Blumen

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cryinglightning
Veröffentlicht: 28.09.2012 19:37
Aktualisiert: 28.09.2012 19:37
Kategorie: Dies & Das
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Noch während wir begriffen, dass wir keine Kinder mehr waren, wurden wir schon erwachsen, es dauerte nur ein paar Augenblicke, einige Wimpernschläge, doch es reichte aus um uns selbstkritisch zu machen, wir schauten uns nicht mehr durch unsere eigenen Augen an sondern nun durch die Augen der anderen, und oh ja, die fanden jeden noch so kleinen Makel, jeden einzelnen Fehler. Auf einmal fanden wir unser Benehmen schrecklich kindisch, unsere Hobbies unglaublich „mainstream“, unsere Eltern peinlich, um von unseren Kleidern gar nicht zu sprechen. Eine Veränderung musste her, wir selbst mussten die Veränderung werden, die wir sehen wollten, jedenfalls wurde uns das gesagt. Und damit auch jeder die Veränderung sehen konnten, begannen wir ganz aussen. Wir schauten uns Bilder von uns selbst an und konnten nicht glauben, dass wir uns mit solchen Klamotten jemals aus dem Haus getraut hatten, wir schämten uns für uns selbst. Also schwärmten wir aus, wir waren hungrig, wir tranken die Welt der Erwachsenen und betranken uns ohne es zu merken, wir ertranken darin und glaubten doch, immer noch zu schwimmen, oder auf jeden Fall eine Rettungsweste im Gepäck zu haben. Tatsächlich glaubten wir, wir könnten jederzeit zurück, das kindische Benehmen und die schrecklichen Kleider seien ja gerade gestern noch Teil unseres Lebens gewesen, und so weit konnte es nach gestern beim besten Willen nicht sein. Also wiegten wir uns in Sicherheit, als wir mit Enthusiasmus und auch etwas Stolz nach Fashionregeln jagten, wir fanden neue Trends und neue Stile und verloren dabei uns selbst. Und als wir begriffen, was wir getan hatten, war es bereits zu spät, wir konnten nicht mehr zurück, hatten wir nicht unsere Sparschweine geschlachtet und unser letztes Geld für ein One-Way-Ticket ausgegeben? Nun waren wir am Ziel und hatten doch fürchterliches Heimweh.

Wir hatten unsere schrecklichen Kleider weggeworfen, verbrannt, verbannt aus unseren Schränken und unseren Gedanken, wir kauften neue und fühlten uns neu, anders, besser. So lebten wir, wir waren die Front und wir liefen schneller als alle anderen, sie bewunderten uns, doch wir hielten den Vorsprung nicht ewig, sie holten uns auf und wir drohten, in der Menge unterzugehen. Also suchten wir fieberhaft, wir suchten nach etwas Neuem, und als wir nichts fanden suchten wir nach dem Alten, doch es war fort. Wir hatten uns daran gewöhnt, einzigartig zu sein, und der Gedanke, dass sich etwas daran ändern könnte, dass wir übersehen, vergessen werden könnten, brachte uns um. Wir resignierten und begriffen, dass wir zu den Wurzeln zurück mussten, doch wir hatten sie abgeschnitten, wir waren nur noch ein Blumenstrauss, schön aber von begrenzter Haltbarkeit.

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