesem Zeitpunkt ist in meinem Kopf eingespeichert wie ein schrecklicher, aber trüber Alptraum. Doch die nächsten Sekunden, die, die jedes noch so kleine Geräusch in unserem Klassenzimmer verstummen lieβen, die sogar bei Mr. Drools einen Ausdruck der Panik auslösten, diese Sekunden kann ich jederzeit abrufen als seien sie gerade erst verstrichen.
Zuerst hatte es ein lautes Rauschen gegeben, dann war das gewohnte Klicken des Durchsagelautsprechers unserer Schule ertönt, der normalerweise genutzt wurde um schulische Ereignisse anzukünden oder den Sanitätsdienst zu rufen, und dann hatte sich mit zittriger Stimme unser Direktor zu Wort gemeldet. Er sagte nicht viel, doch jeder, der seine leisen Worte verstand, erstarrte. Es war ein Code, den man an unserer Schule vor ein paar Jahren eingeführt hatte. 
"Raum A314, Drools, 11b, Regen."
Das war der Moment, in dem das Chaos ausbrach. Die untypischen Sicherheitsübungen waren bei uns schon sechs Jahre her, am Anfang der fünften Klasse musste jeder sie durchführen. Und doch wussten wir alle dass dieser Code für einen Menschen mit lebensbedrohlicher Waffe stand, für einen vermeintlichen Amokläufer, und zwar genau vor der Türe unseres Klassenzimmers. Mr. Drools schrie eine Anweisung in die entstande Stille hinein, ein Tisch kippte um, einer der Jungs hinter mir stand auf. Doch es war alles zu spät, die Tür flog auf.
In ausgerechnet dieser Sekunde, in der ich ohne nachzudenken aufsprang, herumwirbelte und mich mit einem einzigen, groβen Schritt zwischen den Lauf der Pistole und den Jungen schob, begann es drauβen zu schütten. 
Ich kann mir nicht erklären, wieso ich damals aufgestanden bin, oder woher ich wusste, dass er auf ausgerechnet diesen Jungen als erstes schieβen würde. Es war eine instinktive Tat, ich dachte nicht darüber nach. 
Das letzte Geräusch, welches mich gemeinsam mit dem unendlichen Schmerz in die Ohnmacht begleitete, war das Trommeln des Regens gegen die Fenster.

Kommentare

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Am 10.03.2015, pfifoltra
Wirklich gut geschrieben, sehr packend! Fortsetzung, bitte!!! :)
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Am 17.02.2015, Jess :D
Wow! Wann kommt der zweite Teil??