Welch arme Welt

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Nala
Veröffentlicht: 04.09.2012 21:08
Aktualisiert: 12.09.2012 17:01
Kategorie: Dies & Das
Tags: Alltag, Armut, Hilfe, Tod, Umwelt
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Kurzbeschrieb:
Text über unsere mangelnde Hilfeleistung und fehlende Rücksichtnahme.

Text

Welch arme Welt

 

Man lebt im Trott, jeden Tag. Man steht auf, man zieht sich an, man geht aus dem Haus. Man nimmt den Bus, man geht zur Arbeit. Man isst Mittag und man arbeitet weiter. Man geht nach Hause, vorher noch kurz einkaufen. Man kocht zu Abend, man isst. Man schaltet den Fernseher ein, man schaut sich die Nachrichten an, man denkt "oh wie schlimm" und man gähnt. Man putzt die Zähne, man geht zu Bett. Jeden Tag. Ausser samstags und sonntags. Dann erholen wir uns. Wir stehen auf, wir ziehen uns an, und gehen aus dem Haus. Wir treffen Freunde, und machen einen Ausflug. Wir essen zu Mittag. Wir streicheln die Tiere im Streichelzoo, wir bewundern die Flora der Alpen, wir geniessen die Fahrt auf dem Boot. Dann gehen wir nach Hause und wir essen zu Abend. Wir schalten den Fernseher ein, schauen die Nachrichten, denken "oh wie schlimm", gähnen, putzen uns die Zähne und gehen schlafen. Alltagstrott.

Wir jammern über unseren Alltag und fluchen über den Trott. Wir verdammen unser geordnetes Leben, wir hassen die Langweile. Reizlos sind unsere Stunden, unsere Tage, unser Leben! Ständig streben wir nach mehr, nach Neuem, nach Exotischem. Wir suchen Glück, wir fragen Psychiater, Psychologen, Astrologen. Teure Lebensberatung, immer häufigere Glaubenskonversionen, wir suchen nach mehr und mehr, nach innerem Frieden. 

Wie sieht wohl der innere Frieden einer syrischen Mutter aus? Nach was strebt sie, mit was wäre sie glücklich? Adrenalin und Kick hat sie genug, bei jedem Knall ein Bangen. Jeden Tag ein Leben zwischen Leben und Tod - Abenteuer! Dem Tyrannen aufs Geratewohl ausgeliefert, jederzeit inhaftierbar durch die Armee, beim kleinsten Vergehen Abschussgefahr! Tödliche Bomben, tödliche Mienen, tötende Regierung, tötende Rebellen, totes Volk, tote Menschen.

Was würde sich wohl der alte japanische Grossvater wünschen? Alles zerstört, alles kaputt, alles radioaktiv. Hunderte Familien auseinandergerissen, hunderte Verstrahlte, hunderte mausearm. Tausende mussten ihre Heimat verlassen, ihr Land, ihr Besitz. Für immer. Nie wieder dürfen sie nach Hause zurück, nie wieder wird es bewohnbar sein. Kein Leben existiert dort noch, tote Welt.

Was würde wohl die arme malinesische Bäuerin zu unseren Problemchen sagen. Wir sollten sie fragen wie sie es mit dem Waschen ihrer Autos handhabt, ob ihre Badewanne auch immer schön gefüllt ist, und ob ihr Garten auch vor Grün strotzt. Ihr zahnloser Mund würde uns mitleidig anlächeln. "Armut, Elend" würde er sagen. "Hunger" spräche es aus den Augen des zweijährigen mageren Jungen. "Durst" sprächen die trockenen Lippen der 15-jährigen Ziegenhüterin.  

Wir sollten lernen zufrieden zu sein. Wir sollten lernen dankbar zu sein. Und wir sollten lernen einzugreifen. Von Passiv zu Aktiv, vom Zuschauer zum Akteur.

Es kann nicht sein, dass in einer zivilisierten Zeit wie dieser, in einer Welt, in der es scheinbar von Fortschritt nur so wimmelt, unschuldige Menschen massenhaft hingerichtet werden; aus politischen Gründen!

Es darf nicht sein, dass menschliche Fahrlässigkeit zu Naturkatastrophen von solch groteskem Ausmass führt, nur weil eine Investition sich scheinbar nicht lohnte! Nur weil wir nicht bereit sind, auf einige Ampere zu verzichten!

Es darf nicht sein, das jeden Tag tausende Lebensmittel weggeworfen, unzählige Liter Wasser verschwendet und ganze Getreidefelder durch Brandstiftung zerstört werden, während jedes dritte Kind an den Folgen mangelnder Ernährung stirbt!

Wie kann so was sein, wie können wir zuschauen, zusehen, zuhören und dabei nicht handeln? Oh du zivilisierte Gesellschaft, in welch armer Welt leben wir...

Kommentare

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Am 31.10.2012, Nala
Hey Nic.
Gute Frage :) Also, ich versuche bewusst zu leben, zufrieden zu sein und nicht zu verschwenderisch zu sein. Gerne wüde ich natürlich mehr bewirken, aber ohne Geld und ohne Einfluss ist das nicht so leicht. Aber ich denke, wenn jeder Mensch bewusster leben würde, und auch bereit ist etwas für Andere zu tun, könnte man gemeinsam viel bewirken... Beispielsweise könnte man anstatt teure, neue Olympiastadien zu bauen, dieses Geld für andere, sinnvollere Sachen einsetzen und so vielen Menschen helfen...
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Am 12.09.2012, Nala
Danke für die Kritik, du hast Recht. Ich war selber in Afrika und weiss, dass es auch dort vielen Leuten gut geht. Man kann es nicht mit unserem europäischen Standard vergleichen, aber sie sind zufrieden. Trotzdem gibt es viele Regionen, die mit Hunger und Durst zu kämpfen haben und auf die wollte ich eigentlich hinweisen. Ich sollte wohl konkreter sein..
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Am 12.09.2012, tintenfass
Als ich deinen Text gelesen habe ist mir spontan das Lied "an Tagesen wie diesen" von Fettes Brot in den Sinn gekommen. http://www.youtube.com/watch?v=xF8EsHLAj_Q

Die Herausforderung bei diesen Texten liegt meiner Meinung darin, nicht all zu moralisch zu werden. Die Welt nicht all zu schwarz-weiss zu zeichnen. Gibt es nicht auch in "Afrika" sehr viele gesunde, satte, fröhliche Menschen und in unserer "zivilisierten Welt" viel Armut?

Die ersten beiden Abschnitte gefallen mir sehr gut! Hier finde ich, gelingt dir dies sehr gut.
ein spannender Text!