Und sie
Text
Ich stehe an der bushaltestelle und warte auf den bus, der mich hoffentlich nach hause bringen wird. In letzter zeit bin ich mir da irgendwie nicht mehr so sicher. Aus dem augenwinkel erblicke ich eine flüchtige bekanntschaft von mir, die mich zwar stets nett grüsst, bisher mit mir aber nicht viel mehr als ein paar worte gewechselt hat. Sie ist so jemand, den man jeden tag sieht, von dessen wahren sorgen und problemen man aber eigentlich keinen blassen schimmer hat. Sie lächelt mich an und schaut mir belustigt, aber bestimmt in die augen. Ich lächle zurück und gehe nach kurzem überlegen zu ihr hinüber, als ob ich das öfter täte.
Ist dir auch so kalt, fragt sie mich, jetzt eher mit bestimmtem, als mit belustigtem blick.
Schon, ja.
Winter, erwidert sie, als würde das bereits alles erklären. Ich weiss nicht, was ich darauf antworten soll, und so sehen wir beide irgendwo anders hin, um der peinlichen stille zwischen uns zu entfliehen. In solchen momenten versuche ich immer, den eindruck zu erwecken, als würde ich den schauplatz um mich herum ganz genau inspizieren und vielleicht nach irgendetwas bestimmtem suchen. Sozusagen, als würde ich mit einem ganz bestimmten grund wegschauen, quasi um dem ganzen ein wenig die peinlichkeit zu nehmen und gleichzeitig eine art geheimnisvollen eindruck zu erwecken.
Sie blickt mich kurz schräg von der seite aus an und öffnet den mund einen kleinen spalt, als wollte sie etwas sagen. Dann wendet sie sich aber doch wieder ab, um zu ihrem irgendwohinstarren, das auch ich immer noch äusserst intensiv praktiziere, zurückzukehren. Ich überlege kurz, bevor ich dann doch frage:
Was?
Sie scheint nervös zu sein, beisst ein wenig auf ihrer unterlippe herum - was ich übrigens an einer frau äusserst attraktiv finde -, ist aber doch wieder ganz bestimmt, als sie sagt:
Ich weiss eigentlich nicht, ob ich dir das sagen sollte, aber, weisst du...
Sie sieht sich kurz um, kommt etwas näher, senkt ihre stimme.
...Weisst du, ich hatte schon länger keinen...also ich war schon länger nicht mehr...ich meine...
Mit hochgezogenen augenbrauen und fragendem blick schaut sie mich an.
Ja, klar; Ich:
Ähm...Was??
Nochmals schaut sie über ihre schulter, kommt dann noch näher, nahe genug, um mir ins ohr hauchen zu können:
Ich hatte schon zu lange keinen intimerem körperkontakt mehr, weisst du...
Also ich hätte gerade zeit, sprudelt es sofort aus mir heraus, dass ich mich selbst wundere, wo das denn auf einmal so selbstbewusst herkommt. Sie kichert, als hätte sie nur gescherzt, mich nur irgendeinem test unterziehen wollen und auch ich kann meinen ernsten gesichtsausdruck nicht mehr als ein paar sekunden bewahren. Wir gucken beide schnell wieder weg, kichern in uns hinein wie zwei kleine mädchen, sie etwas mehr als ich, und tun so, als wüssten wir beide, dass das nur ein scherz gewesen ist.
Doch da sieht sie mich wieder so von der seite aus an, nur ganz kurz, sieht mich an und prüft meine reaktion. Ich drehe meinen kopf kurz zu ihr rüber, sie schaut wieder weg und wieder her, auch ich, und sie, ein paar mal, bis unsere blicke schliesslich aneinander haften bleiben und wir nicht mehr lächeln, nicht mehr wegschauen, und unsere augen sich verflechten wie zwei tiger, die vergessen haben, dass sie eigentlich wild sind.
Sie steigt aus und ich zögere, aber nur kurz und eher aus verwunderung darüber, dass ich schon eingestiegen bin. Das innere hadern ist schnell besiegt und ich folge ihr. Sie läuft mir davon, ich renne ihr nach und sie blickt sich um und ich sehe sie und sie sieht mich und sie läuft schneller und ich laufe schneller. Und dann stehen wir plötzlich vor einer haustür, stehen uns einfach nur gegenüber, schauen uns an und atmen schwer. Ihre augen blitzen und ihr leicht geöffneter mund schimmert. Mich unaufhaltsam in seinen bann ziehend, merke ich kaum noch, wie ich den zweiten ersten schritt an diesem tag mache und sie fest an mich ziehe und all das geschehen lasse, durch die erste tür, die stufen hinauf, gegen die zweite, durch verschwommene gänge, dritte türen, auf zerfasernde matratzen, böden, tische, sofas, ohne hemden, blusen, hosen, halter und halten, und immer stärker, und immer tiefer hinein und sie und ich und sonst nichts und dann einfach ... Davonschweben...
So bin ich noch nie entjungfert worden, sage ich da und sinke zurück.
Ich auch nicht.
Sie grinst mich verschmizt an und ich will gar nicht wissen, ob sie lügt oder nicht.
Du hast Dinge so verwendet, wie ich es nie so direkt schreiben würde - du schreibst oben davon, wie er wegsieht, so tut als würde er irgendetwas Bestimmtes sehen wollen bzw. sehen und dabei Aufmerksamkeit erregen - bei mir hätte diese Szene vielleicht so ausgesehen:
Ich blickte beschämt wieder weg, ich hatte Angst davor, ihr noch einmal in die Augen zu sehen. Ich tat so, als hätte ich gerade etwas sehr Interessantes gesehen und dächte nun darüber nach. Diese Stille machte mich unruhig und, soviel ich wahrnahm, auch sie. ...
Gut, ich weiss, der Kern ist ein und derselbe, aber ich mag diesen Stil, direkt zu sagen, was ich vorgebe zu tun und zu welchem Zweck. Denn damit sieht man mehr von der Persönlichkeit eines Charakters.
Larelya
jap ich kann verstehen, dass es am Handy etwas mühsam ist... :D
Aber generell vielen Dank für die netten Worte :)