Jürg Hohmeister, 48, erfolgreicher Geschäftsleiter

Herr Hohmeister steigt aus seinem silbernen Audi rs7, nimmt seine schwarze Aktentasche und hastet quer durchs Parkhaus zum Lift. Er hat eine wichtige Sitzung im 32. Stock des Prime Towers in Zürich und hat nur noch 3 Minuten Zeit. "Wieso geht denn diese ver****** Türe nicht auf? Hat sie die Putzfrau etwa noch nicht geöffnet? Ach, ich muss ziehen! Hoffentlich hat das niemand gesehen. Das wäre ziemlich peinlich. Wo ist der "Rauf"-Knopf? Aha, das ist so ein neues Touch-System. Hoffentlich kommt der Lift bald. Der muss jetzt sicher das ganze Haus runterfahren, dann hält er noch fünfmal an und lädt solche Leute ein, die nicht wissen, in welchen Stock sie müssen. Herrgott, wann kommt der Lift endlich? Wie viel Zeit habe ich noch? Hm, acht Uhr, drei vor acht, noch drei Minuten! Soll ich etwa die Treppe nehmen? Wäre das schneller? Nein, so schnell bin ich auch nicht. Ich habe zwar mal beim Pfüderirennen gewonnen, aber das ist doch schon ein paar Jahre her. Ach, endlich! Ähm, welchen Stock muss ich schon wieder wählen? War es der 23. Stock? Oder der 32.? Ach ich drücke mal den auf die 26, das ist in der Mitte. Geht die Türe von alleine zu? Ah, ja. Habe ich meine Kravatte richtig gebunden? Sitzt sie nicht schief? Habe ich etwa zu viel Gel in die Haare gestrichen? Das soll ja 24 Stunden Halt geben. Merkt die junge Sekretärin wohl, dass ich meine angegrauten Haare braun gefärbt habe? Die Blonde ist ziemlich hübsch. Mit dem kurzen Rock und den schwarzen Strümpfen sieht sie ziemlich sexy aus. Hoppla, wer steigt denn jetzt ein? Ist sie das etwa? Nein, das ist nur eine Putzfrau. Halt, Jürg! Schau sie bloss nicht so an! Sonst denkt sie noch was falsches, erzählt es ihrem Chef und ich bin gefeuert! Also, einen bestimmten Punkt an der Wand fixieren, Kopf ein bisschen nach oben. Das strahlt Aurorität aus..."

Tanja Sutter, 33, bis vor kurzem arbeitslose alleinerziehende Mutter, jetzt Putzfrau im Prime Tower

Tanja kontrolliert noch mal, ob sie die richtigen Putzmittel im Putzwagen hat und tippt dann auf das "Rauf" Zeichen. "Hoffentlich lässt der Lift ein bisschen auf sich warten. Ich bin noch so müde. Warum musste auch der Kleine mitten in der Nacht plötzlich aufwachen? Das Milchpulver habe ich auch noch so lange suchen müssen. Ach nein, der Lift ist heute aber schnell. Steht schon jemand drin? Aha, so ein "superwichtiger" Geschäftsmann, der einem zuerst nur kurz einen abschätzigen Blick zuwirft und dann entweder die ganze Zeit die Wand anstarrt oder auf seinem neuen iPhone herumtippt. Hoffentlich stört er sich nicht an meinem sperrigen Putzwagen. Sonst reklamiert er noch beim Hauswart und motzt über nerviges Putzpersonal und ich bin schon wieder arbeitslos. Wohin muss er wohl? Er sieht gestresster aus, als ich. Wahrscheinlich an eine Sitzung. Die Geschäftsleute müssen doch immer zu Sitzungen gehen. Am Morgen, am Mittag und am Abend haben sie bestimmt auch noch eine. Seine Lederschuhe waren sicher teuer und erst recht seine Aktentasche! Hat er die selber gekauft, oder bekommt er die vom Geschäft? Seine Hände gefallen mir. Nicht so ungebrauchte viel zu feine informatiker Hände. Sondern braun und sehnig. Aber trotzdem stark. Vielleicht hat er bei sich zu Hause einen Garten. Gärtnern baut Stress ab. Schade, dass ich keinen Garten habe. Aber ich habe ja auch keine Zeit. Zuhause muss ich noch waschen, kochen, auf die Kleinen aufpassen. Hm, habe ich die Waschmaschine überhaupt eingestellt?"

Peter Häberlin, 52, Chefkoch des "Restaraunts Clouds" im Prime Tower

Herr Häberlin betritt fröhlich summend den Lift. Vorher war er noch im 12. Stock und druckte in seinem Büro die Menü-Bestellungen aus. "I'm a Barbie girl, in a Barbie wohorld, life in plastic, it's fantastic! Hmhm hm hm hmm... Ach dieses Lied! Dieser Ohrwurm verfolgt mich jetzt schon ewig! Eigentlich ist es ja so kitschig. Ups, habe ich etwa vorher laut gesummt? Na, ist ja egal, der Mann sah mich wohl sowieso nicht reinkommen und der Frau macht das sicher nichts aus. You can brush my hair, undress me everywhere... hmhm hm hmm... Komisch, der Lift steht jetzt aber schon lange still. Geht die Türe denn nicht auf? Wahrscheinlich hat der Lift wieder Störungen. Come on Barbie, let's go Party! Hm hm hmm."

Jürg Hohmeister wird schon wieder nervös. "Herrgottnochmal! Warum bleibt denn plötzlich der Lift stehen? Gibt es hier nirgends einen Notfallknopf? Ach nein, ist ja alles touch! Hier leuchtet ein SOS-Symbol. Was muss ich jetzt machen? Ist es ein Sensor, muss ich nur winken? Vielleicht näher ran, oder weiter weg? Huch, jetzt habe ich eine Putzflasche umgestossen. Sie kann es ja aufheben. Wie spät ist es jetzt? Mein Gott, schon zwei vor! Ich schaffs nicht rechtzeitig zur Sitzung! Summt der kleine Mann etwa die Melodie von "Barbie Girl"? Bin ich jetzt etwa unter Verrückten? Die Putzfrau starrt mich die ganze Zeit so komisch an und der Mann summt "Barbie Girl". Das Lied ist doch von Aqua oder? Wie alt sind die jetzt etwa? Mann, noch eine Minute! Ich dreh gleich durch!"

Tanja Sutter überlegt, ob sie dem gestressten Geschäftsmann einen Kaugummi anbieten soll. "War der etwa noch nie in diesem Lift? Vielleicht weiss er ja gar nicht, dass dieser Lift ab und zu spinnt. Aber das ist ja nach etwa zehn Minuten schon wieder vorbei. Hat er gerne Kaugummi mit Melonengeschmack? Seine Hände würden bestimmt ganz zittrig das Papierchen aufreissen und dann den Kaugummi in den Mund stopfen. Oh, sein Mund! Er hat so volle Lippen. Er hat sicher ganz glatte Wangen, weil er sich jeden Tag rasiert. Hihi, vor lauter Aufregung hat er eine rote Nase bekommen. Süss! Ups, liegt die Putzflasche schon lange am Boden? Soll ich sie etwa aufheben? Nein, dann denkt er vielleicht, ich flirte mit ihm. Und wenn ich ihn gar nicht anschaue, wenn ich die Flasche aufhebe? Nein, das wäre unhöflich. Wenn es ihn nicht stört, lasse ich sie liegen und warte, bis er aussteigt. Aber nein! Dann schaut er nicht, wo er hintritt, rutscht auf der Flasche auf und fällt in den Putzwagen. Und dabei stösst er auch noch den Mann um, der vorher eingestiegen ist. Der sieht ziemlich glücklich aus. Heiratet er etwa? Ach endlich, der Lift fährt weiter."

Peter Häberlin hat auch bemerkt, dass die Putzflasche am Boden liegt. "Soll ich sie aufheben? Nein, der Mann hat sie ja umgestossen und die Flasche gehört schliesslich der Frau. I'm a Barbie Girl, in a Barbie world. Life in plastic, it's fantastic! Hmhm hm hm hmm. Hoppla, der Lift fährt weiter. Come on Barbie, let's go Party!"

Jürg Hohmeister bemerkt plötzlich, das er gar nicht weiss, wo er aussteigen muss. "Muss ich jetzt im 32. Stock raus oder im 23. ? Soll ich den Mann fragen? Oh nein, lieber nicht. Sonst trällert er mir das kitschige Lied vor. Oh nein, jetzt verfolgt mich das Lied auch noch! I'm a Barbie girl, in a Barbie world. Hmhm hm hmm. Oh Gott! Habe ich das jetzt etwa laut gesummt? Ich überspiele es einfach und frage halt die Putzfrau." " Entschuldigung, wissen Sie, in welchem Stock das Konferenzzimmer von Herrn Bühler ist?"

Tanja Sutter staunt. "Hat der Mann etwa mit mir gesprochen? Ich glaube schon! Und wieso hat er dann vorhin die Melodie von "Barbie Girl" gesummt? Der hat ja eine tolle Stimme! Er schaut mich an! Was hat er für eine Augenfarbe? Ist das blau? Ehm, was hat er gefragt? Wo das Konferenzzimmer von Herrn Bühler ist? Phh, als ob ich das weiss! Aber ich muss ihm ja antworten, sonst denkt der ja, ich sei so eine dumme Stumme." "Ehm, das Konferenzzimmer ist im 24. Stock" "Keine Ahnung, ob das stimmt! Aber egal. Wow, ich habe mit ihm gesprochen! I'm a Barbie girl, in a Barbie world! Hmhm hm hmm. You can brush my hair..."

 Im 24. Stock steigen Herr Hohmeister und Frau Sutter aus. Im 35. Stock steigt Herr Häberlin aus. Ihr letzter Gedanke beim Verlassen des Liftes: „Come on Barbie, let’s go Party!“